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"Wo ist die verdammte Munition?" Prigoschin wütet vor Wagner-Leichen gegen Militärführung

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Wagner-Chef Prigoschin ist nicht für leise Töne bekannt. Sein neuestes Video übertrifft dennoch alle bisherigen. Er steht vor den Leichen zahlreicher getöteter Söldner und brüllt seinen Frust über fehlende Munition heraus. Ziel seines Angriffs ist die russische Militärführung.

Ein neues Video des Chefs der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat für eine weitere Eskalation innerhalb Russlands gesorgt. Prigoschin steht in abendlicher Dunkelheit vor den Leichen von rund 30 getöteten Wagner-Kämpfern, wie er sagt. Sie seien im Laufe des Tages gefallen. Nachdem die Kamera über die Leichen schwenkt, beginnt er seine Wutrede.

In bisher nicht gekannter Art attackiert er die russische Militärführung in Moskau. Garniert mit zahlreichen Beleidigungen, schreit er regelrecht in die Kamera, dass es sich bei den Toten um Väter und Söhne handele. An ihrem Tod trügen jene Schuld, die der Wagner-Gruppe Munition verweigern würden. Prigoschin sagt, es fehlen etwa 70 Prozent der Munition, die seine Kämpfer eigentlich bräuchte. Vor wenigen Tagen erklärte er in einem Video auf seinem Telegram-Kanal, die Wagner-Gruppe würde täglich rund 300 Tonnen Artillerie-Munition benötigen.

Dann benennt Prigoschin die aus seiner Sicht Schuldigen am Fehlen der Munition: Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Waleri Gerassimow, seit Januar Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine. Er brüllt: "Wo ist die verdammte Munition?" Im Anschluss wirft er den beiden Männern vor, sie säßen in exklusiven Clubs und ihre Kinder würden ihr Leben genießen. Schoigu und Gerassimow scheinen zu glauben, so Prigoschin, sie hätten die Kontrolle über das Leben der Wagner-Kämpfer, könnten einfach entscheiden, wie sie die Munition aufteilen. Seine Kämpfer bekämen fünfmal weniger Munition, beklagt er. Worauf sich der Vergleich bezieht, ist nicht klar. Die Kämpfer im Hintergrund seien als Freiwillige gekommen und sterben nun dafür, dass die Militärführung einen Freifahrtschein bekäme, so der Wagner-Chef.

Mit dem Video erreicht der seit Monaten andauernde Streit zwischen Prigoschin und Moskau einen neuen Höhepunkt. Der Wagner-Chef beklagt seit Langem fehlende Unterstützung des russischen Militärs. Immer wieder forderte er mehr Munition. Er sagte, dass andernfalls weitere Gebietsgewinne kaum möglich seien, verwies immer wieder auf die hohen Verluste, die dafür nötig seien. In einem Telegram-Video sagte er kürzlich, dass für das Vorankommen um 120 Meter in der Stadt Bachmut 86 Kämpfer ihr Leben verloren hätten.

Allerdings setzt die Wagner-Gruppe ohnehin auf eine Taktik, die enorm hohe Opferzahlen in Kauf nimmt. So würden immer wieder nur leicht bewaffnete Kämpfer in Gruppen, und ohne größere Unterstützung durch gepanzerte Fahrzeuge, in Richtung ukrainischer Stellungen geschickt, um diese offenzulegen. Dabei fielen viele Söldner. Im Anschluss könnte die Artillerie dann die ukrainischen Stellungen unter Feuer nehmen und im Nachgang weitere Wagner-Kämpfer vorrücken. Aufgrund dieses Vorgehens gehen westliche Experten davon aus, dass unter den Wagner-Kämpfern nahezu jeder zweite sein Leben im Kampf verliere. Sollte das so stimmen, wäre der Wert höher als in anderen Kampfverbänden. Bilder von zahlreichen Gräbern von Wagner-Söldner in sozialen Medien untermauern die angenommenen Verluste. Bereits Anfang April hatte Prigoschin eingeräumt, dass der Friedhof, auf dem er sich befand, weiter wachse.

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Moskau ist, was die Wagner-Gruppe angeht, hin- und hergerissen. Einerseits ist es die einzige militärische Einheit, die in den letzten Monaten überhaupt größere Gebietsgewinne vorweisen kann - an allen anderen Frontabschnitten kommen russische Soldaten kaum voran. Andererseits trat Prigoschin durch die militärischen Erfolge immer fordernder auf, attackierte russische Militärs, indirekt gar den russischen Präsidenten Wladimir Putin selbst. Das konnte die politische und militärische Führung nicht auf sich sitzen lassen, und reagierte. So wurde der Wagner-Gruppe etwa untersagt, weitere Kämpfer aus russischen Gefängnissen zu rekrutieren. Dort hatte Prigoschin zuvor Zehntausende Kämpfer angeworben, Experten schätzten, dass die Zahl der Wagner-Kämpfer zwischenzeitlich auf etwa 50.000 angewachsen war. Aufgrund des nun fehlenden Pools an weiteren Kämpfern hat Prigoschin entschieden, in Russland zahlreiche Rekrutierungsbüros zu eröffnen.

Prigoschin sparte aber auch weiterhin nicht mit Kritik, forderte immer wieder mehr Munition für seine Kämpfer. Zuletzt orakelte er, dass die bevorstehende ukrainische Gegenoffensive für Russland eine Tragödie werden könne. Vor rund einer Woche drohte er aufgrund der hohen Verluste sogar mit einem Rückzug aus Bachmut.

Quelle: ntv.de, als

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