Politik

Wahl Sachsen-Anhalt "Richter Gnadenlos"

Als sich am 13. Juni 2000 eine Hand voll konservativ gestimmter Hamburger um den beurlaubten Amtsrichter Ronald Schill versammelten, dürfte wohl keiner von Ihnen geahnt haben, dass die an diesem Tag gegründete Partei kaum 15 Monate später Junior-Partner einer bürgerlich-populistischen Koalition im Rathaus der Hansestadt sein würde.

Mit 19,4 Prozent Wählerstimmen lag die neue „Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO)“ am oberen Rand dessen, was Umfragen und Prognosen als möglich angesehen hatten. Das Phänomen „Schill-Partei“ hatte mit schlichten Botschaften zur inneren Sicherheit und populistischen Thesen fast ein Fünftel der Wähler überzeugt, dass mit der bis dahin 44 Jahre regierenden SPD kein Staat mehr zu machen sei.

Ronald Barnabas Schill war, obwohl Newcomer auf der politischen Bühne, zum Zeitpunkt seines Wahlerfolgs schon bundesweit bekannt. Als Strafrichter in einem Hamburger Amtsgericht hatte er sich bei Urteilen fortgesetzt allzu großer Milde enthalten. Für eine Sachbeschädigung gab es schon mal zweieinhalb Jahre, für einen anderen Angeklagten, dem der Staatsanwalt 1000 Mark Geldstrafe abnehmen lassen wollte, gab es 14 Monate Knast. Eine Hamburger Tageszeitung hatte ihn daraufhin „Richter Gnadenlos“ tituliert.

Ernüchternde Bilanz

Sein forscher Umgang mit mutmaßlichen oder tatsächlichen Gesetzesbrechern ließ Schill schließlich selbst mit der Justiz in Konflikt kommen. Ihm wurde vorgeworfen, nach der Verhängung von drei Tagen Ordnungshaft gegen zwei Zuschauer im Gerichtssaal deren Beschwerden bis zum Ablauf der drei Tage liegen gelassen zu haben. Vom Vorwurf der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung wurde Schill schließlich jedoch freigesprochen.

Gemeinsam mit CDU und FDP bildete die Schill-Partei nach der Hamburger Wahl vom 23. September 2001 eine Koalition. Der 43-jährige Ex-Richter wurde Innensenator. Politische Beobachter kommentieren die Halbjahres-Bilanz des vom CDU-Bürgermeister Ole von Beust geführten Senats zurückhaltend. Schill selbst sorgte weiter für Schlagzeilen, allerdings nicht die, die sich als politisch Verantwortlicher für Polizei und Innere Sicherheit in Hamburg gewünscht hätte: Der vom SPIEGEL als „Stoiber für Arme“ bezeichnete Politiker wurde mal mit Kokain-Konsum in Verbindung gebracht, ein anderes Mal hielt man ihm vor dubioses Personal mit Kontakten zum Rotlicht-Milieu zu beschäftigen.

Zwar hat sich die Partei Rechtsstaatlicher Offensive inzwischen mit einem Landesverband nach Sachsen-Anhalt ausgedehnt, ihr öffentlicher Auftritt bleibt stark auf die Person Schills zugeschnitten. Selbst die Homepage der Partei im Internet ist nicht unter dem Parteinamen oder dem Kürzel PRO, sondern unter „Schill-Partei“ zu finden.

Quelle: ntv.de

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