Noch mal rasch auftanken RWE spart 280 Millionen Euro
02.11.2010, 18:42 UhrVor der Einführung der Brennelementesteuer tauscht RWE in seinem Atomkraftwerk Biblis die Brennelemente aus. Dadurch spart der Energiekonzern 280 Millionen Euro Steuern. Ein Trick, der Flugreisenden verwehrt ist: Bei der Flugticketsteuer hatte die Bundesregierung daran gedacht, eine Bremse gegen Vorzieheffekte einzubauen.
Der Stromkonzern RWE tauscht vor der Einführung der neuen Atom-Steuer im großen Stil Brennelemente in seinem AKW Biblis und spart dadurch Millionen. Noch im November wolle das Unternehmen 92 der 193 Brennelemente ersetzen, teilte das hessische Umweltministerium mit. Nach seiner Schätzung spart RWE dadurch 280 Millionen Euro Steuern. Die Opposition kritisierte, das Unternehmen lege die Koalition bei der ohnehin fragwürdigen Einigung über die Verlängerung der AKW-Laufzeiten auch noch finanziell aufs Kreuz.
RWE wolle offensichtlich vor dem Jahreswechsel noch einmal billig "volltanken", kritisierten die Grünen in der "Frankfurter Rundschau". Die neue Steuer wird ab dem 1. Januar erhoben und soll dem Bund bis zu 2,3 Milliarden Euro im Jahr zur Etatsanierung einbringen.
Keine Bremse gegen Vorzieheffekte
Anders als bei der Brennelementesteuer hatte die Regierung bei der neuen Flugticketsteuer eine Bremse gegen Vorzieheffekte eingebaut. Um zu vermeiden, dass sich Reisende noch schnell mit steuerfreien Flügen in 2011 eindecken, wird sie rückwirkend zum 1. September eingeführt, dem Tag des Kabinettsbeschlusses.
Ein Sprecher von RWE Power bestätigte den Betrag von etwa 280 Millionen Euro. Die Revision von Biblis B mit der Reparatur einer Turbine sei schon länger angekündigt gewesen, sagte er. Es sei nicht unnormal, dass bei der Reparatur auch der Kern des Atomkraftwerkes "optimiert" werde. Generell würden Revisionen unter technischen und reaktorphysischen Aspekten geplant. Es gebe aber auch ökonomische Gesichtspunkte, sagte der Sprecher.
EnBW hat schon getauscht
Der Energiekonzern Vattenfall plant nach Angaben einer Sprecherin in seinen Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel in diesem Jahr keinen Austausch von Brennelementen mehr. Beide Reaktoren sind derzeit nach einer Pannenserie vom Netz. EnBW teilte mit, dass im Kraftwerk Neckarwestheim II in den vergangenen Wochen im Rahmen einer Revision 56 von 193 Brennelementen ausgetauscht worden seien. Im vergangenen Jahr waren es demnach 48. Der Austausch richte sich nach der Nutzung des Brennstoffes und der Reaktorphysik, sagte ein EnBW-Sprecher. Eon war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Die Steuer wird fällig, wenn mit einem Brennelement erstmals die zur Energieerzeugung nötige Kettenreaktion ausgelöst wird. Die Steuer ist bis 2016 befristet und soll einen Teil der zusätzlichen Gewinne der Energieversorger aus der AKW-Laufzeitverlängerung abschöpfen. Brennelemente haben in der Regel eine Lebensdauer von vier bis sieben Jahren.
Grüne: Beteiligung der Industrie ist "Lügengebäude"
Die hessische Grünen-Landtagsfraktion kritisierte, RWE sorge trickreich dafür, dass die gewünschten Steuereinnahmen ab Januar 2011 zumindest aus Biblis erst einmal nicht flössen. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Alexander Bonde, sagte, die finanzielle Beteiligung der Atomindustrie sei "ein großes Lügengebäude": "Wahrscheinlich war der Austausch der Brennelemente vor dem Jahreswechsel von Anfang an Teil des Deals zwischen Atomwirtschaft und Regierung."
Der SPD-Haushaltsexperte im Bundestag, Carsten Schneider, sagte: "Diese Ausnahme für die Atomlobby belegt erneut, wie durchsetzungsschwach Bundesfinanzminister Schäuble in der Regierung inzwischen ist." Schon mit der Befristung der Steuer und der Absenkung der Steuersätze gegenüber den ursprünglichen Plänen habe Schäuble im September eine Niederlage eingesteckt. Die SPD-Landtagsfraktion erklärte, die Bundesregierung werde nun von ihren Verhandlungspartnern aus der Atomlobby vorgeführt.
Greenpeace warnt vor Gas in Gorloeben
Angesichts von bisher kaum beachteten Gasfunden warnte die Umweltschutzorganisation Greenpeace vor unkalkulierbaren Risiken beim möglichen Atommüll-Endlager Gorleben. Unter Verweis auf Bohrberichte aus den 80er Jahren betonte Greenpeace, durch über 200 Grad heiße Atommüllbehälter könnte es in dem niedersächsischen Salzstock zu Explosionen und Wassereinbrüchen kommen.
Die Wärme des Strahlenmülls könnte unter anderem etwa eine Ausdehnung des Gases und dadurch einen Druckanstieg im Salzstock verursachen, betonte Greenpeace. So könnten Risse und Klüfte entstehen, die Wasser und weiteres Gas eindringen ließen.
Grüne und Linken forderten daher einen sofortigen Stopp der gerade wieder gestarteten Erkundung und ein Aus für Gorleben als Endlager- Standort. Die neuen Erkenntnisse könnten die Stimmung beim Castor-Transport am kommenden Wochenende nach Gorleben weiter anheizen.
Der in Castor-Behältern ankommende Atommüll wird bisher im wenige hundert Meter entfernt liegenden Zwischenlager oberirdisch gelagert. Bis zur Entscheidung, ob der Müll für immer in hunderten Meter Tiefe im Salzstock Gorleben gelagert wird, dürften noch Jahre vergehen.
Umweltminister Norbert Röttgen hatte zum 1. Oktober die Wiederaufnahme der Erkundung Gorlebens angeordnet. Rot-Grün hatte diese vor zehn Jahren ausgesetzt, weil die damalige Bundesregierung große Zweifel an der Eignung des Salzstocks hegte.
Quelle: ntv.de, rts/dpa