Politik

Erinnerung an ALG I Rüttgers entfacht Renten-Streit

Mit seiner Forderung nach mehr Rente für Geringverdiener hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) einen neuen Richtungs-Streit in der Union ausgelöst. Kanzlerin Angela Merkel, Unions-Fraktionschef Volker Kauder und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger bezogen deutlich Stellung gegen Rüttgers.

Rüttgers hat die Rückendeckung der Spitze des mächtigen NRW-Landesverbands und von CSU-Vize Horst Seehofer. Die übrige CSU-Spitze lehnt den Rüttgers-Vorstoß ab.

Berichten zufolge fühlen sich CDU-Vorstandsmitglieder an die Kontroversen erinnert, die Rüttgers vor zwei Jahren mit seinem Vorstoß für eine Erhöhung des Arbeitslosengelds I ausgelöst hatte. In der SPD wurde von einem "billigen Trick" gesprochen. In Braunschweig demonstrierten rund 2000 Senioren für eine höhere Rente. Die Aktion soll künftig jeden Montag wiederholt werden.

Der Vorschlag

Rüttgers schlägt eine höhere Rente für mehr Beitragsjahre nach dem Vorbild des Arbeitslosengeldes I vor. Wer lange in die Rentenkasse einzahle, müsse mehr Rente bekommen als nur die Grundsicherung, lautet die Position. Derzeit würden Arbeitnehmer, die etwa 35 Jahre lang geringe Beträge eingezahlt hätten, vielfach eine Rente bekommen, die nicht höher als die Grundsicherung sei. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende hat aber bislang keine Gegenfinanzierung präsentiert.

Die Reaktionen

Für die Kanzlerin lehnte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg den Vorschlag strikt ab. Es gebe dazu die "klare Position" der Regierung, "am bewährten System festzuhalten", sagte er. Die Höhe der Rente sei abhängig von der Höhe der Beiträge und nicht von der Länge der Zahldauer. Andernfalls seien "exorbitante Steuerzuschüsse" nötig.

Oettinger bezeichnete den Vorstoß als abwegig. "Die CDU sollte alles tun, damit nicht durch ständige Veränderungen an den Grundprinzipien der Rente das Vertrauen in die Rente insgesamt für alle Beteiligten sinkt", sagte er.

Kauder gab dem Vorschlag in der ARD keine großen Chancen. Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) stimmte Rüttgers hingegen teilweise zu. Altersarmut sei vor allem in den neuen Bundesländern eine "reale Gefahr", sagte er im Deutschlandfunk.

Gegenwind kam aus der CSU. Das jetzige Rentensystem habe sich "gerade unter Gerechtigkeitsaspekten" bewährt, betonte Generalsekretärin Christine Haderthauer. Seehofer sprach hingegen im "Münchner Merkur" von einem "erwägenswerten Vorschlag".

Geteiltes Echo in der SPD

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Wenn Rüttgers wirklich etwas für die Renten tun wollte, müsste er alle Anstrengungen für auskömmliche Löhne und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unternehmen."

Zustimmung erhielt Rüttgers vom SPD-Linken Ottmar Schreiner. "Wer mehrere Jahrzehnte gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, muss eine Rente erhalten, die deutlich oberhalb der sozialen Grundsicherung liegt", sagte Schreiner der "Passauer Neuen Presse".

Die FDP lehnte den Plan ab, die Linke stimmte ihm hingegen zu. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte in der "Rheinischen Post": "Der laufende Überbietungswettkampf bei sozialen Wohltaten muss sofort gestoppt werden."

Der Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, verteidigte Rüttgers Rentenpläne. "Nach einem arbeitsreichen Leben darf niemand zum Bittsteller bei Vater Staat werden. Dafür muss die Politik Sorge tragen", unterstrich Laumann, der zugleich Arbeitsminister in NRW ist.

Rüttgers hatte bereits Anfang April für seinen Vorstoß im Vorstand der NRW-CDU Rückendeckung erhalten. In einer Sitzung votierten alle anwesenden Vorstandsmitglieder für den Plan, hieß es. Auch der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, und der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sowie Kanzleramtsministerin Hildegard Müller hätten teilgenommen. Die Renten-Vorschläge sollen auf einem Landesparteitag am 14. Juni in Dortmund beschlossen werden.

SPD an Rüttgers Seite

Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Ottmar Schreiner, unterstützt dagegen Rüttgers Modell. "Wer lange in die Rentenkasse eingezahlt hat, muss mehr Rente bekommen als nur die Grundsicherung", so Schreiner. Die Mindestrente müsste nach seinem Dafürhalten bei rund 800 Euro monatlich liegen. "

Schreiner plädierte zugleich dafür, alle Einkommensbezieher an Zahlungen in die gesetzliche Rentenkasse zu zwingen. Alle, auch Selbstständige, sollten Beiträge zahlen. Er verwies er auf das Rentensystem der Schweiz, wo jeder beitragspflichtig sei. Außerdem werde dort die Rentenhöhe gedeckelt. Der Sozialausgleich sei damit größer als hierzulande.

Quelle: ntv.de

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