Politik

Ethnische Spannungen in Bulgarien Roma werden Sündenbock

Die ultrarechte Ataka-Partei hat an ihre Mitglieder T-Shirts ausgegeben.

Die ultrarechte Ataka-Partei hat an ihre Mitglieder T-Shirts ausgegeben.

(Foto: AP)

In Bulgarien greift blinder Hass gegen die Roma-Minderheit um sich. Drei Wochen vor den Präsidentenwahlen reitet die rechtsextreme Ataka-Partei auf dieser Welle; Nationalisten fordern sogar die Todesstrafe gegen kriminelle Roma wie den schwerreichen "Zar Kiro". Die meisten der Hunderttausenden Roma leben allerdings in erbärmlicher Armut.

Drei Wochen vor den Präsidentenwahlen wird Bulgarien von ethnischen Konflikten erschüttert. Erneut protestierten Nationalisten gegen die Roma-Minderheit. Der Sicherheitsrat um Statspräsident Georgi Parwanow befasste sich unterdessen mit den ethnischen Spannungen im Land. Während der Tagung im Präsidialamt forderte die Ataka-Partei bei einer Demonstration außerhalb des Gebäudes lautstark wirksamere Maßnahmen gegen die vermeintliche Roma-Kriminalität, unter anderem die Todesstrafe. Ein riesiges Polizeiaufgebot verhinderte Zwischenfälle.

Auch die Frau will nicht in einem "Zigeunerstaat" leben.

Auch die Frau will nicht in einem "Zigeunerstaat" leben.

(Foto: dpa)

Nach der Tagung des Sicherheitsrats kündigte Parwanow umfassende Kontrollen für gesetzeswidrig reich gewordene Bulgaren an. Damit spielte er auf den inzwischen wegen Morddrohungen festgenommenen Roma-Boss "Zar Kiro" an. Nach den Worten Parwanows sollen die Behörden künftig härter gegen Kriminelle mit laufenden Gerichtsverfahren vorgehen. "Diese Verbrecher müssen den Platz einnehmen, der ihnen zusteht", betonte der Präsident. In den kleineren Orten soll es zudem eine stärkere Polizeipräsenz geben.

"Zar Kiro" bleibt in Haft

Ein starkes Polizeiaufgebot schützt das Haus des selbsternannten Roma-Königs Kiro.

Ein starkes Polizeiaufgebot schützt das Haus des selbsternannten Roma-Königs Kiro.

(Foto: AP)

Der selbsternannte Roma-König, der umgerechnet drei Millionen Euro Steuern unterschlagen haben soll, gilt als Auslöser für die Ausschreitungen und Proteste gegen Roma in der vergangenen Woche. Ein Mann aus seinem Kreis hatte in dem südbulgarischen Dorf Katuniza, angeblich vorsätzlich einen slawischstämmigen Jugendlichen überfahren.

Am Freitag beschloss ein Bezirksgericht in Assenowgrad, dass der Roma-Boss weiter in Untersuchungshaft bleibt. Zuvor war bekannt geworden, dass "Zar Kiro" wegen der Spannungen in Bulgarien nach Serbien fliehen wollte.

Bulgaren bei den Ausschreitungen am 24. September gegen Roma im Dorf Katuniza.

Bulgaren bei den Ausschreitungen am 24. September gegen Roma im Dorf Katuniza.

(Foto: dpa)

Die im Parlament in Sofia nicht vertretene WMRO-Partei sammelte vor der Volksversammlung Unterschriften für ein stärkeres staatliches Engagement zur Lösung der Konflikte mit den Roma. Mit einem Straßenmarsch durch die Innenstadt von Sofia protestierten mehr als tausend Anhänger der Bulgarischen Nationalen Union (BNS) gegen den "Roma-Terror" und "sozialen Parasitismus" der Roma-Minderheit.

Ein Zentrum für ethnischen Dialog und Toleranz warb dagegen für Verständigung zwischen den verschiedenen Volksgruppen in dem Balkanland. Mitarbeiter sowohl slawischer als auch Roma-Abstammung schenkten an der "Brücke der Verliebten" in Sofia vielen Passanten rote Blumen.

Mehrheit der Roma ist arm

Die meisten Roma in Bulgarien - wie hier in Katuniza - leben unter erbärmlichen Bedingungen.

Die meisten Roma in Bulgarien - wie hier in Katuniza - leben unter erbärmlichen Bedingungen.

(Foto: REUTERS)

Die Anti-Roma-Proteste der vergangenen Tage richteten sich zunächst gegen die Familie von "Zar Kiro". Sie weiteten sich dann auf das ganze Land aus und es kam zu den schwersten Gewaltexzessen in Bulgarien seit 14 Jahren. Dabei protestierten Menschen auch dagegen, dass Neureiche ihrer Meinung nach unantastbar sind. Vor allem Jugendliche randalierten, offenbar frustriert durch einen Mangel an Perspektiven.

In dem Balkanland leben mehrere Hunderttausend Roma, Schätzungen des Europarats zufolge 750.000. Bis auf wenige Ausnahmen leben sie in bitterster Armut und ohne Aussicht auf Besserung ihrer Lage. Aufstieg und wirtschaftlicher Erfolg bleiben den meisten von ihnen ihr Leben lang verwehrt. Wie vielerorts in Osteuropa leben die Roma in Bulgarien in erbärmlichen Gettos, beherrscht von Arbeitslosigkeit, Trostlosigkeit und Kriminalität.

Inzwischen hat sich auch die orthodoxe Kirche in Bulgarien zu Wort gemeldet und nach den Ausschreitungen vor ethnischen Spannungen gewarnt. "Das Ausmaß der Aktionen zeugt von einer gewaltigen Anhäufung von Zorn und Hass im Volk", heißt es in einer Botschaft des Heiligen Synods der christlich-orthodoxen Kirche. In Sofia wurde ein Bittgebet für Frieden abgehalten.

In drei Wochen sind Wahlen

Drei Wochen vor der Wahl hat Ataka-Chef Wolen Siderow seine Anhänger aus dem ganzen Land zu den Protesten nach Sofia beordert.

Drei Wochen vor der Wahl hat Ataka-Chef Wolen Siderow seine Anhänger aus dem ganzen Land zu den Protesten nach Sofia beordert.

(Foto: dpa)

Politologen sehen die ethnischen Spannungen in Zusammenhang mit den Präsidentschafts- und Kommunalwahlen am 23. Oktober. Die nationalistischen Parteien, die immer mehr Zulauf erhalten, würden den Konflikt bewusst instrumentalisieren, heißt es. Die derzeitige Regierung Bulgariens unter Premier Bojko Borissow ist eine Minderheitsregierung und hält sich nur mit Unterstützung der Rechtsaußen-Partei Ataka.

Bulgarien wird von der EU-Kommission immer wieder für Korruption und Misswirtschaft gerügt. Wegen mangelnder Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung kürzte die EU 2008 die Fördergelder. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International landete Bulgarien im Vorjahr auf Platz 73 von weltweit 180 und verbucht damit das schlechteste Ergebnis innerhalb der Europäischen Union gemeinsam mit Rumänien und Griechenland.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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