Kalter Krieg der Worte Putin haut weiter drauf
27.04.2007, 06:46 UhrEinen Tag nach seiner Aufsehen erregenden Ankündigung zum Aussetzen des Vertrages über die Reduzierung konventioneller Streitkräfte in Europa (KSE) hat Russlands Präsident Wladimir Putin noch einmal nachgelegt. Nach einem Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen Vaclav Claus verglich Putin am Freitag in Moskau einen von den USA in Polen und Tschechien geplanten Raketenschutzschild mit der umstrittenen Stationierung von Pershing-Atomraketen in den 1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland.
Die russische Militärführung will beim nächsten Treffen des NATO-Russland-Rates am 10. Mai in Brüssel über den KSE-Vertrag verhandeln. Der Generalstabschef Juri Balujewski teilte in Moskau mit, er werde in Brüssel die Position Putins erläutern. Faktisch sei dies der Beginn eines neuen Verhandlungsprozesses über den KSE-Vertrag. Putin hatte mit seiner Ankündigung am Vortag den Streit um die geplante US-Raketenabwehr in Osteuropa deutlich verschärft. Russland verlangt von der NATO, die 1999 beschlossene Erneuerung des KSE-Vertrages zu ratifizieren.
Unterdessen hat sich die NATO besorgt über die Nachrichten aus Moskau gezeigt. Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sagte nach einem Treffen der NATO-Außenminister in Oslo: "Jede Absicht unserer russischen Freunde, diesen KSE-Vertrag (über konventionelle Abrüstung) zu verlassen, beunruhigt mich." NATO-Sprecher James Appathurai versicherte, die NATO werde den Dialog mit Russland fortsetzen. Ein totaler Rückzug aus dem Vertrag wäre "äußerst unglücklich", sagte er.
US-Erklärung "lächerlich"
Putin hatte am Donnerstag gesagt, weil die NATO-Staaten den erneuten KSE-Vertrag noch immer nicht ratifiziert hätten, sei er für ein russisches "Moratorium". Ein späterer gänzlicher Ausstieg aus dem Vertrag sei auch möglich.
Das Bedrohungspotenzial des von den USA geplanten Raketenschilds sei das Gleiche wie damals das der Pershing-II-Mittelstreckenraketen, sagte Putin am Freitag. Die von den USA angeführte Erklärung, die Raketenabwehr solle dem Schutz vor Angriffen aus dem Iran und Nordkorea dienen, bezeichnete Putin als "lächerlich". Das geplante US-System sei in der Lage, russisches Territorium bis zum Ural zu kontrollieren: "Wir werden aber entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen." Pershing-II-Mittelstreckenraketen waren in den 1980er Jahren im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses in Deutschland als Antwort auf sowjetische SS-20-Raketen aufgestellt worden.
Steinmeier mahnt zu behutsamem Vorgehen
Die Bundesregierung reagierte dagegen gelassen auf die russischen Pläne. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Oslo: "Wir bleiben objektiv aufeinander angewiesen. Und das wissen auch alle Beteiligten." Er verwies auf die Krisenherde Afghanistan, Iran, Nahost und Kosovo. Seine Forderung, in der Frage der US-Pläne für eine Raketenabwehr in Polen und Tschechien "behutsam vorzugehen", sei begründet gewesen. "Die öffentliche Diskussion über den Raketenschild ist genau so problematisch wie die gestrige Ankündigung aus Moskau."
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "helfen Drohungen nicht weiter", erklärte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Gleichzeitig sollte aber nach Ansicht der Kanzlerin der Dialog mit Moskau in einem Klima des Vertrauens fortgesetzt werden. Merkel und Putin wollen sich Mitte Mai im russischen Samara zu EU-Russland-Konsultationen treffen. Frankreich rief Russland dazu auf, die Ankündigung des Moratoriums zurückzunehmen.
Der britische Premierminister Tony Blair wies nochmals die Bedenken Moskaus gegen den Raketenschutzschild zurück. Ein in Polen geplantes Raketensilo sei ebenso wie eine in Tschechien vorgesehene Radaranlage nicht gegen Russland gerichtet, betonte er in Warschau. Der polnische Präsident Lech Kaczynski ergänzte, dies müsse auch der russische Präsident wissen: "Wenn Putin trotzdem dagegen ist, muss er andere Gründe haben." Es gebe Länder, die nach Atomwaffen strebten.
NATO hält sich an den Vertrag
De Hoop Scheffer erklärte, die NATO habe den KSE-Vertrag zwar nicht ratifiziert, ihn aber stets angewendet. Vorbedingung für eine Ratifizierung sei aber, dass Russland seine Soldaten aus Georgien und Moldawien abziehe. "In dieser Hinsicht wird sich die Haltung des Bündnisses nicht ändern. Und wir werden uns weiter an den Vertrag halten."
In der von Moldawien abtrünnigen Republik Transnistrien stehen noch rund 2000, in Georgien bis zu 3000 russische Soldaten. Der KSE-Vertrag legt gemeinsame Obergrenzen für konventionelle Waffen wie Panzer, Fahrzeuge, Hubschrauber und Kampfflugzeuge fest.
Quelle: ntv.de