Konsequenz aus Pferdefleischskandal Regierung plant Panscherpranger
27.02.2013, 19:07 Uhr
In mehreren Supermarktketten wurden Fertigprodukte vorsorglich aus den Regalen entfernt.
(Foto: dapd)
Pferd in der Lasagne, Barsch statt Snapper, Käfig-Ei statt Bio-Ei - die Liste der Lebensmittelskandale der vergangenen Wochen setzt Schwarz-Gelb unter Druck, es muss etwas geschehen. Eine erste Reaktion: Anklagende Transparenz soll helfen.
Die schwarz-gelbe Koalition hat erste gesetzliche Konsequenzen aus den jüngsten Lebensmittelskandalen um Pferdefleisch und Eier gezogen. Künftig sollen Behörden Hersteller von Lebensmitteln mit falschen Inhaltsangaben veröffentlichen, wie aus einer vorliegenden Novelle des Lebensmittelgesetzbuches hervorgeht. Behörden sollen auch bei vergleichsweise geringfügigen Täuschereien an die Öffentlichkeit gehen können.
Demnach sollen Lebensmittelbehörden die Hersteller von Fertigprodukten auch dann anprangern können, wenn sie wegen des Vergehens mit einem Bußgeld unter 350 Euro oder gar keinem Bußgeld belegt werden. Bei darüber hinausgehenden Strafen müssen die Behörden weiter die Öffentlichkeit informieren.
79 von 1323 Proben enthalten Pferd
Dies könnte für große Einzelhandelsketten wichtig sein, die Fertigprodukte unter eigenem Namen verkaufen, aber nicht selbst herstellen, sondern von anderen Unternehmen kaufen. In diesen Fällen liegt keine Täuschung vor, da sie nicht - wie im Pferdefleischskandal - nicht angegebene Zutaten in die Fertiggerichte gemischt haben. Allerdings kann ihnen der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden.
"Die Skandale um Pferdefleisch und Bio-Eier haben gezeigt, dass es hier eine Rechtsunsicherheit gab", erklärte der Lebensmittelexperte der FDP-Fraktion, Erik Schweickert. Die Länder würden sich zukünftig nicht mehr herausreden können, wenn sie von einer Veröffentlichung absähen.
Das Bundesagrarministerium teilte unterdessen erste Ergebnisse der Lebensmitteluntersuchungen mit. Demnach wurden bislang 1323 Proben analysiert, wobei in 79 Fällen Pferdefleisch nachgewiesen wurde. 33 Proben wurden auf Medikamenten-Rückstände untersucht, die Tests verliefen negativ.
"Köttbullar"-Verdacht bestätigt sich
Indessen wurde durch schwedische Tests eindeutig Pferdefleisch in den beliebten Hackfleischklopsen "Köttbullar" der Möbelkette Ikea nachgewiesen. Die schwedische Lebensmittelaufsicht bestätigte zwei Tage nach dem ersten Behörden-Alarm in Tschechien, dass neue Proben bei Ikeas Lieferanten Dafgård ebenfalls Anteile von Pferdefleisch von einem bis zehn Prozent enthalten hätten. In deutschen Filialen gab es laut Ikea keine Pferdefleisch-"Köttbullar". Die Möbelkette weitete ihren Verkaufsstopp derweil auf Würstchen aus.
Man nehme nun auch die Würste des schwedischen Lieferanten aus dem Angebot der Ikea-Häuser in fünf Ländern, teilte das Unternehmen mit. Deutschland gehört nicht dazu, weil diese Würstchen hier nicht angeboten werden. Weiter bleiben auch dort die "Köttbullar" aus den Schnellrestaurants und Kühltruhen aller 46 Ikea-Filialen verbannt. Die Möbelkette hatte bereits den Verkauf der Hackbällchen in Deutschland, Schweden und 22 weiteren Ländern gestoppt.
Konzernsprecherin Ylva Magnusson sagte: "Natürlich sehen wir das als sehr ernst an." Man setze die selbst in Gang gesetzte Testreihe fort. Dafgård bestätigte ebenfalls die positiven Proben. Man untersuche nun, woher genau das Fleisch stamme.
Der Verbraucher ist vergesslich
McDonald's ist vom Pferdefleisch-Skandal nicht betroffen, erklärte das Unternehmen. Pferdefleisch habe "in unser System keinen Eingang gefunden". Der McDonald's-Deutschlandchef Bane Knezevic verwies auf die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre, von denen das Unternehmen nie betroffen gewesen sei.
Viele Verbraucher reagieren mit erhöhter Vorsicht auf den Pferdefleisch-Skandal und die Ermittlungen um möglicherweise falsch deklarierte Eier. "Es wird sicherlich so sein, dass sie entsprechend reagieren und weniger von diesen Produkte einkaufen werden. Tiefkühlprodukte oder Hackfleischprodukte werden zunächst bestimmt darunter leiden - auch Angebote, die mit Pferdefleisch überhaupt nichts zu tun haben", sagte Wolfgang Adlwarth vom Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK.
Allerdings ändere sich das Verhalten von Verbrauchern nur vorübergehend. "Wir wissen von früheren Skandalen, dass das Verhalten in aller Regel doch wieder relativ schnell zum Normalzustand zurückpegelt, wenn das ganze Medienecho nachlässt", so Adlwarth.
Ermittlungen in Eierskandal dauern noch
In Großbritannien sank der Verkauf von Burgern nach dem Pferdefleisch-Skandal um 43 Prozent. Das geht aus einer Studie des Marktforschungsunternehmens Kantar Worldpanel hervor. Auch in Lettland und Russland wurden inzwischen Spuren von Pferdefleisch entdeckt, auf den Etiketten war das nicht angegeben.
Die Ermittlungen der Oldenburger Staatsanwaltschaft wegen falsch deklarierter Eier dürften frühestens "in einigen Wochen" beendet sein. Unklar sei, ob sie dann wirklich in Anklageerhebungen münden werden, sagte Oberstaatsanwältin Frauke Wilken. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdachts, Verstoßes gegen das Futtermittelgesetz sowie in einigen Fällen auch wegen Verstößen gegen das ökologische Landbaugesetz.
Die ersten Verdachtsfälle gehen auf den Herbst 2011 zurück. In Niedersachsen geht es um etwa 150 Fälle, bei denen Millionen Eier aus Freiland- und Bodenhaltung sowie Bio-Betrieben vor allem als angebliche Bio-Eier vermarktet worden sein sollen. Die Legehennen sollen in überfüllten Ställen nicht so gehalten und gefüttert worden sein, wie es für die Produktion von Bio-Eiern vorgeschrieben ist. Verdachtsfälle gibt es zudem in sieben weiteren Bundesländern.
Quelle: ntv.de, rts/dpa