Kliniken aus den Roten holen Regierung will helfen
02.07.2008, 17:55 UhrBund und Länder streiten über die Finanzierung der Krankenhäuser. Begleitet vom Protest mehrerer tausend Klinikmitarbeiter haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern in Plön mit zweitägigen Beratungen unter Vorsitz von Schleswig-Holsteins Ressortchefin Gitta Trauernicht (SPD) begonnen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) forderte die Länder auf, ihren Investitionspflichten für die Kliniken nachzukommen. "Wir sind uns bewusst darüber, dass die Lage etlicher Kliniken ernst ist" sagte Trauernicht zu einer Delegation von Krankenhausarbeitgebern und -arbeitnehmern, die ihr und Schmidt eine Resolution mit Forderungen überreichte. Sie erwarte, dass die Minister zu Ergebnissen kommen werden, sagte Trauernicht.
Schmidt warf den Ländern vor Beginn Konferenz vor, sie bezahlten für die Kliniken nur zwischen 40 und 50 Prozent der Summe, die eigentlich notwendig wäre. "Wir haben einen riesigen Investitionsstau", sagte die SPD-Politikerin im RBB. Das Geld der Krankenkassen in Form von Fallpauschalen, das für die medizinische Behandlung und für das Personal bestimmt sei, werde zunehmend zweckentfremdet etwa für den Bau von Nasszellen. Dies könne nicht geduldet werden.
Auch die Bundesgesundheitsministerin hoffte, "dass wir hier zu einem Kompromiss kommen" und sich die Länder aufeinander zu bewegen. Sie stellte ein Eckpunkte-Papier vor, wonach die Kliniken von 2009 an finanziell besser ausgestattet werden sollen. Vorgesehen ist, dass die Länder an die Kliniken künftig bundeseinheitliche Investitionspauschalen überweisen, die dann in Bauprojekte fließen sollen. Schmidt kommt den Ländern dabei entgegen, da sie ihre Finanzhoheit behalten können und diese nicht wie ursprünglich geplant auf die Kassen übertragen wird. Wie bisher sollen die Kassen Geld in Form von Fallpauschalen zur Verfügung stellen, das für die medizinische Versorgung und für das Personal verwendet wird.
Schmidt hatte sich mit den Experten der Koalition darauf verständigt. Die CSU lehnt das Papier ab. Auch von den meisten Ländern werden die Vorschläge nicht positiv bewertet, weswegen eine kontroverse Diskussion erwartet wird. Die Bundesministerin ist dennoch zuversichtlich. "Ich würde gerne morgen (Donnerstag) den Gesetzentwurf auf den Weg bringen."
Bayern als Spielverderber
Die bayerische Sozialministerin Christa Stewens kritisierte: "Über die zentral vom Bund gesteuerten Baupauschalen sollen die Länder zu bloßen Zahlstellen degradiert werden." Der CSU-Gesundheitsexperte Max Straubinger sprach von einer Förderung nach Gießkannenprinzip. Den Plänen setze seine Partei "ein klares Nein" entgegen. Kritik äußerte Straubinger auch am Vorhaben Schmidts, den Kassen und Krankenhäusern die Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen zu geben - zunächst in Form eines Modellversuchs bis 2012.
Insgesamt sollen die Krankenhäuser mit knapp drei Milliarden Euro unterstützt werden. Die Kassen werden per Gesetz verpflichtet, einen Teil der Tarifsteigerungen für 2008 und 2009 zu übernehmen. Der viel kritisierte Sanierungsbeitrag von 0,5 Prozent und die Deckelung der Krankenhauspreise sollen auslaufen. Auch soll ein Förderprogramm für neue Pflegestellen finanziert werden. Experten fürchten allerdings, dass diese Maßnahmen einen hohen Beitragssatz für den neuen Gesundheitsfonds zur Folge hätten.
Blinddarm soll gleich Blinddarm sein
Schmidts Zusagen sind daran geknüpft, dass die Länder ihre Investitionszusagen einhalten. Bisher bezahlen sie nach Angaben der Ministerin nur zwischen 40 und 50 Prozent der Summe, die eigentlich notwendig wäre. Das für medizinische Behandlungen gedachte Geld der Krankenkassen werde zunehmend zweckentfremdet etwa für Baumaßnahmen. Dies könne nicht länger geduldet werden. Die Vorschläge sehen auch vor, schrittweise einen bundesweiten Basisfallwert zu schaffen. Damit soll erreicht werden, dass etwa für eine Blinddarmoperation künftig überall das Gleiche bezahlt wird.
Vor allem die unionsgeführten Länder zeigten sich wenig kooperativ, klagte Schmidt. Durch die Änderungen müsse der Beitragssatz nicht zwangsläufig erhöht werden. Denkbar sei, Steuermittel in den Fonds fließen zu lassen.
30 Prozent der Kliniken droht Insolvenz
Die Bundesärztekammer appellierte an die Länder, die Finanznot der Kliniken rasch zu beseitigen. Die Patientenversorgung müsse zum Maßstab gemacht werden, sonst "bluteten die Krankenhäuser aus", warnte Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery. 30 Prozent aller Kliniken schrieben rote Zahlen und drohten in die Insolvenz zu rutschen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) beziffert den Investitionsstau in den Kliniken auf 50 Milliarden Euro.
Auch die Gewerkschaft ver.di warnte vor einer Blockade. "Wenn die Länder nicht mitziehen, tragen sie die Verantwortung für den fortschreitenden Verfall der Krankenhausversorgung", sagte Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke.
Quelle: ntv.de