Politik

Länder sollen Gesetz umsetzen Scholz macht Druck bei Pflege-Impfpflicht

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In der Union will man sich bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mancherorts noch Zeit lassen. Nicht nur Bayerns Ministerpräsident Söder möchte das Gesetz nicht wie geplant umsetzen, auch sein saarländischer Amtskollege Hans zögert. Beim Kanzler stößt das auf Unverständnis.

Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet von den Bundesländern die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. "Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden", sagte Scholz laut Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner im Kabinett. "Das ist einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems", habe der Kanzler hinzugefügt.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte zuvor angekündigt, die Impfpflicht für Pflegeeinrichtungen nicht wie geplant Mitte März umzusetzen; er begründete dies mit ungeklärten Fragen. Sie sei in der jetzigen Form nicht umsetzbar, der Bund müsse nachbessern, argumentierte er am Dienstag. CDU-Chef Friedrich Merz hatte die Aussetzung in ganz Deutschland gefordert.

Vizeregierungssprecher Büchner verwies darauf, dass es die Länder gewesen seien, die den Bund im vergangenen Jahr "explizit" zur Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht aufgefordert hätten. Daraufhin hätten Bundestag und Bundesrat im Dezember das Gesetz dazu verabschiedet, für die Umsetzung seien nun die Länder zuständig. Das Bundesgesundheitsministerium sei derzeit mit den Ländern im Gespräch, "um eine einheitliche und pragmatische Umsetzung sicherzustellen", sagte Büchner.

"Starkes Stück": SPD kritisiert Söder

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warf Söder wegen der angekündigten Aussetzung der Regelung derweil im Bayerischen Rundfunk "Parteipolitik auf dem Rücken der Schwächsten" vor. Wiese bezeichnete es als "starkes Stück", dass Söder "den Pflegekräften einfach in den Rücken fällt, die sich haben impfen lassen". Dies sei die übergroße Mehrheit. Er betonte zugleich: "Für die praktische Umsetzung vor Ort müssen noch Detailregelungen getroffen werden." Jenen, die das Gesetz in den Kommunen umsetzen müssen, solle Rechtssicherheit gegeben werden.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hatte sich zuvor wie Söder dafür ausgesprochen, das Gesetz vorerst nicht anzuwenden. Der CDU-Politiker warnte in den ARD-"Tagesthemen" am Dienstagabend vor einem "unverantwortlichen Verschiebebahnhof der Pflegekräfte, die dann in anderen Ländern möglicherweise arbeiten". Damit sei den zu schützenden Personen nicht geholfen. Er verwies darauf, dass sich seit der Zustimmung seiner Partei zu dem Gesetz im Dezember einiges verändert habe. Die Omikron-Variante betreffe nun auch dreifach geimpfte Menschen. Dadurch sei die "Fremdschutzwirkung nicht mehr so gegeben", wie es bei der Delta-Variante gewesen sei.

"Wir können das Land Bayern kaum zwingen, sich an die Absprachen zu halten", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Dienstagabend im ZDF. Er hoffe, dass dies auch nicht notwendig werde und Söder noch einlenke. Söders Schritt gebe "das vollkommen falsche Signal, dass die Proteste der Impfgegner und 'Querdenker' bedeutsamer sind als der Schutz der älteren Menschen", sagte Lauterbach zudem gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Der Rückzieher Söders habe ihn "bestürzt".

"Das schafft Willkür vor Ort"

"Ein Gesetz darf nicht einfach ignoriert werden", sagte auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. "Das schafft Willkür vor Ort, zerstört das Vertrauen in staatliche Regelungen und beschädigt die Verfassung." Brysch verwies zugleich auf die Probleme, die entstehen könnten, "wenn zehntausende Pflegekräften ausfallen und die Gesundheitsämter bei der Umsetzung scheitern".

Ärztekammerpräsident Klaus Reinhardt bekannte sich zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht. "Genauso richtig ist aber auch, dass wir uns keine größere Personalabwanderung aus der Pflege leisten können", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Auf jeden Fall wäre es falsch, Impfunwilligen sofort mit Kündigung zu drohen." Die ungeimpfte Mitarbeiter sollten in einer Übergangsphase dazu bewegt werden, sich doch noch freiwillig impfen zu lassen.

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Die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, Christel Bienstein, kritisierte auf Radio Eins des RBB ebenfalls Söders Alleingang, betonte aber zugleich: "Wir haben sowieso die ganze Zeit schon viel zu wenig Pflegende und das ist über Jahre von der Politik toleriert worden." Es hat sich keiner dafür eingesetzt, dass sich die Situation verbessert. Deswegen könne aber nicht einfach ein Bundesgesetz gebrochen werden, "sondern man muss Maßnahmen treffen".

Das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sieht vor, dass Beschäftigte von Einrichtungen wie Kliniken, Arztpraxen sowie Alten- und Pflegeheimen bis Mitte März eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus nachweisen müssen.

Quelle: ntv.de, mbe/AFP/dpa

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