Noch mehr Mindestlöhne SPD drückt aufs Tempo
21.06.2008, 19:00 UhrNach dem Mindestlohn-Kompromiss auf dem Bau will die SPD jetzt auch in weiteren Branchen schnell eine Lohn-Untergrenze durchsetzen. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) kündigte einen baldigen Beschluss des Bundeskabinetts an. Die Union besteht allerdings auf Änderungen am vorliegenden Entwurf.
Derzeit befinden sich die Pläne in der Abstimmung zwischen den Ministerien. Widerstand kommt vor allem von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Massive Kritik an der geplanten Regelung gab es auch vom Vorsitzenden der "Wirtschaftsweisen", Bert Rürup.
Scholz sagte im RBB-Inforadio: "Wir haben uns sehr weit vorwärts bewegt bei der Lösung der Frage, wie wir die Beschlüsse vom Sommer letzten Jahres in der Koalition umsetzen." Unter den beteiligten Ressorts habe man eine Verständigung erzielt, wie die Gesetzestexte aussehen sollen. Glos' Forderung, dass bei konkurrierenden Tarifverträgen stets den mit dem niedrigeren Lohn für allgemeinverbindlich zu erklären, wies der SPD-Politiker als "verfassungswidrig" zurück.
Baugewerbe nimmt Schlichterspruch an
Die Tarifparteien des Baugewerbes hatten sich in einem Schlichtungsverfahren in Königswinter bei Bonn darauf verständigt, die beiden Mindestlöhne in Ostdeutschland beizubehalten. Im Unterschied zum Westen werden sie aber nicht erhöht. Der Kompromiss wurde am späten Freitagabend unter Beteiligung des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) ausgehandelt. Der Bau war 1997 in Deutschland die erste Branche, in der Mindestlöhne eingeführt wurden. Einen allgemeinen Mindestlohn lehnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Unionsparteien strikt ab.
Nach dem Entwurf zum Entsendegesetz ist nun geplant, dass bei konkurrierenden Tarifverträgen jener für den Mindestlohn maßgeblich sein soll, der die meisten Beschäftigten einer Branche bindet. Dies sind in der Regel die - höheren - Tarifvereinbarungen der DGB-Gewerkschaften. Das Wirtschaftsministerium fordert jedoch, dass dann der niedrigste Lohn gilt.
Weitere Branchen sollen folgen
SPD-Chef Kurt Beck verteidigte die Mindestlohn-Pläne mit den Worten, die Menschen dürften nicht mit "Billiglöhnen" abgespeist werden. "Arbeit, die gut gemacht wird, muss ausreichen, um ein ordentliches Leben zu führen", sagte er auf einem SPD-Landesparteitag in Berlin. Die SPD will Mindestlöhne in möglichst vielen Branchen einführen. Die Entscheidung, in welchen Branchen er tatsächlich kommt, soll aber erst in einer Arbeitsgruppe der Koalition fallen.
Kompromiss ist "Kuddelmuddel"
Der "Wirtschaftsweisen"-Vorsitzende Rürup bezeichnete den zwischen Arbeitsministerium und Bundeskanzleramt ausgehandelten Kompromiss als "Kuddelmuddel". "Das ist nur ein Vorgeschmack auf das Chaos, das wir vor uns haben - und zwar weil die Politik nicht die Kraft für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn hatte", sagte Rürup. Jetzt zeichne sich "ein Flickenteppich von branchenspezifischen Mindestlöhnen ab, die im Ergebnis sicher schlechter sind als ein moderater allgemeiner Mindestlohn".
Quelle: ntv.de