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Diskussion sei nicht neu SPD weist Bericht zurück: Pflegegrad 1 bleibt

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Der Pflegegrad 1 wurde 2017 eingeführt.

Der Pflegegrad 1 wurde 2017 eingeführt.

(Foto: IMAGO/Seeliger)

Ein Bericht erweckt den Eindruck, Union und SPD würden planen, den Pflegegrad 1 abzuschaffen. Dagegen wehren sich die Sozialdemokraten: Die Debatte darüber sei älter als die Koalition selbst, mit der SPD stünde das Thema jedoch nicht auf der Agenda.

Die SPD hat Überlegungen zu einer möglichen Abschaffung des Pflegegrads 1 klar zurückgewiesen. Als SPD-Fraktion verwahre man sich entschieden gegen Leistungskürzungen in der Pflegeversicherung, teilte der gesundheitspolitische Sprecher Christos Pantazis auf Anfrage mit. Patientenschützer, Sozialverbände und die Grünen warnen ebenfalls vor solchen Gedankenspielen. Die "Bild"-Zeitung hatte berichtet, dass es in der Koalition Überlegungen zur Abschaffung dieses Pflegegrades gebe.

Die Diskussion sei nicht neu, sagte Pantazis. Die Union habe diesen Vorschlag bereits in die Koalitionsverhandlungen eingebracht, die SPD habe ihn klar zurückgewiesen. "Als Verantwortungskoalition haben wir die Pflicht, Orientierung zu geben, statt mit immer neuen Kürzungsdebatten Verunsicherung zu schüren. Denn Verunsicherung ist das Einfallstor für Populisten."

"Wir werden den Menschen nicht über Nacht etwas wegnehmen", stellte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken bei RTL/ntv klar. Ausschließen wollte die Ministerin eine Abschaffung allerdings auch nicht. Das Pflegesystem sei eine große Errungenschaft. "Aber wir müssen jetzt notwendige Änderungen vornehmen, um auch in Zukunft den Menschen noch in gewohntem Umfang helfen zu können und das System generationengerecht zu machen."

Die "Bild"-Zeitung hatte unter Berufung auf führende Politiker von Union und SPD berichtet, dass über eine Abschaffung des Pflegegrads 1 nachgedacht werde. Hintergrund sind demnach die finanziellen Probleme in der Pflegeversicherung. Wie konkret diese Überlegungen sind, ist aber offen - und nach den Äußerungen aus der SPD erscheint es unwahrscheinlich, dass sie weiter vertieft werden.

Finanzierung der Pflegeversicherung soll reformiert werden

Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums verwies auf Anfrage auf eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, die derzeit Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung erarbeitet. Die AG befasse sich umfassend mit allen Einnahmen und Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung. "Dies umfasst unter anderem auch die Pflegegrade und deren Ausrichtung, um weiterhin eine zielgerichtete Versorgung sicherzustellen", so die Sprecherin. Ergebnisse könnten nicht vorweggenommen werden. Erste Zwischenergebnisse seien im Oktober zu erwarten.

Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte vor einer Abschaffung des Pflegegrades 1, der einst eingeführt worden sei, um demenziell erkrankte Menschen in die Pflegeversicherung einzubeziehen. "Wenn die Bundesregierung diesen Pflegegrad abschaffen will, wäre das ein schwerer Schlag für die Betroffenen."

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Abschaffung wäre ein fatales Signal an die Menschen, die von leichten Einschränkungen betroffen sind, und auch an die pflegenden Angehörigen. Vom Sozialverband Deutschland hieß es, Schockvorschläge wie dieser verunsicherten Millionen Pflegebedürftige.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann forderte, die Bundesregierung solle, anstatt an den falschen Stellen Einschnitte zu planen, endlich versicherungsfremde Leistungen aus dem Bundeshaushalt bezahlen und sechs Milliarden Corona-Mehrkosten in die Pflegekassen zurückfließen lassen. Die Pflegeversicherung musste nach Angaben des Spitzenverbandes der Krankenkassen während der Pandemie Milliarden zusätzlich ausgeben, etwa für Tests oder Boni fürs Personal.

Der Linken-Politiker Ates Gürpinar, Vize-Parteivorsitzender und gesundheitspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, sagte zum "Spiegel": "Die Streichung des Pflegegrads 1 trifft die Schwächsten der Gesellschaft." Parteichefin Ines Schwerdtner nannte den Vorstoß im "Tagesspiegel" einen "erneuten Angriff auf die, die den ganzen Tag buckeln und am Ende des Monats nichts mehr übrig haben". Sie schlug vor: "Man müsste endlich Beamte, Abgeordnete und Superreiche verpflichten, in eine gemeinsame Pflegeversicherung einzuzahlen. Doch genau davor drückt sich die Regierung, obwohl sie weiß, dass unten nicht mehr viel zu holen ist."

861.000 Menschen mit Pflegegrad 1

Mit dem Pflegegrad (Stufen 1 bis 5) wird der jeweilige Unterstützungsbedarf pflegebedürftiger Menschen festgelegt, unter anderem abhängig davon, wie selbstständig jemand im Alltag etwa beim Anziehen, Toilettengang oder der Verpflegung noch ist. Pflegegrad 1 steht für geringe Beeinträchtigungen, Pflegegrad 5 für einen sehr hohen Unterstützungsbedarf. Laut Bundesgesundheitsministerium hatten Ende 2024 rund 4,8 Millionen Menschen einen Pflegegrad, davon 861.000 Pflegegrad 1.

Bei Pflegegrad 1 bekommen pflegende Angehörige kostenfreie Pflegekurse. Es gibt finanzielle Zuschüsse zum Beispiel zum Einbau einer barrierefreien Dusche und für Pflegehilfsmittel wie Betteinlagen. Außerdem werden pro Monat bis zu 131 Euro (sogenannter Entlastungsbetrag) erstattet, etwa wenn ein Pflegedienst beim Duschen, Einkaufen oder Wäschewaschen hilft.

Der Pflegegrad 1 war 2017 eingeführt worden. Aus vorher drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade, die eine genauere Einschätzung der Bedürftigkeit ermöglichen sollten. Auch Beeinträchtigungen von Wahrnehmung und Erinnerung, etwa bei Demenz und Probleme in der Alltagsbewältigung werden seitdem besser berücksichtigt.

Quelle: ntv.de, mpa/dpa

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