Union: Koalitionsmehrheit steht Quote ab 2018 ist ohne Chance
16.04.2013, 11:41 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Am Donnerstag wird der Bundestag den Vorstoß zu einer gesetzlichen Frauenquote in Aufsichtsräten ablehnen. Das beteuert nach Verhandlungen mit möglichen Abweichlern Fraktionsgeschäftsführer Grosse-Brömer. Frieden herrscht damit noch lange nicht in der Union.
Die Union hat nach den jüngsten Diskussionen über die Frauenquote die Reihen offenbar geschlossen. Einen endgültigen Frieden gibt es nach dem Kompromiss vom Vortag jedoch nicht. Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte, die Koalition werde den oppositionellen Bundesratsantrag für eine gesetzliche Quote in Aufsichtsräten von Dax-Konzernen klar ablehnen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir ein geschlossenes Auftreten in der Abstimmung haben werden", sagte Grosse-Brömer.
Am Vortag hatte ein Kompromissvorschlag mögliche Abweichler befriedet: Sie wollen wie von der Koalitionsspitze gewünscht gegen den Antrag stimmen. Im Gegenzug soll die Forderung nach einer festen gesetzlichen Quote von 30 Prozent ab 2020 im CDU-Wahlprogramm verankert werden. Ein Gespräch des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder mit den Unions-"Damen" habe ein gutes Ergebnis erbracht, sagte Grosse-Brömer. "Der Grundsatz ist klar: Wir wollen uns dafür einsetzen, uns für die Quote entsprechend stark zu machen."
Mit dem Kompromiss weicht die Union von ihrer bisherigen Linie ab, die erst beim Parteitag von Hannover im Dezember 2012 beschlossen worden war. Damals entschieden die Delegierten, eine feste Quote zunächst nicht einführen zu wollen. Stattdessen sollte eine Flexiquote die Konzerne dazu verpflichten, sich eigene Ziele zu setzen. Wie ambitioniert diese ausfallen, liegt dann im Ermessen der Unternehmen selbst. Erst wenn diese Selbstverpflichtungen keine gewünschten Erfolge gebracht hätten, wollte Kanzlerin Angela Merkel eine strengere Regelung einführen. Die Flexiquote soll nun dennoch kommen, nur wird ihr dann unweigerlich die feste Quote folgen, so die Idee.
Frauenausschuss hätte sich mehr Mut gewünscht
Der Vorschlag, der die Unionsfrauen nun auf Linie brachte, geht im Kern über den Vorstoß des oppositionsgeführten Bundesrats hinaus. Der sah eine niedrigere Quote von 20 Prozent vor – ein Wert, den viele Unternehmen praktisch schon erfüllt haben. Dafür sollte diese Regelung schon ab 2018 gelten. Die Union warf der SPD vor, ihren Entwurf einer Quote aus rein wahltaktischen Gründen in den Gesetzgebungsprozess eingebracht zu haben.
Trotz ihrer Erleichterung müssen CDU und CSU für den gefundenen Kompromiss Kritik hinnehmen. "Ich halte das für ein absolut falsches Signal", sagte die Bundesvorsitzendes des Verbandes "Die jungen Unternehmer", Lencke Wischhusen. "Wir brauchen keine Frauenquote." Dies sei wieder nur ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Vielmehr müssten Politik und Unternehmen mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie tun - etwa durch mehr Kindertagesstätten und Ganztagsschulen, flexible Arbeitszeitregelungen oder auch Betriebs-Kitas.
Die Vorsitzende des Frauenausschusses im Bundestag, Sibylle Laurischk von der FDP, zeigte sich enttäuscht. "Ich hätte mir sicherlich mehr Mut gewünscht", sagte sie im Deutschlandfunk. Trotz des disziplinierenden Charakters des Kompromisses sehe sie noch Kolleginnen in der CDU, die dem Gesetzentwurf Hamburgs zustimmen wollten. Die Koalition sei aber stabil: "Die Koalition wird an dem Thema sicherlich nicht platzen." Sie selbst wolle dem Gesetzentwurf jedoch zustimmen. Druck werde auf sie in ihrer Partei nicht ausgeübt. "Das ist in der FDP nicht üblich."
Wirtschaftsrat fühlt sich von Frauen erpresst
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, lehnte eine gesetzliche Quote für Aufsichtsräte von börsennotierten und mitstimmungspflichtigen Betrieben generell ab. Es sei im "ureigenen Interesse" der Unternehmen, das Potenzial geeigneter Frauen auch zu nutzen. "Doch Aufsichtsratskandidatinnen stehen von Branche zu Branche in sehr unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung", sagte Wansleben dem "Handelsblatt". "Eine gesetzliche Einheitsquote von 30 beziehungsweise 40 Prozent kann solche Unterschiede naturgemäß nicht berücksichtigen und hilft uns daher nicht weiter."
Kritik kam auch von konservativen Berliner Kreis in der Union. Der CDU-Abgeordnete Thomas Bareiß warnte vor festen Frauenquoten. "Solch starre Vorgaben passen nicht zu unserer sozialen Marktwirtschaft", sagte er. Die Wirtschaft habe längst erkannt, dass Frauen in allen Bereichen stärker vertreten sein müssten. "Die blinde Staatsgläubigkeit mancher Parteifreunde erschreckt mich", sagte Bareiß.
Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, attackierte die Frauen in seiner Partei scharf. "Es kann nicht die politische Kultur der CDU sein, dass eine Gruppe mit der Drohung, für Oppositionsanträge zu stimmen, die Führung der Partei erpresst und Parteitagsbeschlüsse nachträglich korrigiert", sagte Lauk der "Rheinischen Post".
Lob für die Union aus Brüssel
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigte dagegen den Kompromiss. "Ich glaube, das ist vernünftig, und das ist auch erreichbar", sagte sie im Deutschlandfunk. Die Opposition habe das Thema von einer sachlichen Diskussion zum taktischen Wahlkampfthema gemacht und wolle damit die Koalition spalten und schwächen. Sie selbst würde dem Gesetzentwurf der Opposition als Bundestagsabgeordnete nicht zustimmen.
Kramp-Karrenbauer erneuerte jedoch ihre grundsätzliche Forderung nach einer festen gesetzlichen Vorgabe. "Ich will eine feste Quote durchsetzen, und zwar innerhalb einer bürgerlichen Regierung und innerhalb der CDU", sagte sie. Sie sei sicher, dass eine solche feste Quote nach der Bundestagswahl in möglichen Koalitionsverhandlungen mit der FDP trotz deren Bedenken ins Regierungsprogramm hineingeschrieben werde. Das Saarland und Sachsen-Anhalt hatten die von SPD und Grünen geführten Länder bei ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Vorgabe im Herbst im Bundesrat unterstützt.
Lob erhielt die Union von EU-Justizkommissarin Viviane Reding. "Ich freue mich sehr, dass auch meine christdemokratischen Parteifreunde in Deutschland für eine Frauenquote in Aufsichtsräten eintreten", erklärte Reding über Twitter. Dies sei das Ergebnis von "Frauenpower" zwischen Brüssel und den Befürwortern in Deutschland. Reding kämpft für eine Regelung zur Frauenquote in der Europäischen Union. Die Luxemburgerin will für die Zeit ab 2020 eine Quote von 40 Prozent in Aufsichtsräten gesetzlich verankern.
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP/rts