Politik

Bilanz eines Militäreinsatzes Russland kämpft seit einem Jahr in Syrien

Seit einem Jahr im selben Team: Baschar al-Assad und Wladimir Putin.

Seit einem Jahr im selben Team: Baschar al-Assad und Wladimir Putin.

(Foto: dpa)

Vor einem Jahr greift Russland in den Syrien-Konflikt ein. Schnell wird aus Moskaus selbsterklärtem Kampf gegen den Terror an der Seite des syrischen Machthabers ein massiver Militäreinsatz. Der russische Einfluss auf der Weltbühne wächst.

Kremlchef Wladimir Putin setzte am 30. September 2015 russische Kampfbomber zu einem offiziellen Einsatz in Syrien in Bewegung. Präsident Baschar al-Assad habe um diese Hilfe gebeten, teilte der Oberbefehlshaber mit. Damit beginnt die erste Militäraktion des Kremls außerhalb der ehemaligen Sowjetunion seit Ende des Kalten Krieges. Ein paar Fragen und Antworten im Überblick.

Was hat Russland aus eigener Sicht bisher in Syrien erreicht?

Mit seinem Eingreifen hat der Kreml den Kriegsverlauf maßgeblich beeinflusst. Russland verhalf seinem Verbündeten Baschar al-Assad etwa in der Oasenstadt Palmyra zu militärischem Erfolg;  Moskaus Einfluss im Nahen Osten ist fester verankert.

Präsident Putin hat sich zudem als Kämpfer gegen den Terrorismus inszeniert und Russland zurück auf die diplomatische Weltbühne geholt. "Moskau ist als Akteur im Nahen Osten wichtiger geworden", sagt der Politologe Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie Center. Vorwürfe, Russland vergrößere das Leid der Zivilbevölkerung und sorge für noch mehr Flüchtlinge, weist Moskau zurück.

Wie lange will der Kreml das Engagement fortsetzen?

Ein russischer Militärhubschrauber patroulliert über der antiken Oasenstadt Palmyra.

Ein russischer Militärhubschrauber patroulliert über der antiken Oasenstadt Palmyra.

(Foto: dpa)

Auf unbestimmte Zeit möchte sich Russland nicht in den Krieg hineinziehen lassen. Das Trauma des Afghanistan-Feldzugs, bei dem etwa 15.000 Sowjetsoldaten starben, ist sehr präsent. Der Kreml lotet daher auch Chancen für eine politische Lösung aus. In Genf nimmt Außenminister Sergej Lawrow an Gesprächen über Feuerpausen teil.

"Klar ist aber, dass Moskau nur eine russlandfreundliche Führung in Syrien dulden will", sagt der russische Militärexperte Pawel Felgenhauer. "Seine Militärbasen möchte der Kreml nicht verlieren."

Hat Russland wirklich Interesse an einer diplomatischen Lösung?

Moskau stimme mit Washington überein, dass der Krieg militärisch nicht zu gewinnen sei - das betont Minister Lawrow bei Treffen mit UN-Vermittler Staffan de Mistura immer wieder. Nahost-Experten wie Wladimir Frolow stellen das in Frage. Er deutet Russlands jüngste Handlungen als Hinweis, dass einige in Moskau den Krieg für gewinnbar halten könnten. Dazu passt die angekündigte Verlegung des Flugzeugträgers "Admiral Kusnezow" vor die syrische Küste.

Welche politischen Rückschläge gibt es bisher für das Riesenreich?

Der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein US-amerikanischer Kollege John Kerry diskutieren regelmäßig über eine politische Lösung für Syrien - bisher ohne Erfolg.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein US-amerikanischer Kollege John Kerry diskutieren regelmäßig über eine politische Lösung für Syrien - bisher ohne Erfolg.

(Foto: imago/Lukas Barth)

Nicht erst nach der Zerstörung eines UN-Hilfskonvois nahe Aleppo wird massive Kritik an Russland laut. Als Moskau die Vorwürfe zurückweist, sagt US-Außenminister John Kerry: "Ich habe meinem Kollegen aus Russland zugehört und fühlte mich (...) wie in einem Paralleluniversum."

Auch Moskaus Plan, durch ein Engagement in Syrien die westliche Isolation wegen der Ukraine-Krise aufzuweichen, schlug bisher fehl. Dem russischen Militärexperten Michail Chodarenko zufolge wächst im Kreml zudem die Ernüchterung über die syrische Armee. Seit Monaten verzeichne sie keinen großen Erfolg, schrieb Chodarenko bei dem Internetportal Gaseta.ru. "So werden Kriege nicht gewonnen."

Wie sieht Russlands Bevölkerung den Einsatz in dem entfernten Land?

Ein großer Teil blickt skeptisch auf das Engagement. Zustimmung, wie etwa bei Russlands Einmischung in der Ukraine, gibt es nicht. Putin weiß, dass der Syrien-Krieg zuerst zu Hause gewonnen werden muss. "Unsere Soldaten sind nicht in Gefahr", betont der Oberbefehlshaber.

Bilder von zivilen Opfern durch die verheerenden Fassbomben sind in den Staatsmedien kaum zu sehen. Es wirkt oft wie ein Krieg ohne Tote.

Wie viele eigene Opfer zählt Moskau?

Moskauer Medien zufolge kamen bisher etwa 20 russische Soldaten in Syrien ums Leben. Allerdings tötete eine Bombe im Herbst 224 Menschen an Bord eines russischen Urlaubsfliegers auf dem Rückweg von Ägypten. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) übernahm die Verantwortung und begründete das Attentat auch mit Russlands Engagement im Nahen Osten.

Was kostet der Einsatz?

Schätzungen zufolge kostet der Krieg Russland täglich drei Millionen Euro. Gut angelegtes Geld, findet wohl der Rüstungsmonopolist Rosoboronexport. Durch den Militäreinsatz sei das Interesse an russischen Waffen weltweit gewachsen, die Auftragsbücher seien voll, sagte Vizegeneraldirektor Sergej Goreslawski der Agentur Interfax.

Mit welcher Schlagkraft ist Russland in Syrien?

Auch nach einem angeblichen Teilabzug im März verfügt der Kreml in Syrien weiter über ein mächtiges Arsenal. Schätzungen zufolge hat Russland in Militärbasen etwa 4000 Soldaten zusammengezogen.

Bereits seit 1971 nutzt Moskau den Hafen von Tartus als einzigen Stützpunkt im Mittelmeer. Vor der Küste ankern weitere Kriegsschiffe. Kampfjets, Hubschrauber und moderne Flugabwehrsysteme sind in einer Militärbasis in der Provinz Latakia stationiert. Zusätzlich fliegen strategische Bomber vom Typ Tupolew Tu-160 von Russland aus massiv Einsätze.

Warum hat sich Russland eigentlich in den Krieg eingemischt?

Putin hatte die Luftangriffe mit einem Präventivschlag begründet. Terroristen müssten in Syrien getötet werden, bevor sie nach Russland kämen, hieß es. "Die Sicherheit Russlands wird auch in Syrien verteidigt", meinte Regierungschef Dmitri Medwedew.

Russland möchte die syrischen Bevölkerung nach eigenen Angaben "selbst über Assad bestimmen" lassen. Strategisch hatte der Kreml eingegriffen, um das verbündete Regime zu stabilisieren und sich eine bessere Machtposition im Nachkriegssyrien zu sichern.

Quelle: ntv.de, Von Wolfgang Jung, dpa

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