Politik

Kanzler nach Klausur dünnhäutig Scholz und seine Minister versichern sich ihrer Schaffenskraft

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Habeck, Scholz und Lindner demonstrieren auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Geschlossenheit.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool)

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Zwei Tage zieht sich die gesamte Bundesregierung auf Schloss Meseberg zur Klausurtagung zurück. Am Ende kehrt sie mit neuem Enthusiasmus zurück an die Arbeit, wie Kabinettsmitglieder einhellig bekunden. Einzig der Kanzler ist unzufrieden - und zwar mit der Bewertung seiner Regierungsarbeit.

Neben seinen Aufgaben als stellvertretender Bundeskanzler und Minister für Wirtschaft und Klimaschutz ist Robert Habeck auch der inoffizielle Beauftragte zur Kommunikation der Ampel-Befindlichkeiten. Schließlich scheut er sich so wenig wie kein anderer Spitzenpolitiker, auch über Gefühle zu reden. So ist Habeck es auch, der im Anschluss an die erste Klausur des Ampelkabinetts im Schloss Meseberg der Öffentlichkeit einen Einblick in die enorme Arbeitsbelastung der noch immer neuen Bundesregierung gewährt.

"Vor fünf Monaten haben wir als Regierung einen Start hingelegt, der getragen war von einer Atmosphäre des Aufbruchs", sagt Habeck in seinen einleitenden Worten zur gemeinsamen Abschlusspressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Dann aber sei die Corona-Pandemie mit neuer Wucht zurückgekehrt und wenige Wochen später der Krieg gegen die Ukraine ausgebrochen. "Da muss man nicht drüber hinwegreden: So aufbruchsmäßig war die Stimmung jetzt nicht, sondern geprägt von höchster Konzentration." Eine Entscheidung habe die nächste gejagt. "Die Zeit hat nicht gereicht, um mal einen Gedanken frei zu formulieren." Kurz gesagt: Die ersten Regierungsmonate waren immens stressig.

Dass es vor diesem Hintergrund hilfreich gewesen sein muss, für zwei Tage in Ruhe und geschlossen zusammenzukommen, ist nachvollziehbar. Habeck, Scholz und Lindner haben jedenfalls Kraft geschöpft aus den Gesprächen untereinander sowie mit den geladenen Gästen - Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, ihrer finnischen Amtskollegin Sanna Marin sowie den deutschen Ökonomen Sebastian Dullien und Michael Hüther. "Ich will nicht sagen, dass die Leichtigkeit des Aufbruchs zurückgekommen ist, aber das Anknüpfen an diese Dynamik", sagt Habeck. Der sich eher dem Verzicht auf Gefühlsäußerungen verpflichtet sehende Kanzler spricht von einer sehr erfolgreichen Klausur. Lindner handhabt es eher wie Habeck, als er bekundet, dass auch "herzlich miteinander gelacht worden ist". Denn, so Lindner: "Das gehört auch in schwierigen Zeiten dazu."

Rüffel für Journalisten und Öffentlichkeit

Die Schwierigkeiten liegen dabei nicht allein in den Herausforderungen Krieg, Pandemie und Klimakrise, sondern durchaus auch im internen und öffentlichen Druck auf manch schwerwiegende Entscheidung: Vom Streit über Infektionsschutzgesetz und Impfpflicht über den Rücktritt der Bundesfamilienministerin Anne Spiegel bis hin zur anhaltenden Debatte über das richtige Ausmaß deutscher Waffenlieferungen in die Ukraine hatte das von seiner Geschlossenheit anfangs so begeisterte Regierungsbündnis schon beachtliche Konflikte zu klären. Vor allem die Kritik an Olaf Scholz, zuvorderst vorgetragen von Opposition und Medien, geht diesem erkennbar gegen den Strich.

Trotz Sonnenschein und vorgeblich bester Laune rüffelt Scholz im Verlauf der Pressekonferenz gleich mehrfach Medienvertreter und Teile der öffentlichen Debatte. Als ein Journalist nach Konflikten innerhalb der Koalition zu Scholz' Kommunikationsstil und Waffenlieferungen fragt, sagt Scholz: "Ihre Beobachtungen sind unzutreffend." Kritik an seiner Weigerung nach Kiew zu fahren, nachdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von der Ukraine ausgeladen wurde, hält er ebenfalls für unangebracht. "Ich weiß mich da einig mit fast jedem in Deutschland", degradiert er gegenteilige Äußerungen zur Minderheitsmeinung.

