NATO hat neuen Freund Putin konstruktiv
04.04.2008, 14:28 UhrRussland hat der NATO ungeachtet vieler ernster Konflikte eine vertrauensvolle Freundschaft angeboten. Wenige Wochen vor dem Machtwechsel im Kreml schlug Russlands Präsident Wladimir Putin zum Ende des NATO-Gipfels im Konflikt um Ost-Erweiterung, Raketenabwehr und Abrüstung - bei aller Kritik - versöhnliche Töne an. Nach Gesprächen mit den 26 Staats- und Regierungschefs der NATO in Bukarest sagte Putin: "Lassen Sie uns Freunde sein. Lassen Sie uns offen miteinander reden."
Vor Putin hatte die Gipfelrunde den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko empfangen. Juschtschenko nannte die Beitrittszusage für sein Land historisch und versicherte, das Streben der Ukraine in die NATO sei nicht gegen Russland gerichtet. US-Präsident George W. Bush, für den es wie für Putin der letzte NATO-Gipfel war, hatte sich für eine klare Beitrittsperspektive der ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien stark gemacht.
Merkel findet den richtigen Ton
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bemühte sich zum Abschluss des Gipfels, das Misstrauen Russlands gegen den Kurs der NATO zu zerstreuen. "Die NATO ist gegen niemanden gerichtet, schon gar nicht gegen Russland", beteuerte sie. Zugleich schlug sie eine stärkere Einbindung des Landes vor. Häufigere Treffen der NATO-Führung mit dem russischen Präsidenten könnten helfen, Vorbehalte und Missverständnisse auszuräumen. Der Dialog mit Moskau müsse selbstverständlich und regelmäßig geführt werden. Der NATO-Gipfel insgesamt sei "sehr erfolgreich und sehr politisch" gewesen. Im Streit um die spätere Aufnahme Georgiens und der Ukraine sei "aus Aufregung eine Lösung entstanden".
Vor dem Antritt seines Nachfolgers Dmitri Medwedew im Mai habe Putin sich im Kreis der Alliierten "sehr konstruktiv" gezeigt, sagte NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Angesichts der politischen Veränderungen in Moskau und Washington, wo Anfang 2009 ein neuer Präsident ins Weiße Haus einziehen wird, schloss Putin eine Rückkehr zum Kalten Krieg kategorisch aus. "Nein, das ist nicht möglich, das ist in niemandes Interesse", sagte er. "Keiner der globalen Spieler - die USA, Europa, Russland - hat ein Interesse daran, zu vergangenen Zeiten zurückzukehren." Putin appellierte an die NATO, die Zusammenarbeit mit Russland zu suchen.
Putin versöhnlich, aber kritisch
Putin gab sich betont konstruktiv und versöhnlich, sparte aber nicht mit Kritik an der NATO. Ohne den Beitrittswunsch Georgiens und der Ukraine direkt zu erwähnen, bekräftigte er: "Das Entstehen eines mächtigen Militärblocks an unseren Grenzen würde in Russland als direkte Bedrohung der Sicherheit unseres Landes betrachtet werden." Er fügte hinzu: "Erklärungen, dass dies keine Bedrohung für uns ist, sind nicht ausreichend. Nationale Sicherheit wird nicht auf Versprechungen aufgebaut. Vor allem, weil wir ähnliche Versprechen schon mehrfach vor früheren Ausdehnungswellen der NATO gehört haben."
Putin kündigte beim Gipfel ein Abkommen an, das der NATO erlaubt, auch militärischen Nachschub für die Afghanistan-Schutztruppe ISAF mit Ausnahme von Waffen auf dem Landweg durch Russland zu transportieren.
Hoffnung auf Fortschritte
Der scheidende Kremlchef nannte die Ausdehnung der NATO, neue militärische Infrastrukturen in den östlichen Bündnisstaaten, den von Moskau ausgesetzten Vertrag über konventionelle Streitkräfte und die US-Raketenabwehr in Europa als Haupt-Streitpunkte beider Seiten. Er hoffe, in der Frage der Raketenabwehr beim bevorstehenden Treffen mit US-Präsident George W. Bush am Wochenende am Schwarzen Meer Fortschritte machen zu können: "Da müsste man erstens gemeinsam die Bedrohungsanalyse erstellen, zweitens gemeinsam eine Raketenabwehr-Architektur dafür entwickeln und drittens gleichen und demokratischen Zugang zum Betrieb dieses Systems garantieren."
Merkel betonte, das strategische Raketenabwehrsystem sei nicht gegen Russland gerichtet. "Russland ist unser Partner." Zu den offenen Fragen im Bündnis gehöre noch, wie das US-System mit einem ergänzenden System der NATO verbunden werden könne und wer welche Kosten trage.
Ukraine ist begeistert
Der ukrainische Präsident Juschtschenko machte aus seiner Begeisterung keinen Hehl. "Die Ukraine wird in der NATO sein. Das ist ein historisches Ereignis für unsere Menschen und unser Land", sagte er. Der Gipfel hatte die sofortige Aufnahme der Ukraine und Georgiens in einen "Aktionsplan für die Mitgliedschaft" (MAP) - die Vorstufe zum Beitritt - zwar abgelehnt. Zugleich wurde aber auch erklärt: "Wir sind übereingekommen, dass diese beiden Länder Mitglieder der NATO werden."
Quelle: ntv.de