Rot-rot in Berlin Präambel des Koalitionsvertrages
08.01.2002, 12:13 UhrDie Metropole Berlin bleibt in jeder Beziehung eine Werkstatt der Einheit und erfüllt damit eine Aufgabe für ganz Deutschland. ... Eine Politik für die Einheit Berlins kann nur erfolgreich sein, wenn sie die Geschichte der Stadt im Alltagsleben der Menschen wach hält und sich ihrer historischen Verantwortung bewusst bleibt.
... Von der deutschen Hauptstadt gingen zwei Weltkriege aus, die unermessliches Leid über viele europäische Völker brachten. In Berlin wurde in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur der Völkermord an den europäischen Juden sowie an Roma und Sinti geplant und organisiert.
... Zwölf Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit bilden SPD und PDS in Berlin eine Koalition, wissend um die zahlreichen Belastungen und Schicksale aus der Zeit der Teilung der Stadt, deren Gründe und Folgen jede Politik für Berlin zu berücksichtigen hat. ... Die 1961 von den Machthabern der DDR und der Sowjetunion errichtete Mauer vollendete und zementierte die Teilung und die Einordnung der Stadthälften in politisch gegensätzliche Systeme. Die Berliner Mauer wurde aber nicht nur weltweit zum Symbol der Blockkonfrontation und des Kalten Krieges, sondern vor allem zu einem Symbol für Totalitarismus und Menschenverachtung. Die Schüsse an der Berliner Mauer haben schweres Leid und Tod über viele Menschen gebracht.
... Wenn auch der Kalte Krieg von beiden Seiten geführt wurde, die Verantwortung für dieses Leid lag ausschließlich bei den Machthabern in Ost-Berlin und Moskau.
... Für die Verfolgung von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und anderen Teilen der demokratischen Opposition, für deren Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen bis hin zum Tod und für die Hinrichtungen Andersdenkender trägt die SED eine bleibende Schuld. Zusammen mit den damaligen Entscheidungsträgern der Sowjetunion ist sie verantwortlich für die gewaltsame Niederschlagung des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953, den Mauerbau und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, mithin für das Fehlen grundlegender demokratischer Freiheitsrechte in der DDR.
Vor diesem Hintergrund sieht die Koalition ein großes historisches Verdienst darin, dass sich die Ostdeutschen aus dieser Unterdrückung selbst befreit haben. Die Distanzierung der PDS von den Unrechtstaten der SED und dem Mauerbau waren wichtige Schritte zur Aufarbeitung der unheilvollen Geschichte der SED.
... SPD und PDS bekennen sich im Wissen um das Trennende aus der Geschichte dazu, dass die Vergangenheit nicht auf Dauer die Zukunft beherrschen darf. Dies kann aber nur gelingen, wenn nicht verdrängt und vertuscht wird. Der offene Umgang mit den Verbrechen an der Demokratie und den individuellen Rechten, die Übernahme von Verantwortung sowie der Respekt vor den Opfern sowie die Bewahrung ihres Andenkens sind Voraussetzungen für Versöhnung und innere Einheit. Sie sind auch Voraussetzungen dieser Koalition. ...
Dokumentation: dpa
Quelle: ntv.de