500 Ausländer evakuiert Rebellen auf Vormarsch
03.02.2008, 09:21 UhrMit der Eroberung großer Teile der Hauptstadt N'Djamena haben die tschadischen Rebellen die Regierung von Präsident Idriss Dby an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Bei den Kämpfen um den Regierungspalast wurden Panzer und Hubschrauber eingesetzt. Den mit automatischen Gewehren und Granatwerfern bewaffneten Rebellen gelang zunächst kein entscheidender Vorstoß. Dby hat sich in seinem von Panzern geschützten Regierungssitz verschanzt. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen sprach von hunderten verletzten Zivilisten.
Damit wurde auch die Stationierung der europäischen Truppe Eufor zum Schutz der Flüchtlinge im Osten des Landes in Frage gestellt. In den kommenden Wochen sollen bis zu 3700 Soldaten aus EU-Mitgliedsstaaten im Tschad stationiert werden. Sie sollen dabei helfen, Flüchtlinge aus Darfur und internationale Hilfsorganisationen zu beschützen.
Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich bot Dby Hilfe zur Ausreise an, lehnte ein militärisches Eingreifen aber ab. Die im Lande stationierten französischen Truppen würden nicht an den "Kämpfen zwischen Tschadern" teilnehmen, sagte Außenminister Bernard Kouchner dem "Journal du Dimanche". Das Militärabkommen zwischen beiden Ländern sehe das nicht vor.
Angriff des Sudan
Unterdessen hat das tschadische Militär nach eigenen Angaben einen Angriff des Sudan zurückgeschlagen. Eine Gruppe aus Soldaten des Nachbarlandes, Rebellen und Milizen sei mit Fahrzeugen, Hubschraubern und Pferden in die Grenzstadt Adre im Osten des Tschad eingedrungen, hieß es. Der Ort liegt an der Grenze zur westsudanesischen Krisenregion Darfur. "Wir konnten sie wieder zurücktreiben", sagte ein tschadischer Offizier.
Tschads Außenminister Ahmat Allam-mi warf dem Sudan vor, hinter der Offensive der Rebellen zu stecken. Der Sudan wolle damit die Entsendung der EU-Friedenstruppe im Osten des Landes verhindern, sagte Allam-mi. Die sudanesische Regierung in Khartum wie dies zurück.
Ausländer ausgeflogen
Bisher flogen die französischen Streitkräfte 514 Ausländer aus N'Djamena nach Gabun aus, darunter 217 Franzosen und 297 Bürger anderer Staaten, darunter Deutsche, Belgier, Spanier und Ägypter. 400 weitere warteten in Sammelzentren auf eine Ausreise. Von Libreville in Gabun sind inzwischen die ersten Evakuierten auf dem Weg nach Europa. Die französischen Streitkräfte flogen 202 Menschen nach Paris. Ein weiterer Flug sei geplant, berichtete der französische Rundfunksender France Info.
Im Tschad sollen etwa 100 Deutsche leben, davon ein Viertel in N'Djamena. "Die ersten Deutschen haben im Laufe des Tages mit französischer Unterstützung das Land verlassen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. "Wir beobachten die Situation weiterhin mit größter Aufmerksamkeit und sind auf weitere Evakuierungen vorbereitet." Nach Regierungsangaben befand sich im Tschad eine "niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsbürger", von denen ein Teil gegebenenfalls aus dem Land gebracht werden sollte.
Eine vom libyschen Revolutionsführer Muammar el Gaddafi im Namen der Afrikanischen Union vorgeschlagene Waffenruhe kam nicht zustande. Französische Experten schätzten die Zahl der gut bewaffneten Angreifer auf 1500 bis 2000. Dby könne sich auf bis zu 3000 Getreue stützen, sagte Verteidigungsminister Herv Morin. Nach seinen Informationen sei Dbys Oberbefehlshaber gefallen.
Eufor-Einsatz auf der Kippe
Die Entsendung der 3700 Eufor-Soldaten wurde nach Morins Worten wegen der Kämpfe "bis Mittwoch suspendiert". Kouchner zeigte sich zuversichtlich, dass die vom Nachbarland Sudan angefeindete Truppe dennoch stationiert werden könne. Zuvor hatte der tschadische Rebellenführer Timane Erdimi seinen Widerstand gegen die Eufor deutlich zurückgenommen. Der Neffe Dbys erklärte, er habe befürchtet, von der Eufor am Marsch nach N'Djamena gehindert zu werden. "Jetzt hat sich die Lage geändert." Wenn die Eufor nur Zivilisten schützen wolle, habe er damit kein Problem. In einem Gespräch mit dem "Journal du Dimanche" kündigte Erdimi die Bildung einer Nationalen Front aller Parteien und gesellschaftlichen Kräfte an.
Unklar ist, wie die Rebellen unbehelligt mit ihren 300 Fahrzeugen rund 700 Kilometer von der sudanischen Grenze bis N'Djamena fahren konnten. Das Gebiet wird ständig von französischen Aufklärern der Typen Mirage F1 CR und Atlantic II überwacht und die Franzosen gaben bisher ihre Informationen den tschadischen Streitkräften weiter. Frankreich hat jetzt 1900 Soldaten im Tschad, davon 1600 in N'Djamena. Seit 1986 sind 1300 Mann in dem Wüstenstaat stationiert. Dazu kommen zwei Fallschirmjägerkompanien, die Paris als Verstärkung aus Gabun verlegt hat, und französische Vorauskontingente der Eufor.
Quelle: ntv.de