Zugriff auf Gaddafis Milliarden Rebellen als Regierung anerkannt
15.07.2011, 17:30 Uhr
US-Außenministerin Clinton und ihr britischer Kollege Hague in Istanbul.
(Foto: AP)
Die internationale Kontaktgruppe erkennt die libyschen Rebellen offiziell als "legitime Regierungsautorität" an. Damit können die Aufständischen auf gesperrte Hilfsgelder in Milliardenhöhe zugreifen. Gaddafi ist dadurch allerdings noch nicht aus dem Amt gejagt. Der Machthaber schimpft auf die NATO und ruft sein Volk zum Sturm an die Front auf.
Die internationale Libyen-Kontaktgruppe hat den Nationalen Übergangsrat der Rebellen als offizielles Organ mit Regierungsvollmacht anerkannt. Der Übergangsrat werde als "legitime Regierungsautorität" anerkannt, hieß es in der Abschlusserklärung. Frankreichs Außenminister Alain Juppé sagte, damit sei es möglich, einen bestimmten Teil im Ausland eingefrorener libyscher Staatsgelder wieder freizugeben, da der Übergangsrat nun verantwortlich sei. Im Zuge der gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi und seine Gefolgsleute vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen war auch deren Vermögen im Ausland eingefroren worden.
Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sagte, er unterstütze den Vorschlag des Nationalen Übergangsrats, drei Milliarden Dollar (2,1 Milliarden Euro) der gesperrten Staatsgelder unter UN-Aufsicht wieder freizugeben. Das Geld solle während des Fastenmonats Ramadan zu gleichen Teilen in Tripolis und der Rebellenhochburg Bengasi verteilt werden und dürfe nur zu humanitären Zwecken eingesetzt werden. Davutoglu forderte die Staaten der Kontaktgruppe auf, den Rebellen Kredite zu gewähren. Italiens Außenminister Franco Frattini sagte, Italien habe eine erste Kredittranche von 100 Millionen Euro bewilligt, wobei Teile der in Italien eingefrorenen libyschen Staatsgelder als Sicherheiten dienen sollten. Weitere 300 Millionen Euro sollten in den kommenden Wochen bewilligt werden.
Wie gelingt Gaddafis Abgang?
Es war das vierte Treffen der Kontaktgruppe, zu der alle Länder zählen, die am seit fast vier Monate andauernden Militäreinsatz in Libyen mitwirken. An dem Treffen nahmen Vertreter von rund 40 Staaten und internationalen Organisationen teil, unter ihnen NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr britischer Kollege William Hague. Auch Rebellenführer Mahmud Dschibril nahm an dem Treffen teil. In der Abschlusserklärung des Treffens in Istanbul forderte die Gruppe erneut einen Rückzug von Gaddafi und die Bildung einer Übergangsregierung durch die Rebellen.

Die Kontaktgruppe will den Rebellen durch die Anerkennung den Zugriff auf libysche Staatsgelder ermöglichen.
(Foto: AP)
Ziel des Treffens war es nach Angaben eines europäischen Diplomaten den Abgang Gaddafis zu organisieren. Insbesondere müsse der militärische Druck auf Gaddafi aufrecht erhalten werden, jetzt, da "das Regime in Tripolis kurz vor dem Kollaps" stehe. In der Abschlusserklärung hieß es dazu, Gaddafi müsse "in definierten Etappen die Macht abgeben". Der türkische Außenminister Davutoglu sagte, es müsse ein "glaubhafter politischer Prozess" gestartet werden, um eine dauerhafte Lösung für die Krise in Libyen zu finden.
Großbritannien kündigte am Rande des Treffens den Einsatz von vier zusätzlichen Kampfflugzeugen in Libyen an. Die Tornados sollten Aufklärungsflüge fliegen, aber auch Luftangriffe ausführen können, sagte ein Sprecher des britischen Außenministeriums. Gaddafi gehe weiter "brutal" gegen die libysche Bevölkerung vor.
Kämpfe in Richtung Tripolis
Die libyschen Rebellen setzten derweil ihre Offensive auf den Ölhafen von Brega fort. Dabei starben mindestens zwei Rebellen, 24 weitere wurden verletzt. In der Region verläuft die östliche Front zwischen den Rebellen und den libyschen Truppen.
Gaddafi sagte in einer Rede vor Anhängern in der westlich von Tripolis gelegenen Ortschaft Al-Adschajlat, die Libyer verteidigten in ihrem Kampf gegen "die Kreuzritter der NATO" die Ehre aller Araber und Afrikaner. Die Europäer bezeichnete er in der Rede als "Feiglinge".
Zum wiederholten Male rief Gaddafi Zivilisten auf, zur Front zu marschieren. Er sagte: "Wir sind jederzeit bereit, als Märtyrer zu sterben." Ein Mitglied der libyschen Delegation sagte am Rande der Konferenz in Istanbul: "Wir glauben, dass Gaddafi keinen Trumpf mehr in der Hand hat, und dass er doch noch verhandlungsbereit sein wird, aber erst wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht - so weit ist er noch nicht."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP