Bundeswehr-Einsatz im Inland SPD macht Rückzieher
11.11.2008, 09:38 UhrEin SPD-Rückzieher nach dem Kompromiss zum Bundeswehreinsatz im Inland belastet das Klima in der Großen Koalition. Die Sozialdemokraten ließen damit ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Peter Struck "im Regen stehen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions- Fraktion, Norbert Röttgen (CDU), in Berlin. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will das Thema notfalls im Bundestagswahlkampf aufgreifen.
Eine SPD-Arbeitsgruppe unter Leitung von Struck und Justizministerin Brigitte Zypries hatte sich darauf verständigt, dass Bundeswehr-Einsätze im Inland künftig nur in zwei eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig sein sollen: Zur Abwehr von drohenden Gefahren aus der Luft oder von See. Ein Fraktionssprecher erklärte dazu, die SPD wolle mit der Union weiter über die genauen Formulierungen sprechen.
Bedenken über Einsatz am Boden
Anfang Oktober hatten sich Union und SPD im Koalitionsausschuss zunächst darauf verständigt, dass die Bundeswehr zur Abwehr extremer Gefahren auch im Inland mit Waffengewalt eingreifen darf, wenn die Polizei mit eigenen Mitteln nicht weiterkommt. Dazu sollte der Artikel 35 des Grundgesetzes geändert werden. Nach dieser Vereinbarung sollten Bundeswehr-Einsätze auch bei Zwischenfällen am Boden gestattet werden. Dies war jedoch auf starke Bedenken bei SPD-Innenpolitikern gestoßen.
"Einsätze der Bundeswehr im Inland soll es nur zur Abwehr unmittelbar drohender Gefahren aus der Luft oder von See geben", sagte der dem SPD-Präsidium angehörende Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, der Innenpolitiker Ralf Stegner, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Anderenfalls würde die in Deutschland bewährte Trennung von innerer und äußerer Sicherheit verwischt."
"Dann eben mit der FDP"
Verteidigungsminister Jung betonte in Berlin: "Wir haben uns sehr lange gemeinsam bemüht, um hier zu einer Entscheidung zu kommen." Der Kompromiss im Koalitionsausschuss "war eine gute Vereinbarung. (...) Dass sich die SPD davon verabschiedet, bedauere ich sehr." Er werde für Bundeswehreinsätze im Inneren "auch gegebenenfalls im Rahmen einer Wahlauseinandersetzung" eintreten. Es gebe eine Perspektive für eine Mehrheit von Union und FDP bei der Bundestagswahl 2009 – dann werde man weitersehen.
Mehrheit nicht gesichert
Allerdings hatte die SPD im Oktober mit Blick auf die FDP darauf verwiesen, dass die Union für die vorgesehene Änderung im Bundesrat gar keine Mehrheit habe. Wichtige CDU-geführte Länder wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Niedersachsen würden wegen des Widerstands des Koalitionspartners FDP dem Bundeswehr-Einsatz im Inneren nicht zustimmen.
Herausforderungen des internationalen Terrorismus müssten mitbedacht werden, wenn es um den Schutz des eigenen Landes gehe, sagte Jung. Eine strikte Trennung von äußerer und innerer Sicherheit sei nicht mehr möglich. Wenn die Fähigkeiten der Polizei zur Abwehr von Angriffen aus der Luft, von See und gegebenenfalls auch vom Boden auf Deutschland nicht ausreichten, müsse die Bundeswehr eingesetzt werden können.
Die Grünen begrüßten dagegen die "Umkehr" der Sozialdemokraten. Damit seien die Pläne von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine "militarisierte Innenpolitik" erledigt, erklärte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck.
Quelle: ntv.de