Volksnähe statt Hygieneregeln Putin verteilt plötzlich Küsschen in der Menge
29.06.2023, 15:50 Uhr Artikel anhören
So viel Nähe lässt Wladimir Putin nur selten zu.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie legt Wladimir Putin Wert auf Abstand. Doch in der Teilrepublik Dagestan geht der Kremlchef plötzlich auf Tuchfühlung, schüttelt Hände und verteilt sogar einen Kuss. Wenige Tage nach dem Aufstand der Wagner-Söldner habe er die Menschen nicht abweisen wollen, heißt es.
Vier Tage nach dem bewaffneten Aufstand der Wagner-Truppe hat Kremlchef Wladimir Putin erstmals offiziell Moskau verlassen und eine Reise in die russische Kaukasusrepublik Dagestan unternommen. Aufnahmen des Staatsfernsehens zeigten den russischen Präsidenten am Mittwochabend bei einem für Putin ungewöhnlichen Bad in der Menge in der Stadt Derbent am Kaspischen Meer.
Auf einem bei Telegram veröffentlichten Video der Staatsagentur Ria Nowosti ist zu sehen, wie Putin in der Dunkelheit von begeisterten Bewohnern umringt wird und ihnen die Hände schüttelt. Dann bittet ein Mädchen den Staatschef in dem Gedränge mehrmals um ein Selfie. Auf einer Aufnahme des Reporters Pawel Sarubin vom Staatsfernsehen ist zu sehen, wie Putin dem Mädchen einen Kuss auf den Kopf gibt, den Arm um sie legt und sich dann mit ihr fotografieren lässt.
Putin hält für gewöhnlich Abstand
Dass der Kremlchef sich in eine Menschenmenge begibt, ist ungewöhnlich. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie meidet Putin öffentliche Auftritte, lässt sich viele Gesprächspartner digital zuschalten und hält selbst bei wichtigen politischen Terminen merklichen Abstand. Ein geflohener Offizier der russischen Präsidentengarde FSO erklärte im April, dass ein persönliches Treffen mit Putin nur nach einer zweiwöchigen Quarantäne möglich sei.
Einige Berühmtheit erlangte aus diesem Grund in der Vergangenheit der sechs Meter lange Tisch, an dem Putin vor dem russischen Angriff auf die Ukraine viele Staats- und Regierungschefs empfing. Distanz war auch beim Empfang der neuen Botschafter aus der EU und den USA im April geboten: Putin schüttelte den Diplomaten zur Begrüßung nicht die Hand und hielt seine Rede mit mehreren Metern Abstand zu ihnen. Hartnäckig halten sich daher Gerüchte, dass es sich um Doppelgänger handele, wenn Putin öffentlich plötzlich auf Tuchfühlung zu seinen Mitmenschen gehe.
"Besondere Hygieneregeln"
Putin unterliege zwar auf Empfehlung von Spezialisten besonderen Hygieneregeln, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nach Angaben der Staatsagentur TASS auf Nachfrage zum ungewöhnlichen Bad in der Menge. In Derbent aber sei "die ganze Stadt gekommen, um den Präsidenten zu treffen". Putin sei fest entschlossen gewesen, die Menschen nicht abzuweisen.
Demnach war Putin in die Teilrepublik Dagestan gereist, um sich dort Tourismusfragen zu widmen. Dagestan ist als Ferienziel bei vielen Russen beliebt. Der Staatschef besuchte in Derbent unter anderem eine Moschee und bekam einen Koran geschenkt.
Die Reise Putins so kurz nach dem abgebrochenen Aufstand des Chefs der Wagner-Truppe, Jewgeni Prigoschin, sollte Normalität zeigen. Prigoschin hatte am Samstag zwischenzeitlich die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und ließ seine Kämpfer Richtung Moskau marschieren. Rund 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt gab er überraschend auf. Vermittelt hatte in dem Konflikt der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko.
Der Republikchef Dagestans, Sergej Melikow, sagte bei einem Treffen mit Putin in Bezug auf den Aufstand, alle Bewohner Dagestans unterstützten die Entscheidungen "des Präsidenten und Oberbefehlshabers". Putin erwiderte, er habe "keine Zweifel" daran gehabt, wie die Reaktionen in Dagestan und im Land ausfallen würden.
Quelle: ntv.de, chr/dpa