Politik

Benedikt enttäuscht Opferverbände Papst schweigt zu Deutschland

Scham und Reue fühlt der Papst angesichts der Missbrauchsfälle.

Scham und Reue fühlt der Papst angesichts der Missbrauchsfälle.

(Foto: dpa)

Papst Benedikt verurteilt in seinem Hirtenbrief den Missbrauch in Irland und kündigt Untersuchungen an. Den verantwortlichen Bischöfen droht er mit Bestrafung - irische Opferverbände sind trotzdem enttäuscht. Zu den deutschen Missbrauchsfällen äußert sich der Papst nicht.

Der Papst hat sich in seinem mit Spannung erwarteten Hirtenbrief an die Katholiken in Irland bei den Opfern sexueller Gewalt entschuldigt. Er fühle Scham und Reue, heißt es in dem Schreiben. Zugleich kündigte er formelle Untersuchungen des Vatikans zu den Missbrauchsfällen in den irischen Diözesen an. Speziell zu den Missbrauchsfällen in Deutschland äußerte sich der Papst nicht.

Die "Initiative Kirche von unten" (IKvu) warf dem Papst vor, bei "verbaler Betroffenheit stehen" zu bleiben. "Statt effektiver Krisenbewältigung bietet der Vatikan das Schauspiel einer sich autistisch abkapselnden Institution: Gefehlt haben in dieser Selbstwahrnehmung nur wenige, vom Zeitgeist verführte Einzeltäter", teilte die IKvu in Bonn mit. Der Papst verweigere den Blick auf die strukturellen Ursachen und ruhe sich auf der Einzeltäterthese aus. Dies sei ein Skandal, hieß es weiter. Die Organisation forderte die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission nach irischem Vorbild.

Der Vatikan wies die Kritik an dem Brief und den fehlenden Worten zu den deutschen Missbrauchsfällen zurück. Vatikan-Sprecher Federic Lombardi sagte, der Papst werde "einen angemessenen Weg finden, um auch auf die deutsche Situation Bezug zu nehmen".

Zollitsch verteidigt Schreiben

Der Hirtenbrief an die irische Kirche geht allerdings nicht auf die deutschen Fälle ein.

Der Hirtenbrief an die irische Kirche geht allerdings nicht auf die deutschen Fälle ein.

(Foto: REUTERS)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte, Er verstehe die Mahnung des Papstes an die Bischöfe in Irland zugleich auch als Mahnung an die deutschen. "Seine schonungslose Analyse zeigt, dass sich der Heilige Vater dem Problem sexuellen Missbrauchs mit Ernst und mit großer Sorge stellt." Vorrang habe für ihn die Perspektive der Opfer. "Deshalb kritisiert er den zum Teil übermäßigen Täterschutz, den die Kirche häufig praktiziert habe. Wieder und wieder drängt er darauf, dass die Vorgaben der Justiz und des staatlichen Rechts einzuhalten seien." Er sei für die Worte des Papstes dankbar, erklärte Zollitsch. "Wir wissen, dass auch bei uns in Deutschland Fehler gemacht wurden", sagte er. "Wir dürfen Fehler nicht wiederholen und brauchen auch in Deutschland eine lückenlose Aufklärung und uneingeschränkte Transparenz."

Obwohl der Papst nicht direkt auf die zuletzt bekanntgewordenen Missbrauchsfälle in Deutschland, Österreich und den Niederlanden eingeht, erklärt er am Anfang seines Briefes: "Es ist wahr, dass das Problem des Missbrauchs von Kindern weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches ist." Zugleich schlägt der Papst konkrete Initiativen zum Umgang mit den Missbrauchsfällen vor. Unter anderem spricht er sich für eine gemeinsame Mission in ganz Irland für alle Bischöfe, Priester und Ordensleute aus. "Es ist meine Hoffnung, dass durch das Nutzen der Expertise erfahrener Prediger und Exerzitienbegleiter von Irland und andernorts und durch das erneute Studium der Dokumente des Konzils, der liturgischen Riten von Weihe und Profess und der neueren päpstlichen Lehren, Ihr zu einem tieferen Verständnis für Eure jeweilige Berufung kommt."

Zum Treffen bereit

Den irischen Bischöfen machte Papst Benedikt XVI. schwere Vorwürfe. Sie hätten versagt in ihrer Führungsaufgabe, den Kindesmissbrauch zu thematisieren. "Ihr habt das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in Euch gesetzt wurde, verraten und Ihr müsst Euch vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten dafür verantworten. Ihr habt die Achtung der Menschen Irlands verspielt und Schande und Unehre auf Eure Mitbrüder gebracht." Die irische Kirche müsse entschlossen mit Ehrlichkeit und Offenheit ihren guten Ruf zurückgewinnen. An die Opfer gewandt erklärte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche: "Ihr habt viel gelitten und ich bedauere das aufrecht. Ich weiß, dass nichts das Erlittene ungeschehen machen kann." Er sei bereit, die Opfer zu treffen, um ihnen zu zeigen, dass er sich persönlich ihrer Leiden annehme.

