Politik

Ministerium dementiert Rekordschulden drohen

Die Bundesregierung steuert wegen der Rezession und weiterer geplanter Konjunkturhilfen im kommenden Jahr auf einen neuen Schuldenrekord zu. Intern werde für 2009 mit einer Aufnahme neuer Kredite von mindestens 30 Milliarden Euro gerechnet, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Regierungskreise. Das Finanzministerium bestätigte die Zahl nicht. Allerdings hieß es dort, weitere Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft würden über Schulden finanziert. Die Opposition befürchtet bereits eine Spitzenmarke von 50 Milliarden Euro.

Damit ist der Bundeshaushalt 2009 bereits Makulatur - noch bevor er am Freitag endgültig vom Bundesrat beschlossen wird. In dem Zahlenwerk wird eine Neuverschuldung von 18,5 Milliarden Euro ausgewiesen. Allerdings steht das Budget noch unter der Annahme, dass die Wirtschaft um 0,2 Prozent wächst. Tatsächlich erwarten die meisten Experten aber mittlerweile einen Einbruch des Wachstums um etwa zwei Prozent. Alleine für den Bund würde das zu Einnahmeverlusten bei den Steuern und Mehrausgaben für Arbeitslose von insgesamt rund neun Milliarden Euro führen.

"Zulasten der Verschuldung"

Den bisherigen Schuldenrekord hatte 1996 der damalige Finanzminister Theo Waigel mit 40 Milliarden Euro aufgestellt. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, es gebe noch keine Berechnungen für 2009: "Wir addieren zusammen, wenn klar ist, was finanziert werden muss." Bei den 30 Milliarden Euro handele es sich um Berechnungen der Zeitung, und nicht der Regierung. "Es handelt sich um reine Spekulationen." Klar sei aber, dass Einnahmeausfälle oder weitere Konjunkturhilfen nicht gegenfinanziert würden: "Das geht zulasten der Verschuldung."

Kanzlerin Angela Merkel will ein zweites Konjunkturpaket nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Barack Obama Ende Januar vorstellen. Im Zentrum werden Infrastrukturprojekte wie Schulsanierungen stehen. Die Größenordnung steht noch nicht fest. Im Gespräch sind mindestens 20 Milliarden Euro, das Hilfspaket II kann aber auch wesentlich größer ausfallen.

"Es wird einen Nachtragshaushalt geben"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, rechnet wegen des Konjunktureinbruchs fest mit einem Nachtragshaushalt für 2009. "Es wird einen Nachtragshaushalt geben", sagte Oppermann in Berlin. Der SPD-Politiker sprach von dem "schärfsten Konjunktureinbruch in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik". Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht sei akut gestört.

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Otto Fricke (FDP), rechnet mit einer Verschuldung "in Richtung 50 Milliarden Euro". Um die Kreditaufnahme so massiv erhöhen zu können, muss der Bundestag vorher eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes feststellen. Das verlangt das Grundgesetz. Die "Rheinische Post" berichtete, die Bundesregierung werde mit der Veröffentlichung ihres Jahreswirtschaftsberichts am 28. Januar diese Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären.

Auch Haushaltsexperten der Koalition schließen nicht aus, dass Waigels bisheriger Negativrekord fallen könnte. Denn neben den Konjunkturhilfen kommen auf den Bund weitere Belastungen zu, etwa durch das Verfassungsgerichtsurteil zur Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale. Für Rückzahlungen an die Bürger werden 2009 rund 2,5 Milliarden Euro fällig. 2010 kommen auf den Bund weitere Ausfälle von rund 3,6 Milliarden Euro zu, weil die Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen verbessert werden muss.

Struck hält Staatsanleihe für möglich

SPD-Fraktionschef Peter Struck hat die Ausgabe einer Staatsanleihe zur Finanzierung weiterer Konjunkturmaßnahmen vorgeschlagen. Er sagte: "Wir müssen über die Neuverschuldung nachdenken." Dazu könne ein Sonderfonds aufgelegt werden. "Über die Ausgabe einer Anleihe, die der Bürger kaufen kann, weil er sagt, der Staat ist ein guter Schuldner, kann man das schon einigermaßen in den Griff kriegen."

"Die SPD ist für mehr staatliche Investitionen gerade in strukturschwachen Regionen", erläuterte Struck. "Wir sind aber auch für andere Maßnahmen wie zum Beispiel die Senkung der Lohnnebenkosten. Auch darüber müssen wir diskutieren."

200 Milliarden Euro Kosten bis 2012

Einziger Lichtblick ist bisher der Bundesbankgewinn, der nach überschlägigen Berechnungen von Experten in diesem Jahr deutlich über den im Haushalt eingeplanten 3,5 Milliarden Euro liegen wird. Allerdings fließen die Mehreinnahmen bisher nach einer gesetzlichen Bestimmung in die Schuldentilgung des Bundes.

Unter der Rezession leiden nicht nur der Bund, sondern auch Länder, Gemeinden, Kommunen und Sozialkassen. Nach Berechnungen von Koalitionshaushältern summieren sich bei einem Wachstumseinbruch von zwei Prozent die Steuerausfälle und Mehrausgaben für Arbeitslose aller staatlichen Ebenen bis 2012 auf rund 117 Milliarden Euro, davon rund 15,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Addiert man die bereits beschlossenen Konjunkturhilfen und die Ausfälle durch die Pendlerpauschale hinzu, summiert sich die Belastung auf rund 200 Milliarden Euro. Ein Konjunkturpaket II ist darin noch nicht einmal enthalten.

Quelle: ntv.de

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