Politik

Es steht viel auf dem Spiel Ringen um Artenvielfalt

Weltweit zerstört der Mensch in beängstigender Geschwindigkeit natürliche Lebensräume für Tiere und Pflanzen – auch in Deutschland. Hierzulande sind fast ein Drittel der Tierarten und ein Viertel der einheimischen Pflanzenarten gefährdet. Während Kanzlerin Merkel von einer nötigen "Trendwende" spricht, verlangen Umweltverbände von der Regierung Taten.

Aktivisten des NABU, verkleidet als Politiker mit Tiermasken, posieren vor der Kuppel des Reichstages. Mehrere Umweltverbände fordern von der Bundesregierung, die Ökologie zum Topthema zu erklären.

Aktivisten des NABU, verkleidet als Politiker mit Tiermasken, posieren vor der Kuppel des Reichstages. Mehrere Umweltverbände fordern von der Bundesregierung, die Ökologie zum Topthema zu erklären.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert nach dem Scheitern verbindlicher Ziele beim UN-Klimagipfel nun einen Stopp des Artenschwundes. Der Schutz der Natur diene auch dem Kampf gegen den Klimawandel.

Zugleich räumte sie das Scheitern der Politik bei den selbstgesteckten Artenschutzzielen ein. "Wir brauchen eine Trendwende", sagte die frühere Umweltministerin beim Auftakt des Internationalen Jahres der biologischen Vielfalt in Berlin. "Jetzt unmittelbar und nicht irgendwann." Dies werde jedoch ein schwieriger Prozess. Die Weltgemeinschaft habe ihr Ziel klar verfehlt, schon bis 2010 das Tempo des Aussterbens von Tier- und Pflanzenarten deutlich zu verringern. Natürliche Lebensräume würden weiterhin in beängstigender Geschwindigkeit zerstört.

Umweltminister Norbert Röttgen sagte, die Vernichtung natürlicher Lebensräume schreite auch in Deutschland voran. Fast ein Drittel der Tierarten und ein Viertel der einheimischen Pflanzenarten seien gefährdet. Umweltverbände forderten von Merkel und ihrer Regierung deshalb Taten statt schöner Worte. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief per Video zu weltweiten Anstrengungen auf: "Wir können nicht so weitermachen wie bisher."

Was tut eigentlich Deutschland?

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mahnte mehr Engagement der Bundesregierung an. Sie führe seit zwei Jahren den Vorsitz der Weltnaturschutzkonferenz. Die Deutsche Umwelthilfe erklärte, auch Deutschland selbst habe sein 2007 beschlossenes Ziel, den Artenschwund bis zu diesem Jahr zu stoppen, nicht erreicht. Merkel und Röttgen müssten insbesondere die seit der Wahl von der CSU geführten Ressorts Landwirtschaft und Verkehr an die Einhaltung der Artenschutzziele erinnern.

Jeder soll einen Beitrag leisten

Die Kanzlerin rief dazu auf, dass jeder einen kleinen Beitrag zum Naturschutz leisten soll. "Wir brauchen dafür ein gesellschaftliches Bewusstsein." Sie nannte den Verlust von immer mehr Tier- und Pflanzenarten "beängstigend". Die Vielfalt sei auch ein Schutzschild für die menschliche Gesundheit und wichtig für die Landwirtschaft.

"An die eigene Nase fassen"

Auch die Entwicklungshilfe für ärmere Länder diene dem Schutz von Lebensräumen, sagte Merkel. Wenn die Europäer das Aussterben von Fischarten vor afrikanischen Küsten beklagten, müssten sie sich allerdings an ihre eigene Nase fassen. Nicht der Fischfang der Afrikaner für die eigene Ernährung sei das Problem, sondern der großtechnische Fischfang für internationale Nahrungsmittelkonzerne, noch dazu zu Niedrigpreisen. Karibische Korallenriffe seien zu 80 Prozent zerstört, sagte Röttgen. "Das kann, das muss geändert werden."

Dimension wie beim Klimaschutz

Die Kanzlerin zog eine Parallele zum Kampf gegen die Erderwärmung. "Die Frage der Erhaltung der biologischen Vielfalt hat dieselbe Dimension wie die des Klimaschutzes", sagte Merkel vor mehreren hundert Politikern, Experten und Vertretern von Umweltorganisationen aus aller Welt. Beide Probleme gehörten unmittelbar zusammen.

Das Problem des Artensterbens sei öffentlich schwerer darzustellen. Dass deshalb der Kampf für den Klimaschutz nicht leichter sei, habe die jüngste Konferenz in Kopenhagen gezeigt. "Aber wir machen weiter", sagte Merkel. Sie warnte vor immensen Kosten, wenn nichts getan werde. Merkel sagte finanzielle Hilfe zum Schutz der Ökosysteme zu, verwies aber auf die Zusagen während der deutschen G8-Präsidentschaft 2008 etwa für den Waldschutz.

Merkel schlägt neues UN-Gremium vor

Neben zusätzlichen Investitionen in den Artenschutz müssten die einzelnen Schutzsysteme weltweit vernetzt und abgestimmt sein. Merkel schlug eine neue übergreifende UN-Organisation vor, die sich mit allen globalen Umweltproblemen befassen soll.

Die zehnte UN-Naturschutzkonferenz findet im Oktober in Japan statt. Dabei soll auch ein Abkommen über einen gerechten Vorteilsausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bei der Nutzung genetischer Ressourcen beschlossen werden. "Ressourcenreichtum muss in erster Linie den Ländern zugute kommen, aus denen das kommt", verlangte Merkel. Der Leiter des UN-Umweltprogramms (UNEP), Achim Steiner, mahnte von den Industriestaaten eine größere "Bereitschaft zum Teilen" an.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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