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Von "Deep State" bis "Tag X" Putschpläne der Reuß-Gruppe gründen auf Verschwörungsmythen

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Heinrich XIII. Prinz Reuß bei seiner Verhaftung Anfang Dezember 2022 im Zuge einer Razzia gegen das "Reichsbürgernetzwerk".

Heinrich XIII. Prinz Reuß bei seiner Verhaftung Anfang Dezember 2022 im Zuge einer Razzia gegen das "Reichsbürgernetzwerk".

(Foto: picture alliance/dpa)

Sie wollten die Macht in Deutschland gewaltsam übernehmen. 26 mutmaßliche Verschwörer des "Reichsbürgernetzwerks" um Heinrich XIII. Prinz Reuß müssen sich vor Gericht verantworten. Laut Anklage ist die geplante Machtübernahme durch den Glauben an verschiedene Verschwörungsmythen getrieben.

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart beginnt am Montag der erste Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder des "Reichsbürgernetzwerks" um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Neun Männer sind angeklagt, die größtenteils dem militärischen Arm der Gruppe angehört haben sollen. Insgesamt soll die Gruppe 26 Verschwörer umfassen, die sich ab diesem Frühjahr vor drei Oberlandesgerichten verantworten müssen. Sie sollen sich zum Ziel gesetzt haben, die demokratische Ordnung in Deutschland mit Gewalt zu stürzen.

Bei der geplanten Machtübernahme hätten sie bewusst Tote in Kauf genommen. Sie hätten vorgehabt, bewaffnet in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen und Bundestagsabgeordnete festzunehmen, erklärte die Bundesanwaltschaft bei der Anklageerhebung im Dezember. Darin heißt es zudem, die Männer und Frauen folgten einem "Konglomerat aus Verschwörungsmythen". Hier ein Überblick der Pläne und Überzeugungen des "Reichsbürgernetzwerks".

"Deep State"

Der Verschwörungsmythos wurde zunächst in den USA von sogenannten QAnon-Anhängern verbreitet. Demnach werden die USA von einer kriminellen Elite beherrscht. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge findet dieser Mythos auch im deutschsprachigen Raum Verbreitung. Die mutmaßlichen Verschwörer, die nun vor Gericht stehen, sollen jedenfalls daran geglaubt haben. Der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft zufolge waren sie fest davon überzeugt, dass auch Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep State regiert werde.

"Allianz"

Eine Befreiung aus dieser Lage erhofften sich die Angeklagten den Ermittlern zufolge von einer sogenannten Allianz. Dabei handle es sich ihrer Überzeugung nach um einen technisch überlegenen Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs verschiedener Staaten wie Russland und den USA. Diesen Geheimbund gibt es nicht - die Gruppe soll aber so fest daran geglaubt haben, dass sie sogar einen Verbindungsoffizier für die "Allianz" ernannt habe. Marco van H. steht in Stuttgart vor Gericht.

"Tag X"

Laut Anklage propagierte die Gruppe eine Zusammenarbeit mit diesem nicht existierenden Geheimbund. Demnach war vorgesehen, dass die sogenannte Allianz ein Zeichen für den "Tag X" geben sollte. Das sollte das Signal für das Eingreifen der Gruppe sein. Die Idee soll gewesen sein, dass die "Allianz" die obersten staatlichen Institutionen angreifen solle. Danach habe die Gruppe die übrigen Institutionen und Amtsträger auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene beseitigen wollen.

Als Datum wurde dem Generalbundesanwalt zufolge unter anderem der Tod der britischen Königin Elizabeth II. diskutiert. Sie starb allerdings bereits im September 2022, drei Monate vor der großen Razzia gegen das Netzwerk mit zahlreichen Festnahmen.

"Feindeslisten"

Für die Beseitigung der staatlichen Institutionen und Amtsträger soll die Gruppe bereits sogenannte Feindeslisten erstellt haben. Laut Anklage war den Mitgliedern bewusst, dass bei ihrer geplanten Machtübernahme Menschen sterben würden. Neben den Plänen für "Tag X" sei auch geplant worden, mit einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen, um dort Bundestagsabgeordnete festzunehmen und so das freiheitlich-demokratische System zu stürzen.

"Rat"

Den Ermittlern zufolge wollte die Gruppe nach dem Umsturz die politische Neugestaltung Deutschlands übernehmen. Zentrales Gremium sei der sogenannte Rat gewesen, der sich - ähnlich wie ein Regierungskabinett - aus verschiedenen Ressorts zusammengesetzt habe. Für die Justiz war demnach beispielsweise Birgit Malsack-Winkemann verantwortlich, eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin, der in Frankfurt am Main der Prozess gemacht wird.

Der "Rat" sollte laut Anklage als Übergangsregierung fungieren und mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs die neue staatliche Ordnung Deutschlands verhandeln. Als zentralen Ansprechpartner dafür hätten die mutmaßlichen Verschwörer aber nur Russland gesehen. Anführer des "Rats" war laut Bundesanwaltschaft Heinrich XIII. Prinz Reuß. Nur er sei in den Plänen der Gruppe als provisorisches Staatsoberhaupt in Betracht gekommen, er allein habe einen Friedensvertrag aushandeln sollen.

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"Militärischer Arm"

Dieser Teil der Gruppe war der Anklage zufolge an den "Rat" angegliedert und sollte den Umsturz mit Waffengewalt durchsetzen. Dazu habe deutschlandweit ein System von 286 sogenannten Heimatschutzkompanien, militärisch organisierten Verbänden, aufgebaut werden sollen. Die Gruppe soll laut Bundesanwaltschaft Zugriff auf ein "massives Waffenarsenal" gehabt haben, das aus rund 380 Schusswaffen, fast 350 Hieb- und Stichwaffen und fast 500 weiteren Waffenteilen bestanden habe.

An der Spitze des "militärischen Arms" soll der in Frankfurt am Main angeklagte frühere Bundeswehroffizier Rüdiger von P. gestanden haben, den die Bundesanwaltschaft neben Reuß als Rädelsführer sieht. Weitere mutmaßliche Mitglieder des militärischen Arms stehen ab Montag in Stuttgart vor Gericht. Bei Rekrutierungsveranstaltungen sollen sie versucht haben, aktive oder ehemalige Angehörige von Bundeswehr und Polizei anzuwerben.

"Verschwiegenheitserklärung"

Nach außen habe sich die Gruppe abgeschottet, erklärte die Bundesanwaltschaft. Mitglieder und Interessenten hätten eine sogenannte Verschwiegenheitserklärung unterschreiben müssen. Erarbeitet worden sei diese von zwei ebenfalls in Stuttgart Angeklagten, Markus H. und Ralf S., auf Weisung von van H. sollten Verstöße gegen die "Verschwiegenheitserklärung" laut Anklage als Hochverrat mit dem Tod bestraft werden.

Quelle: ntv.de, gut/AFP

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