NATO sieht "immer mehr Truppen" Putin droht mit militärischer Vergeltung
21.12.2021, 16:18 Uhr
Putin wirft dem Westen ein "aggressives" Vorgehen vor.
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Die Gefahr einer Eskalation in der Ukraine-Krise wächst weiter. Der NATO zufolge fährt Russland schweres Geschütz in der Grenzregion auf. Präsident Putin verschärft derweil seine Drohungen gegen den Westen. Auch wenn sich beide Parteien gesprächsbereit zeigen: Die Fronten sind mehr als verhärtet.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat den USA im Zuge des Konflikts um die Ukraine ein "aggressives" Vorgehen vorgeworfen und mit Konsequenzen gedroht. "Im Fall einer Fortsetzung der ziemlich aggressiven Linie unserer westlichen Kollegen werden wir mit adäquaten militärisch-technischen Vergeltungsmaßnahmen antworten, werden auf die unfreundlichen Schritte hart reagieren", sagte Putin bei einer Sitzung des Verteidigungsministeriums in Moskau.
Putin warb vor den Militärvertretern erneut für seine Initiative bei der NATO und den USA, Russland mit juristisch verbindlichen Sicherheitsgarantien auszustatten. Konkret fordert Putin etwa einen Verzicht der NATO auf eine weitere Osterweiterung, darunter die Aufnahme der Ukraine als Mitglied. Er machte erneut deutlich, dass sich Russland durch das Voranschreiten der NATO in seiner Sicherheit bedroht sieht. Dies sei aber "kein Ultimatum", sondern ein Gesprächsangebot, betonte Putin. "Bewaffnete Konflikte und Blutvergießen sind absolut nichts, was wir uns aussuchen würden", sagte Putin. "Wir wollen ein solches Szenario nicht."
"Artillerie, Kampftruppen, Kampfpanzer"
Derweil setzt Russland nach Erkenntnissen der NATO seine Truppenbewegungen in Richtung der Ukraine unverändert fort. "Wir sehen, dass sie nach und nach immer mehr Streitkräfte - Artillerie, Kampftruppen, Kampfpanzer - in die Nähe der ukrainischen Grenze bringen", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Rande eines Treffens mit dem rumänischen Ministerpräsidenten Nicolae Ciuca in Brüssel. Trotz internationaler Forderungen nach Transparenz und Deeskalation gehe der "grundlose und unerklärte" militärische Aufbau weiter.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigte angesichts der Spannungen mit Russland die Forderung nach einem raschen NATO-Beitritt. "Wir wollen eine sehr klare zeitliche Perspektive von der NATO. Eine sehr konkrete. Und wir wollen diese 2022 erhalten", sagte er bei einer Rede vor allen ukrainischen Botschaftern. Ebenso solle in den nächsten Jahren eine EU-Mitgliedschaft erreicht werden. Beides ist seit 2019 in der ukrainischen Verfassung als Ziel verankert.
Moskau warnt vor "roten Linien"
Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu kritisierte bei der Sitzung mit Putin eine wachsende Militarisierung der Ukraine und eine Zunahme an Manövern an den Grenzen Russlands. Die USA hätten rund 8000 Soldaten nahe der russischen Grenze stationiert und würden dort mit ihren NATO-Verbündeten häufig Übungen mit Kampfflugzeugen abhalten. Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich bei einer Pressekonferenz und warnte die USA und den Westen insgesamt davor, "rote Linien" zu überschreiten. Die NATO dürfe sich nicht weiter den Grenzen Russlands annähern.
Putin warf den USA vor, die Verantwortung zu tragen für die aktuellen Spannungen in Europa. "Sie machen, was sie wollen", sagte der Kremlchef mit Blick auf die US-Aktivitäten in der Ukraine. "Das ist immerhin an der Schwelle unseres Hauses. Sie sollten verstehen, dass wir uns einfach nirgendwohin zurückziehen können." Die Vereinigten Staaten betrachteten sich als Sieger des Kalten Krieges und hätten in ihrer Euphorie politische Fehlentscheidungen getroffen, so Putin.
Stoltenberg will Sitzung einberufen
Um die angespannte Lage zu besprechen, kündigte Stoltenberg an, Anfang des kommenden Jahres eine Sitzung des NATO-Russland-Rates einberufen zu wollen. Unklar blieb zunächst allerdings, ob Moskau überhaupt zu neuen Beratungen in dem Dialogformat bereit ist. Die bislang letzten Gespräche im NATO-Russland-Rat gab es im Juli 2019. Seitdem scheiterten alle Versuche, einen Termin für ein Treffen festzulegen. Als ein Grund gilt, dass Russland in dem Format eigentlich nicht mehr über den Ukraine-Konflikt reden will, was wiederum vor allem östliche NATO-Staaten nicht als Bedingung für neue Gespräche akzeptieren wollen.
Einem russischen Diplomaten zufolge haben Russland und die USA Kontakt aufgenommen, um über die Forderung nach Sicherheitsgarantien zu beraten. Es bestehe die Möglichkeit, dass sich beide Seiten einigen. Russland müsse noch entscheiden, welche Schritte es unternehme, sollte die von den USA dominierte NATO sich weigern, ihre Position zu überdenken, sagte laut der russischen Nachrichtenagentur Ria der ranghohe Unterhändler in Sicherheitsfragen, Konstantin Gawrilow. Aber das westliche Militärbündnis wisse, dass Russland nicht bluffe.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa/rts