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Ostkongo-Krieg könnte eskalieren Rebellen kesseln Millionenstadt Goma ein - Erstürmung in Kürze befürchtet

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Bauern aus dem Umland flohen vor den Rebellen nach Goma.

Bauern aus dem Umland flohen vor den Rebellen nach Goma.

(Foto: IMAGO/Xinhua)

Rebellen umzingeln im Kongo die strategisch wichtige Handelsstadt Goma. Zwei Millionen Menschen haben fast nichts mehr zu essen. Es wird befürchtet, dass der Krieg auf die Nachbarländer überschwappt.

Jede Nacht, wenn der Großstadtlärm verstummt, ist es zu hören: Das Dröhnen der Kampfjets, die am Himmel kreisen, das Wummern der Geschütze, die von Panzern abgefeuert werden. Die Bevölkerung der ostkongolesischen Millionenmetropole Goma ist traumatisiert. Die Menschen befinden sich im Überlebensmodus, jeden einzelnen Tag.

Die Provinzhauptstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, direkt an der Grenze zum Nachbarland Ruanda, ist eigentlich ein Handelszentrum: Kartoffeln, Kaffee und Käse werden üblicherweise von hier in die gesamte Region exportiert. Mineralien und Seltene Erden finden zu Friedenszeiten via Goma ihren Weg auf den Weltmarkt. Doch seit mehr als einer Woche ist die Handelsstadt nun eingekesselt. Die gut trainierten Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) haben die Vulkanberge rundherum eingenommen, die wenigen Handelsstraßen abgeriegelt. Kein Lastwagen, kein Auto, kein Motorrad darf mehr hinaus oder hinein, auch keine Lebensmittel, die im Umland angebaut werden. Jetzt steigen die Preise täglich. Tankstellen und Märkte sind fast leer. Für viele reicht es gerade einmal für eine Mahlzeit am Tag, für einige nicht einmal mehr das.

Seit fast drei Jahren tobt nun wieder einmal Krieg im Kongo. Über sechs Millionen Menschen hat er bereits zur Flucht gezwungen. Allein Hunderttausende sind in den vergangenen Tagen geflohen, bevor die Rebellen die Gegend um Goma einnahmen. Die Gefechte in den Bergen nördlich der Millionenmetropole haben die Äcker und Häuser der dortigen Bauernfamilien zerstört. Sie mussten nach Goma fliehen. Aus Ästen und löchrigen Zeltplanen haben sie sich am Stadtrand auf kantigem Lavagestein Behausungen errichtet. Ihre Situation ist katastrophal. Sie leiden an Mangelernährung und Krankheiten, berichten Hilfswerke.

Die Angst vor einem regionalen Krieg

Doch nicht nur die humanitäre Lage spitzt sich täglich zu, auch militärisch wird es immer brenzliger. Diplomaten fürchten, dass sich der Konflikt auf die umliegenden Länder ausweiten und damit erneut, so wie Ende der 1990er Jahre, vom Kongo ein großer afrikanischer Krieg ausgehen könnte.

Anzeichen gibt es genug. Vergangenes Wochenende zerfetzte eine Kampfdrohne, die laut kongolesischen Angaben vom Nachbarland Ruanda aus abgefeuert war, am internationalen Flughafen in Goma zahlreiche Maschinen und richtete enormen Schaden an. Da die Stadt über den Landweg nicht mehr erreichbar ist, muss jetzt alles per Flugzeug oder Boot über den Kivusee hineintransportiert werden, auch militärische Ausrüstung und Soldaten. Laut UN-Ermittlungen werden die kongolesischen M23-Rebellen, die nun Goma eingekesselt haben, von Ruanda unterstützt. Mit dem Drohnenangriff sollte offenbar auch die Versorgung per Luft unmöglich gemacht werden.

Kongos Armee wiederum ist seit Jahrzehnten so marode, dass sie es mit der M23 nicht aufnehmen kann. Die M23-Kämpfer der Ethnie der Tutsi sind unter den über hundert Milizen im Ostkongo am besten ausgebildet – und verfügen noch dazu über moderne Waffen. Deswegen hat Kongos Armeeführung in den vergangenen zwei Jahren, seitdem die M23 immer mehr Gebiete erobert, sich Unterstützung eingekauft: Im Dschungel wurden sämtliche kleinere Milizen zu einer Koalition zusammengezogen – Wazalendo genannt, übersetzt: Patrioten. Mit Uniformen und Waffen ausgestattet wurden sie gegen die M23 an die Front geschickt.

Aus dem Ausland wurden Söldner angeheuert: Rumänische und bulgarische Firmen haben private Sicherheitskräfte geschickt. Das befreundete Nachbarland Burundi hat Tausende Soldaten entsandt und im Rahmen eines Verteidigungsmandates der SADC (Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft), in welcher Kongo Mitglied ist, wurden über 3000 Soldaten aus Südafrika, Malawi und Tansania stationiert. Hinzu kommen UN-Blauhelme der im Kongo stationierten UN-Mission (MONUSCO), die derzeit aber dabei ist, nach über 20 Jahren ihren Rückzug abzuwickeln. All diese Einheiten versuchen nun Schulter an Schulter die strategisch wichtige Stadt Goma zu verteidigen, müssen aber auch Verluste einstecken.

Gleichzeitig droht Kongos Präsident Felix Tschisekedi, der erst im Dezember wiedergewählt worden war, mit einer großangelegten Gegenoffensive - auch gegen Ruanda. In einer hitzigen Wahlkampfrede verglich er seinen ruandischen Amtskollegen Paul Kagame sogar mit Adolf Hitler.

Vermittlungen in letzter Minute?

Für die Bevölkerung Gomas - direkt an der Grenze zu Ruanda - bedeutet dies: Überleben unter Belagerung durch Abertausende Truppen, die ebenfalls versorgt werden müssen und nachts die Straßen unsicher machen. Vor wenigen Tagen erst lieferten sich reguläre kongolesischen Soldaten und Wazalendo-Milizionäre in Goma interne Gefechte um Lebensmittel- und Munitionsnachschübe. Gleichzeitig herrscht Panik, die M23-Rebellen könnten die Stadt mit derzeit fast zwei Millionen Einwohnern und Vertriebenen jederzeit wieder stürmen. Viele erinnern sich an 2012, als die gleichen Rebellen Goma im Handstreich einnahmen und zehn Tage besetzten. Die geschlagene Armee rannte in alle Richtungen davon. Unterwegs plünderten die geschlagenen Soldaten die Häuser der Einwohner, vergewaltigten demoralisiert Hunderte Frauen. Es herrschte das totale Chaos.

Um eine weitere Eskalation abzuwenden, sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Vermittlungsversuche gestartet worden. Die US-Regierung und Frankreich forderten in einer Notfall-Konferenz des UN-Sicherheitsrates in New York anlässlich der Kongo-Krise am Dienstag Ruanda auf, die Unterstützung für die M23 sofort einzustellen. Im Hauptquartier der Afrikanischen Union in Äthiopiens Hauptstadt Adis Abeba kamen vergangenes Wochenende sämtliche Staatschefs der Region zusammen, versuchten zwischen Kongos Präsident Tshisekedi und seinem ruandischen Gegenspieler Kagame zu vermitteln. Zu einem direkten Treffen zwischen den beiden kam es jedoch nicht, alle Vermittlungsversuche floppten. Jetzt hält die Bevölkerung von Goma den Atem an.

Quelle: ntv.de

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