Kritik am Klimapaket "Potenzial wird nicht genutzt"
18.06.2008, 17:26 UhrDas neue Klimaschutzpaket der Bundesregierung ist bei Experten und Verbänden überwiegend auf Kritik gestoßen. Ursprünglich sei ein umfangreiches Konzept geplant gewesen, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen, Hans-Joachim Koch. In der Ressortabstimmung sei jedoch ein Teil davon "auf der Strecke geblieben".
Dies gelte vor allem für das Energiesparen in Gebäuden. Hier würden die Effizienzpotenziale nicht voll genutzt. Auch die Landwirtschaft, die für einen erheblichen Teil der Klimagase verantwortlich sei, werde nicht genügend in die Pflicht genommen. Koch verwies auf die starke Lobby der Branche.
Auch den deutsch-französischen Kompromiss zum Klimaschutz bei Autos kritisierte der Chef der Umweltsachverständigen. "Das kann man nicht als Erfolg der deutschen Klimapolitik bewerten", sagte er. Die deutsche Autoindustrie benötige kein Entgegenkommen. "Premium"-Modelle bedeuteten nicht dick und verbrauchsstark, sondern mit hervorragender Technik und Energieeffizienz.
"EU gab wichtige Impulse"
Koch lobte indessen die Rolle der EU beim Klimaschutz. Sie habe Deutschland wichtige Impulse gegeben. Nun gelte es, eine ehrgeizige Reform des Europäischen Emissionshandels durchzusetzen. Dabei müssten strenge Obergrenzen vereinbart und sämtliche Verschmutzungsrechte versteigert werden, verlangen die Sachverständigen.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen wurde 1971 gegründet. Die Wissenschaftler beraten die Bundesregierung. Dazu erstellen sie alle vier Jahre umfassende Gutachten zu einzelnen Themen.
"Schritt in die richtige Richtung"
Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) begrüßte das Paket der Bundesregierung. "Energie einsparen bedeutet im Moment bares Geld, gerade bei den hohen Preisen für Öl und Gas", sagte Kemfert bei n-tv. "Insofern denke ich, ist es ein guter erster Schritt in die richtige Richtung." Natürlich müsse zuerst in den nächsten Jahren investiert werden, was sich aber langfristig lohne. "Klimaschutz ist der Markt der Zukunft, muss man deutlich sagen. Alle Branchen, die sich heute gut aufstellen und in diese Branche hineingehen, gerade aktiennotierte Unternehmen, werden sich besserstellen", so Kemfert.
Kritik an der Klimapolitik der Bundesregierung kam von Linken, Grünen und Umweltschützern. Die ursprünglichen Pläne von Meseberg seien aufgeweicht worden, und übrig geblieben sei nur ein "Klimaschutzpäckchen", erklärte der Naturschutzbund NABU. Auch Greenpeace betonte, die Beschlüsse reichten bei weitem nicht aus. Damit werde Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 nicht um 40, sondern nur um 30 Prozent vermindern.
"Verschoben, verwässert, weggefallen"
Der Energieexperte der Linken, Hans-Kurt Hill, rechnet sogar nur mit einer Minderung um 25 Prozent. "Im Verkehrsbereich lässt die Bundesregierung den Klimaschutz ganz fahren", bemängelte er. Grünen-Fraktionsvizechefin Bärbel Höhn nannte das Klimapaket einen "Scherbenhaufen". "Von den ursprünglich rund 30 geplanten Klimaschutzmaßnahmen ist der überwiegende Teil entweder verschoben, verwässert oder ganz weggefallen", sagte Höhn.
"Es hapert besonders an drei Stellen: keine wirksamen Maßnahmen für weniger Strom und Wärmeverbrauch, keine für verbrauchsärmere Autos und keine Einschränkung für den massenhaften Bau von neuen Kohlekraftwerken", so Höhn.
Mieterbund sieht verpasste Chance
Der Deutsche Mieterbund kritisiert, dass zu wenig Anreize zum Energiesparen in bestehenden Wohnhäusern gesetzt würden. "Die Chance, ein Signal für Klimaschutz und gegen ständig steigende Heizkosten zu setzen, hat die Bundesregierung verpasst", erklärte Verbandschef Franz-Georg Rips.
Rips kritisierte auch, dass Mieter vorerst nicht die Nebenkostenrechnung kürzen können, wenn der Vermieter die vorgeschriebenen Energiestandards nicht einhält. Die beschlossenen Änderungen an der Heizkosten-Berechnung brächten dagegen kaum etwas. Dies löse nicht das Problem explodierender Energiepreise.
Der Grundbesitzerverband Haus und Grund begrüßte dagegen, dass die Regierung ihre Klimavorgaben für Gebäude entschärft habe. Es sei richtig, dass die Regierung auf Zwang verzichtet habe. Die privaten Haus- und Wohnungseigentümer seien auch so bereit, ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen.
Fertigbauer erfreut
Der Bundesverband Deutscher Fertigbau begrüßte die für 2009 geplante Verschärfung der Energieeinsparverordnung. Damit werde besonders gute Wärmedämmung in Neubauten zur Pflicht was den Holzfertigbau begünstige.
Spediteure befürchten Pleitewelle
Der Bundesverband der Spediteure befürchtet wegen der geplanten Mauterhöhung eine Pleitewelle. Schätzungsweise 3000 der bundesweit 55.000 Betriebe müssten bei einer Mautanhebung Insolvenz anmelden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung, Karlheinz Schmidt. Der Verband kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung als "gnadenloses Existenzvernichtungsprogramm" im mittelständischen Transportgewerbe. Es gehe um "reines Abzocken".
Das Bundeskabinett hatte zuvor das zweite Energie- und Klimapaket verabschiedet, mit dem die Regierung den Klimawandel abschwächen und ihre Vorreiterrolle beim Klimaschutz untermauern will.
Quelle: ntv.de