Zu kleines Aufgebot in Chemnitz Polizei bat falsche Stelle um Unterstützung
01.09.2018, 13:49 Uhr
Knapp 600 Polizisten standen am vergangenen Montag rund 6000 Demonstranten aus dem zu großen Teilen rechten Spektrum, darunter gewaltbereite Neonazis und Hooligans, sowie etwa 1500 Gegendemonstranten gegenüber.
(Foto: imago/Michael Trammer)
Bei den Demonstrationen zu Beginn der Woche in Chemnitz ereignen sich heftige Ausschreitungen. Die Polizei kann dies kaum verhindern, weil sie unterbesetzt ist. Ein Grund dafür ist offenbar eine schwere Behördenpanne.
Ein Fehler bei den sächsischen Innenbehörden hat einem Zeitungsbericht zufolge mit dazu geführt, dass während der Auseinandersetzungen in Chemnitz am vergangenen Montag nicht genügend Polizisten im Einsatz waren. Die Polizeidirektion Chemnitz stellte am Montagabend "eine Kräfteanfrage" nach Unterstützung beim Lagezentrum des sächsischen Innenministeriums, wie dieses der "Welt am Sonntag" mitteilte. Das Innenministerium habe dann bei der Bundespolizeidirektion in Pirna nachgefragt. Zuständig für eine solche Anfrage sei aber das Bundespolizeipräsidium in Potsdam. Der übliche Meldeweg sei somit "unverständlicherweise" nicht beschritten worden.
Die Bundespolizeidirektion Pirna sei am Montagabend nicht in der Lage gewesen, dem Hilfeersuchen nachzukommen, teilte das sächsische Innenministerium der Zeitung mit. "Die Kräfteanfrage des Staatsministeriums des Innern bei der Bundespolizei verlief negativ. Das heißt, dass kurzfristig keine Einsatzkräfte zur Verfügung standen." Dabei hätten mehrere Hundertschaften nach Chemnitz beordert werden können, bei Bedarf auch mit Hubschraubern.
Am Abend der Demonstration waren daher laut Bericht nur 58 Bundespolizisten in Chemnitz vor Ort. Sie sorgten für den Schutz des Hauptbahnhofes, überwachten den Vorplatz und begleiteten Demonstrationsteilnehmer. Dazu kamen 591 Polizisten aus Sachsen. Sie standen rund 6000 Demonstranten aus dem zu großen Teilen rechten Spektrum, darunter gewaltbereite Neonazis und Hooligans, sowie etwa 1500 Gegendemonstranten gegenüber. Es gab mindestens 20 Verletzte, unter ihnen zwei Polizisten.
Polizeipräsenz stufenweise erhöht
Am Donnerstagabend hatten dann 1200 Polizisten aus fünf Bundesländern und der Bundespolizei in Chemnitz für Sicherheit gesorgt. An dem Tag nahmen am Rande eines Diskussionsforums der Regierung mit Einwohnern von Chemnitz etwa 900 Menschen an einer Demonstration der rechtspopulistischen Bewegung "Pro Chemnitz" teil.
Für die für Samstag geplanten Großdemonstrationen in Chemnitz hat die sächsische Landespolizei noch umfangreichere Unterstützung angefordert. "Alle verfügbaren Kräfte" Deutschlands sollten in der Stadt sein, erklärte Landespolizeipräsident Jürgen Georgie. Demnach werden "Einsatzeinheiten, darunter Beweis- und Festnahmeeinheiten, Unterstützungskommandos, Reiterstaffeln, Wasserwerfer und Sonderwagen" im Einsatz sein.
Wegen des Polizeieinsatzes sagte die Deutsche Fußball Liga (DFL) das Zweitliga-Fußballspiel des Hamburger SV gegen Dynamo Dresden nach eigenen Angaben auf Anordnung des sächsischen Innenministeriums ab. Die Landespolizei hatte angesichts der außergewöhnlichen Lage darum gebeten, die Begegnung in Dresden zu verlegen, weil dort nicht genügend Polizisten zur Verfügung ständen. Das Spiel war mit 30.000 Zuschauern ausverkauft.
Chemnitz steht seit Tagen im Fokus. Am Sonntag war hier am Rande des Stadtfestes ein 35 Jahre alter Deutscher erstochen worden. Zwei Männer aus dem Irak und Syrien sitzen als Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Später kam es bei Kundgebungen zu Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken, mehrere Menschen wurden verletzt.
Update: Das sächsische Innenministerium und die Bundespolizei wiesen den Bericht der "Welt am Sonntag" zurück.
Quelle: ntv.de, cri/AFP/dpa