Stolpe legt Maut-Vertrag offen Regress deckt Ausfälle nicht
22.10.2003, 00:01 UhrDas Maut-Konsortium Toll Collect muss der Bundesregierung ab dem 1. Dezember für jeden Tag, an dem die LKW-Maut nicht erhoben wird, 250.000 Euro zahlen. Dies geht aus dem heute im Verkehrsausschuss offen gelegten Vertrag hervor.
Damit stehen den monatlichen Einnahmeausfällen von 156 Mio. Euro ein Regressanspruch von lediglich 7,5 Mio. Euro und später 15 Millionen Euro gegenüber. Unionspolitiker warfen der Regierung vor, sie habe "ohne Rücksicht auf Verluste" einen Vertrag zu Lasten des Steuerzahlers geschlossen.
Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) hatte in einer Sitzung des Bundestagsverkehrsausschusses den Mautvertrag vorgelegt. Die Einsicht in die Verträge war jedoch nur Mitgliedern des Ausschusses erlaubt worden.
Das Bundesverkehrsministerium will sich nach Angaben der Wirtschaftsnachrichtenagentur vwd damit jedoch nicht zufrieden geben. Es sieht das Konsortium auch im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Haftung. Der Maut-Vertrag schließt laut DaimlerChrysler bei einem verspäteten Systemstart neben den genannten Zahlungen "weitere Vertragsstrafen oder eine verschuldensabhängige Haftung" aus. In diesem Satz könnte für den Bund der Hebel zu höheren Zahlungsforderungen verborgen sein. Einige Rechtsexperten beziehen diesen Ausschluss nur auf die "fahrlässige Haftung". Sollte Toll Collect aber schon bei Vertragsabschluss gewusst haben, dass ein pünktlicher Maut-Start nicht zu schaffen ist, handele es sich um "Haftung aus Vorsatz".
Stolpe hatte vorige Woche der Industrie vorgeworfen, dass sie sein Ministerium bewusst falsch informiert habe. Toll Collect wies dies am Mittwoch erneut "entschieden" zurück. Die Unterstellung, den Beginn der Mauterhebung vorsätzlich verzögert zu haben, sei ungeheuerlich und entbehre jeder Grundlage, erklärte ein Sprecher von Toll Collect.
Sie solle dem Ministerium wohl nur dazu dienen, eine unhaltbare Rechtsposition zu konstruieren. Nach vwd-Informationen wird der Bund ab Montag mit den Gesellschaftern von Toll Collect über Haftungsfragen verhandeln. Sollten die Gespräche scheitern, werde ein Gang vor Gericht nicht ausgeschlossen.
Ungeachtet aller gegenwärtigen Probleme zeigte sich Stolpe vor Beginn der Sitzung in Berlin noch einmal entschlossen, die Lkw-Maut voranzubringen. Stolpes Sprecher Felix Stenschke machte am Mittag noch einmal deutlich, dass Stolpe trotz aller Verzögerungsvorwürfe gegen das Konsortium zunächst an der Zusammenarbeit mit Toll Collect festhält. Zur Frage, ob die Bundesregierung eine neue Ausschreibung des Maut-Projekts für möglich halte, sagte der Sprecher, man sei "auf alles vorbereitet". Er fügte aber hinzu: "Wir reden zurzeit nicht über die Scheidung, sondern die Vollendung der Ehe."
Quelle: ntv.de