Grund- statt BKA-Gesetz Schäuble will ändern
21.11.2008, 14:13 UhrAngesichts des absehbaren Scheiterns des BKA-Gesetzes im Bundesrat hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) überraschend eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen. Eine Änderung des Grundgesetzes benötigt in Bundestag und Bundesrat jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit und ist damit weitaus unwahrscheinlicher als die Annahme des BKA-Gesetzes durch den Bundesrat.
Schäuble schlug vor, das Grundgesetz so zu ändern, dass künftig auch eine einfache Mehrheit ausreicht. Enthaltungen könnten dann eine Zustimmung nicht mehr verhindern.
Eine entsprechende Initiative habe er mit dem SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper gestartet, sagte Schäuble zum Abschluss der Innenministerkonferenz in Potsdam. Mit dem Vorstoß soll sich die Föderalismuskommission befassen. Heftiger Widerspruch kam von der FDP und den Grünen.
Enthaltung wirkt wie ein Nein
Nach den geltenden Verfassungsregeln fasst der Bundesrat seine Beschlüsse mit der absoluten Mehrheit seiner Stimmen. Die Länder haben je nach Größe zwischen drei und sechs Stimmen. Eine relative Mehrheit wie im Bundestag ist nicht vorgesehen. Eine Enthaltung wirkt damit wie ein Nein. Bei insgesamt 69 Stimmen sind für eine Mehrheit mindestens 35 Stimmen nötig. Viele Enthaltungen können dies verhindern. Dies zeichnet sich im aktuellen Streit über das BKA-Gesetz ab. Das Bundesinnenministerium bestreitet allerdings, dass dies der Anlass für die Initiative ist.
Nach dem Vorstoß von Schäuble und Körper, die beide der Föderalismuskommission angehören, sollen im Bundesrat künftig nur Ja- und Nein-Stimmen zählen. Gäbe es beispielsweise 12 Enthaltungen, würden diese von den 69 Stimmen abgezogen. Bei den verbleibenden 57 Stimmen würde die Mehrheit bei 28 Stimmen liegen. "Die Gefahr der Blockaden durch Bundesratsmehrheiten gegenüber dem Bundestag würde verringert", heißt es zur Begründung in dem Brief Schäubles und Körpers an die Föderalismuskommission. Der Vorschlag ist laut Innenministerium bereits in der Föderalismuskommission I diskutiert, dort aber nicht weiter verfolgt worden.
Mehr Koalitionen machen Probleme
Er wolle, dass sich die Länder wirklich mit einem Konfliktthema beschäftigen und nicht sich automatisch enthalten, wenn keine Einigung zustande kommt, erläuterte Schäuble seinen Vorstoß. Damit könne verhindert werden, dass es in der Länderkammer eine "Mehrheit von Enthaltungen" gibt. "Der jetzige Zustand bedarf der Debatte." Schäuble verwies auf die zunehmende Zahl von Koalitionsregierungen in den Ländern. Gibt es dort keine Einigung, muss sich das Land nach den Koalitionsabsprachen im Bundesrat enthalten.
Auch Körper kritisierte den jetzigen Zustand. Die vorgesehenen Enthaltungen führten zur Nicht-Entscheidung. "Wir müssen regierbar bleiben", sagte der SPD-Fraktionsvize der Deutschen Presse-Agentur.
Grüne fordern Schäubles Rücktritt
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) kritisierte den Vorstoß: "Wir dürfen das Grundgesetz nicht nach Belieben passend machen", sagte Wolf. Für Gesetze brauche man Mehrheiten. Man dürfe nicht über Verfahrensregeln eine jahrzehntelange Praxis aushebeln. Die FDP werde das nicht mittragen.
Die Grünen forderten Schäubles Rücktritt. "Dieser Minister hat entweder die Demokratie nicht verstanden, oder er will sie abschaffen", sagte Fraktionschefin Renate Künast. "In beiden Fällen ist er als Innenminister untragbar."
Eine Änderung des Grundgesetzes fordert Schäuble bereits seit Jahren für den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Eine Einigung dazu in der Koalition wurde später von der SPD widerrufen. Auch beim Streit um das Luftsicherheitsgesetz hatte Schäuble eine Grundgesetzänderung gefordert, um den Abschuss einer entführten Passagiermaschine zu ermöglichen.
Quelle: ntv.de