Irische Opfervertreter zeigten sich tief enttäuscht über den Hirtenbrief. Er sei weit davon entfernt, die Sorgen der Opfer sexueller Gewalt anzusprechen, erklärte das Bündnis "One in Four". Das Schreiben konzentriere sich zu stark auf die Rolle rangniederer irischer Priester ohne die Verantwortung des Vatikans aufzuzeigen. Zudem gehe der Papst nicht auf die Forderung der Opfer ein, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche in Irland, Kardinal Sean Brady, zurücktreten sollte. Vor allem aber hätte er die Art und Weise verurteilen sollen, wie die Kirche den Missbrauch systematisch und über Jahre verdeckt gehalten habe, sagte die Leiterin der Opfergruppe "One in Four", Maeve Lewis. Statt nur die Vergangenheit zu verurteilen, hätte Papst Benedikt XVI. mehr auf Konsequenzen und die Zukunft eingehen müssen, war zudem von Opferverbänden zu hören.

Licht und Schatten

Opfer Andrew Madden erklärte, er habe keine Bestätigung gebraucht, dass Missbrauch eine Straftat und Sünde ist. "Die Entschuldigung von heute gilt nicht für die Verschleierung", sagte er. Das aber sei ebenfalls eine Sünde gewesen, da deshalb viele Kinder weiterem Missbrauch ausgesetzt worden seien. Der Papst hätte konkreter sagen sollen, wie es nun weitergeht, forderte die ehemalige Lehrerin Michelle Marken laut dem Sender BBC. Statt den Besuch von hohen Vatikan-Vertretern anzukündigen, müsse er selber nach Irland kommen und die Aufdeckung der Straftaten vorantreiben.

Der Papst bei einem Treffen mit irischen Bischöfen am 15. Februar.

Der Papst bei einem Treffen mit irischen Bischöfen am 15. Februar.

(Foto: dpa)

Irlands Kirchenoberhäupter sehen im Hirtenbrief des Papstes zum Missbrauchsskandal einen Neuanfang - auch, wenn diese sich teilweise gegen ihr eigenes Verhalten richteten. Der Brief sei ein zentraler Schritt auf dem Weg zu einer Erneuerung der Kirche, sagte das Oberhaupt der irischen katholischen Kirche, Kardinal Sean Brady, in einer Messe im nordirischen Armagh. Er selber steht in der Kritik, weil er in den 1970er Jahren dabei gewesen sein soll, als zwei missbrauchte Kinder ein Schweigegelübde ablegen mussten. Immer wieder wird deshalb sein Rücktritt gefordert. Er hatte schon zuvor erklärt, er wolle darüber nachdenken.

Der zweitwichtigste Mann der irischen Kirche, der Dubliner Erzbischof Diarmuid Martin, betonte hingegen die Rolle der Kirche bei den Straftaten: "Der Papst erkennt das Versagen der kirchlichen Autoritäten in der Art und Weise, wie sie mit den schändlichen und kriminellen Taten umgegangen sind, an."

Ein von Irlands Regierung in Auftrag gegebener Bericht hatte vergangenen November Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Dublin in den Jahren 1975 bis 2004 offengelegt. Darin wurde der Amtskirche vorgeworfen, bis in die 1990er Jahre hinein Fälle sexueller Gewalt an Kindern vertuscht zu haben.

Zollitsch bestreitet Vorwürfe

Nach den Worten des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, stellt der Papst-Brief eine hilfreiche Orientierung für die gesamte Weltkirche dar, um die Konsequenzen aus den Missbrauchserfahrungen zu ziehen.

Zollitsch wehrt sich gegen Vorwürfe, er habe Fälle vertuscht.

Zollitsch wehrt sich gegen Vorwürfe, er habe Fälle vertuscht.

(Foto: dpa)

Bischof Zollitsch hat unterdessen gegen ihn erhobene Vertuschungsvorwürfe in Zusammenhang mit einem Missbrauchsskandal zurückgewiesen. "Ich nehme für die Bistumsleitung und mich in Anspruch, immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben", sagte der Freiburger Erzbischof. Nach heutiger Erkenntnis würde er jedoch anders handeln, "konsequenter und mit größerem Nachdruck nach Zeugen und Opfern suchen und suchen lassen." Zollitsch wird in Recherchen der TV-Sendung "Report Mainz" und der "Badischen Zeitung" vorgeworfen, einem 1991 unter Missbrauchsverdacht stehenden Pfarrer lediglich in den Ruhestand versetzt zu haben, ohne die Staatsanwaltschaft einzuschalten.

Heute würde er anders handeln, sagte Zollitsch weiter. "Wir haben alle aus den erschreckenden Fällen von Missbrauch gelernt." Die Prävention werde ausgebaut. "Soweit überhaupt möglich, werde ich mich dafür einsetzen, dass sich die unsäglichen Vorgänge der Vergangenheit im Raum der Kirche nicht mehr wiederholen."

Die Kirche habe die Opfer damals an einen Therapeuten vermittelt, berichtete der heutige Erzbischof. Einige der Opfer seien längere Zeit therapeutisch behandelt worden. Hierzu erhielten sie den Angaben zufolge finanzielle Unterstützung durch die Erzdiözese.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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