Als ein anderer Fragesteller sich zur möglichen Lieferung der Panzerhaubitze 2000 an die ukrainischen Streitkräfte erkundigt, erläutert Scholz, dass diese gemeint waren, als er vorher über "Artillerie" gesprochen hatte. "Das sind Haubitzen, wenn ich das richtig übersetzen darf - die Geräte, die alle jetzt so faszinieren", sagt er spitz. Der Bundeskanzler hält offensichtlich wenig von der Dynamik der Debatte in den letzten Wochen. Eine Frage nach möglichen weiteren Energiepreis-Entlastungen rügt Scholz ebenfalls: Er hätte diese schon von sich aus erwähnt, wenn es etwas zu verkünden gäbe. Es ist nicht so, dass Scholz' Vorgängerin Angela Merkel alle Medienfragen enthusiastisch beantwortet hätte, aber ihre gelegentliche Missbilligung war dann doch deutlich charmanter verpackt.

Lindner und Habeck geben den Stil vor

Es ist vor allem der Feelgood-Beauftragte Habeck, der zum Bild bester Stimmung beiträgt. Er bedankt sich bei den Ministerien für Umwelt und Justiz, die seinem Haus erst ermöglicht hätten, so schnell ein Flüssiggas-Planungsbeschleunigungsgesetz fertig zu bekommen. "Niemand hat an seine eigenen Ressorts und die eigene Rückversicherung bei den eigenen Milieus gedacht, sondern nur die Aufgabe gesehen und geholfen, sonst wäre das nicht gegangen." Beim Thema Anwerbung russischer Arbeitskräfte beschwört der Grünen-Politiker diesen kooperativen Geist der Zusammenarbeit ebenfalls.

Dass unterschiedliche Sichtweisen kein Ausdruck von Streit sein müssen, stellt auch Christian Lindner heraus, als es um die Frage der von den Grünen geforderten Steuer zur Abschöpfung der Gewinne von Firmen geht, die vom Krieg übermäßig profitieren. "Als für die Steuergesetzgebung fachlich zuständiger Finanzminister möchte ich allerdings vor Ideen einer sogenannten Gewinnsteuer warnen", sagt Lindner in ruhigem Ton und erklärt, dass die Identifizierung solcher Kriegsgewinne in der Praxis unmöglich sei und leicht die Falschen treffen könne. Aus diesen unterschiedlichen Auffassungen einen die Koalition belastenden Dissens zu konstruieren, dürfte selbst der Opposition schwerfallen.

Scholz kann sich durchaus freuen

Zumal die Zusammenkunft im schönen Schloss Meseberg auch dem Zweck gedient hat, dass sich die Koalition auch einmal das Erreichte vor Augen führen konnte. "Wir haben von Herrn Dullien gehört, dass er Berechnungen angestellt hat, wonach diese Entlastungspakete im Schnitt etwa 90 Prozent der Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger, die durch die steigenden Energiepreise, durch die steigenden Lebensmittelpreise eintreten, ausgleichen werden", freut sich Scholz. Der angesehene Ökonom habe gestaunt, wie zielgerichtet die Beschlüsse der Regierung wirkten. Die skandinavischen Sozialdemokratinnen Andersson und Marin hatten bei ihrem Besuch am Montag zudem Deutschlands Führungsrolle im Umgang mit dem Ukraine-Krieg gelobt, erinnert der Bundeskanzler.

Ebenso freut sich Scholz, dass das Kabinett den Weg freigemacht habe zu Errichtung des "Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Transformation", für das er sich schon lange einsetze und auf das sich ostdeutsche Kommunen und Städte demnächst schon bewerben könnten. Auch das von Kulturstaatsministerin Claudia Roth präsentierte "Dokumentationszentrum Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsmacht in Europa" ist beschlossene Sache. "Ich finde, das ist gut, dass das jetzt und zu diesem Zeitpunkt geschieht", sagt Scholz mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Wenn schon nicht die gesamte Öffentlichkeit mit seiner Regierung zufrieden ist, so ist es nach dieser Klausurtagung doch zumindest der Kanzler. Habeck und Lindner haben diesem Eindruck, wie sie beteuern, nichts hinzuzufügen.

Quelle: ntv.de

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