China protestiert umgehend Sacharow-Preis für Hu Jia
23.10.2008, 18:43 UhrDas Europäische Parlament hat den chinesischen Bürgerrechtler Hu Jia mit dem Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit ausgezeichnet. Hu sei "einer der glühendsten Verteidiger der Menschenrechte in China", sagte Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering bei der Bekanntgabe des Preisträgers. Die Entscheidung sei ein klares Signal der Unterstützung für alle, die sich für die Menschenrechte in China einsetzten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte auf ihrer China-Reise die Auszeichnung für Hu, für dessen Freilassung sich die Bundesregierung immer wieder eingesetzt habe. Der 35-Jährige war im April wegen "Anstiftung zur Subversion gegen die Staatsgewalt" zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Bundestagspräsident Lammerst gratulierte Hu ebenfalls.
Steinmeier fordert Freilassung
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat unterdessen erneut die Freilassung von Hu gefordert. Bundestag und Bundesregierung hätten sich bereits mehrfach dafür ausgesprochen. Steinmeier kündigte in Berlin zudem an, am 4. November den Menschenrechtsdialog mit China fortsetzen zu wollen. "Ich bitte die chinesische Regierung, aus diesem Anlass die Möglichkeit einer Haftverschonung (für Hu) zu prüfen."
Auch die EU-Kommission hat die Verleihung begrüßt. Dies sagte eine Sprecherin der Kommission in Brüssel. "Die EU misst der Freiheit des Denkens große Bedeutung bei. Dies ist ein Eckpfeiler des demokratischen Systems", sagte sie. Auch China habe sich verpflichtet, diese Freiheit zu respektieren.
"Endlich einmal gute Nachrichten"
Hus Frau Zeng Jingyan zeigte sich erfreut über die Ehrung. "Endlich einmal gute Nachrichten", sagte sie in Peking. "Hu Jia wäre sehr glücklich, wenn er davon wüsste." Die 25-Jährige lebt gemeinsam mit ihrer elf Monate alten Tochter unter staatlicher Beobachtung in einer Wohnung in Peking.
Die Grünen-Fraktion des Europäischen Parlaments erklärte, damit werde "die Frage der Menschenrechte wieder ins Zentrum der Beziehungen zwischen der EU und China" gestellt. Der Vizechef der FDP-Fraktion, Alexander Graf Lambsdorff, betonte, die Auszeichnung zeige, dass Europa auch nach den Olympischen Spielen in Peking nicht wegsehe, "wenn Freiheit und Menschenwürde in China bedroht sind".
China protestiert
Die chinesische Regierung bezeichnete Hu, der auch als Kandidat für den diesjährigen Friedensnobelpreis im Gespräch war, als "inhaftierten Kriminellen". Die Ehrung sei eine "grobe Einmischung" in Chinas innere Angelegenheiten und die Unabhängigkeit seiner Justiz. China äußerte seine "starke Unzufriedenheit", dass das Parlament ungeachtet der chinesischen Proteste im Vorfeld den Menschenrechtspreis an Hu Jia verliehen habe. Das Vorgehen verstoße gegen internationale Normen und gegen den Respekt, den Länder sich gegenseitig entgegenbringen sollten.
Merkel zeigte sich in Peking dennoch zuversichtlich, dass die Entscheidung den am Freitag beginnenden EU-Asien-Gipfel nicht belasten werde. Die Beziehungen zwischen beiden Seiten seien insgesamt "von so herausragender Bedeutung", dass das Thema keine Hürde bilden sollte. "Das gehört vielleicht in die Kategorie der Dinge, über die man in China und in den europäischen Ländern unterschiedlicher Meinung ist", räumte sie aber ein.
Schlechter Gesundheitszustand
Hu ist vor allem durch seinen Einsatz für Aids-Kranke im ländlichen China, den Umweltschutz und die Bürgerrechte bekanntgeworden. Auch für Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht Tibets machte er sich stark. Im November sagte Hu per Telefonkonferenz vor dem Unterausschuss des Europaparlaments für Menschenrechte aus. Anschließend wurde er festgenommen. Bereits vor seiner Verurteilung stand er mit Frau und Kind mehrere Monate unter Hausarrest.
Pöttering sagte, Hu leide an einer Leberzirrhose und erhalte nach seiner Kenntnis keine angemessene medizinische Versorgung. Nach Angaben eines Informanten, der Hu im September traf, ist der Gesundheitszustand des Bürgerrechtlers schlecht. Wegen seiner streng vegetarischen Kost könne sich der tief gläubige Buddhist im Gefängnis nicht richtig ernähren. Mindestens einmal sei er in Ketten gelegt und in Einzelhaft gesteckt worden. Hus Briefe an seine Familie würden zensiert, und andere Häftlinge dürften ihm keinen Lesestoff ausleihen, sagte der Informant.
Der Sacharow-Preis wird seit 1988 vom Europäischen Parlament an Persönlichkeiten verliehen, die sich für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen. Er ist nach dem russischen Physiker und Bürgerrechtler Andrej Sacharow (1921-1989) benannt, der 1975 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Quelle: ntv.de