Details aus der Haft von Ai Weiwei Polizei schaut beim Duschen zu
15.07.2011, 21:30 Uhr
Ai Weiwei nach seiner Freilassung im Juni.
(Foto: AP)
Erstmals dringen Einzelheiten über die Haftbedingungen des auf Kaution freigelassenen chinesischen Dissidenten Ai Weiwei an die Öffentlichkeit. Demnach stand er permanent unter Beobachtung, auch in Bad und Toilette. Um sich zu beschäftigen, ging Ai in der Zelle hin und her. Derweil gibt der aus China geflohene Dissident Liao eine gefeierte Lesung in Tübingen.
In seiner mehr als zweimonatigen Haftzeit war der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei rund um die Uhr unter Beobachtung. Zwei Polizisten teilten ständig den Raum mit ihm und beobachteten ihn sogar unter der Dusche oder auf der Toilette, wie seine Schwester Gao Ge in Peking berichtete. "Für den Fall, dass er Selbstmord begehen sollte, mussten sie 24 Stunden am Tag über ihn wachen, während immer das Licht brannte." Alle drei Stunden hätten die Wachleute gewechselt.
Der 54-Jährige habe seiner Familie erzählt, dass er in dem Raum auf einem Streifen von knapp sechs Metern ständig auf- und abgegangen sei, um sich zu bewegen und die Langeweile zu vertreiben. Die zwei Wachbeamten hätten zugeschaut. Er habe keinen Zugang zu Fernsehen, Radio, Zeitungen oder Büchern gehabt. Auch habe es kein Papier oder Stifte gegeben.
Ort der Haft noch unbekannt
Ein Bett sei das einzige Möbelstück gewesen. "Es gab kein natürliches Licht", berichtete Gao Ge. "Jemand brachte Essen dreimal am Tag - sonst hätte er die Tageszeit nicht gewusst." Auf die Frage, wie Ai mit der Inhaftierung umgegangen sei, sagte sie, er habe es "akzeptiert". Ai sei im Gefängnis nicht gefoltert worden, habe aber viel Gewicht verloren.
Es sind die ersten Einzelheiten über die Haftbedingungen des Künstlers, der Anfang April festgenommen und am 22. Juni unter internationalem Druck auf Kaution freigelassen worden war. Ihm werden Steuervergehen vorgeworfen. Doch sieht seine Familie den wahren Hintergrund für die Festnahme in seiner Kritik am kommunistischen Regime. Das Steueramt fordert jetzt Steuern und Bußgelder in Höhe von umgerechnet 1,3 Millionen Euro von ihm. Wo Ai Weiwei festgehalten wurde, ist bislang unklar. Doch scheint es kein reguläres Gefängnis gewesen zu sein.
"Ich werde reisen"
Nach seiner Freilassung erschien der 54-Jährige, der an Diabestes leidet, deutlich schlanker als vorher. Die Gewichtsabnahme wurde auch auf die viele Bewegung in Haft zurückgeführt. "Ai Weiwei sagte uns, dass er in den 80 Tagen vermutlich eine Entfernung wie von Peking nach Shanghai zurückgelegt habe", sagte Gao Ge. Die zwei Wachen in seinem Raum hätten nicht mit ihm reden dürfen. "Sie beobachteten ihn jede Sekunde, ohne auch nur einmal die Augen zu schließen", sagte Gao Ge. Das Zimmer habe eine eigene Toilette und Dusche gehabt.
Der Künstler selbst darf als Bedingung für seine Freilassung nicht mit Journalisten sprechen. Seine Schwester rechnet aber damit, dass er letztendlich über seine Haftzeit schreiben werde. "Er ist jemand, der nicht ständig still sein kann." Am Vortag hatte Ai Weiwei berichtet, dass er wegen seines bestehenden Ausreiseverbots noch nicht weiß, wann er seine Gastprofessur an der Berliner Universität der Künste (UdK) annehmen kann. "Ich werde reisen, wenn mir erlaubt wird, China zu verlassen."
Liao Yiwu bei Lesung gefeiert
Eine Woche nach seiner Flucht aus China ist derweil der Autor und Dissident Liao Yiwu bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im deutschen Exil gefeiert worden. In Tübingen las Liao Gedichte und Prosa, sein deutscher Übersetzer Hans Peter Hoffmann trug dazu die deutschen Fassungen vor. Und Liao sang und musizierte mit traditionellen asiatischen Instrumenten. "Mein inneres momentanes Befinden kann ich nicht in Worten zum Ausdruck bringen", erklärte er.
Der 1958 geborene Autor ist einer der bekanntesten Dissidenten der Volksrepublik China. Die Behörden hatten zuletzt massiven Druck auf ihn ausgeübt, um zu verhindern, dass er ein Buch über seine vierjährige Haft nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 veröffentlicht. Daraufhin war Liao Yiwu nach Deutschland geflohen. Sein neues Buch "Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen" soll am 21. Juli im S. Fischer Verlag erscheinen. Mehr als zehn Jahre hat Liao daran gearbeitet, zweimal wurde das Manuskript beschlagnahmt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP