Parteitag während Haushaltskrise SPD fordert Aussetzung der Schuldenbremse 2024
09.12.2023, 14:54 Uhr Artikel anhören
Kanzler Scholz lässt sich von der seiner SPD den Auftrag geben, das Thema Schuldenbremse in den Haushaltsverhandlungen erneut auf den Tisch zu legen.
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Zur Lösung der anhaltenden Haushaltskrise fordert die SPD geschlossen eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse im neuen Jahr. Auf ihrem Parteitag verabschieden die Sozialdemokraten einen entsprechenden Antrag. Bundeskanzler Scholz verspricht eine Lösung des Haushaltsstreits.
Vor dem Hintergrund der weiter ungelösten Haushaltskrise fordert die SPD nun geschlossen die erneute Aussetzung der Schuldenbremse 2024. Auf ihrem Bundesparteitag in Berlin nahmen die Delegierten einstimmig einen entsprechenden Antrag an, nachdem zuvor schon verschiedene SPD-Politiker die Erklärung der Notlage im kommenden Jahr gefordert hatten. Der Antrag war kurz vor einer Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz vom Parteivorstand eingebracht worden.
Die Sozialdemokraten begründen ihren Vorstoß mit den Folgen des anhaltenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine. Der weitere Verlauf des Krieges entziehe sich nicht nur der Kontrolle des deutschen Staates, "sondern beeinträchtigt erheblich die Finanzlage des Bundes und weiterer öffentlicher Haushalte", heißt es in dem Antrag. "Politisch ist damit aus unserer Perspektive die Voraussetzungen für eine Notsituation gegeben, die eine erweiterte Kreditaufnahme zur Bewältigung der mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verbundenen Folgen ermöglicht".
Fünfte Aussetzung in Folge?
Die Bundesregierung sucht derzeit nach einem Weg, eine Lücke von 17 Milliarden im Haushaltsentwurf 2024 zu stopfen. Zudem fehlt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse eine beträchtliche Milliardensumme im Klima- und Transformationsfonds. Auf dem Bundesparteitag warnten diverse Redner, dass der Staat auch weiterhin in der Lage sein müsse, den Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität, den Erhalt und die Ansiedlung von Schlüsselindustrien sowie die Unterstützung der Ukraine zu finanzieren, ohne Sozialausgaben zu kürzen.
"Verfassungsrechtlich vorgegebene Spielräume für den Haushalt müssen deshalb im Sinne der Bevölkerung genutzt werden", so der Initiativantrag weiter. Das Grundgesetz sieht eine Aussetzung der Schuldenbremse nur in "Notsituationen" vor, die den Staatshaushalt erheblich beeinträchtigen. Zudem muss die Notlage nach dem Urteil aus Karlsruhe vom 15. November jedes Jahr aufs Neue erklärt und begründet werden. Die Bundesregierung hatte die Schuldenbremse in den Jahren 2020 bis 2022 wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt sowie 2022 zusätzlich zur Finanzierung der Gaspreisbremse. Im laufenden und kommenden Jahr wollte Bundesfinanzminister Christian Lindner wieder eine Einhaltung der Schuldenbremse sicherstellen.
Da das Urteil aus Karlsruhe indirekt auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zur Finanzierung der Energiepreisbremsen betraf, war ein Nachtragshaushalt 2023 nötig geworden, in dem die Bundesregierung erneut eine Notlage feststellte. Nun ringen SPD und Grüne mit der FDP, das auch im kommenden Jahr zu tun, was die Freidemokraten bislang entschieden ablehnen.
Zeit läuft ab
In seiner Grundsatzrede sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Vormittag, dass Deutschland in seiner finanziellen und militärischen Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen werde. Die Bundesregierung müsse jedoch "Entscheidungen treffen, die uns in der Lage halten, das tun zu können", sagte Scholz mit Blick auf die Schuldenbremse. "Es wird in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaats in Deutschland geben", sagte Scholz. Die Bundesregierung stehe "nicht vor unlösbaren Aufgaben". Es werde gelingen, eine gute Lösung zu finden. Zudem seien die Herausforderungen des Klimawandels real, weshalb kein Weg am Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität vorbeiführe. Entsprechende Vorhaben sollten aus dem KTF finanziert werden, dem aber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in den kommenden Jahren 60 Milliarden Euro fehlen.
Auch die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken sprach sich im Anschluss an die Rede des Bundeskanzlers für die Aussetzung der Schuldenbremse im kommenden Jahreshaushalt aus. "Wir können nicht Krisenbewältigung aus dem Normalhaushalt stemmen", sagte Esken. Daher müsse die Ausnahmeregel der Schuldenbremse nochmals gezogen werden. Derzeit verhandelt Scholz mit Lindner und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck über eine Lösung der Haushaltskrise.
Das ursprüngliche Vorhaben, den Haushalt noch im laufenden Jahr zu verabschieden, mussten die Ampelparteien am Donnerstag kassieren. Nun soll zumindest noch eine politische Einigung gelingen, damit die sogenannte Bereinigungsvorlage noch vor Weihnachten dem Haushaltsausschuss vorliegt. Dieser hätte dann genügend Zeit, in zu beraten, sodass eine Verabschiedung in der ersten Januarhälfte gelingen könnte. Allerdings wird auch hierfür die Zeit knapp: Scholz, Habeck und Lindner treffen sich erst am Sonntag wieder zu persönlichen Gesprächen. Am Mittwoch gibt Scholz vor dem EU-Gipfel eine Regierungserklärung im Bundestag ab, bevor er anschließend nach Brüssel reist. Eine Einigung müsste demnach in der Nacht zu Mittwoch gelingen.
Quelle: ntv.de