Heizungsgesetz erst im September Einen Streit vermieden, den nächsten in Sicht


Dröge hatte kurz vor der Sommerpause wieder viel zu erklären.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Ampelparteien begründen ihren Verzicht auf eine Sondersitzung des Bundestages zur Verabschiedung des Heizungsgesetzes unterschiedlich. Kurzfristig wurde ein Streit darüber verhindert. Jetzt hängt alles an der Zusage, dass keine der Fraktionen erneut Änderungen fordert.
Zu einem gemeinsamen Statement reicht es dann doch nicht. Termingründe gibt Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge als Ursache dafür an, dass die Spitzenvertreter der Ampel nicht gemeinsam ihre Entscheidung vorstellen, das Heizungsgesetz erst im September zur Abstimmung zu bringen. So stellen sich Dröge, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr einzeln den Medien - binnen einer Stunde.
Und zu erklären haben sie vieles: wie sie den kurzfristigen Stopp des Gesetzgebungsverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht bewerten, wer in der Koalition die Verantwortung dafür trägt, dass es zu diesem Novum gekommen ist, was die Gründe dafür sind, auf die theoretisch mögliche Sondersitzung noch im Juli zu verzichten.
Letzteres begründen die drei dann durchaus unterschiedlich. "Wir haben das auch erwogen", sagt Dröge über eine Sondersitzung noch während der am Samstag beginnenden parlamentarischen Sommerpause, für die die Abgeordneten eigens aus ihrem Urlaub oder ihren Wahlkreisen nach Berlin reisen müssten. "Allerdings sehen wir jetzt schon wieder, dass auch diese Frage einer Sondersitzung zum Gegenstand intensivster und teilweise auch aufgeheizter politischer Debatten wird."
Es sei aber Aufgabe der Fraktionsvorsitzenden, den parlamentarischen Prozess zu schützen, sagt die Grünen-Politikerin - wenige Stunden nachdem die Richter in Karlsruhe genau daran Zweifel angemeldet haben: Eben weil die Ampel-Fraktionen Abgeordnetenrechte verletzt haben könnten, hat das Gericht die Heizungsgesetz-Abstimmung am Freitag verhindert.
Scholz und Habeck einverstanden
Nach Dröge spricht Dürr und bekundet sein Verständnis für das Urteil. "Ich kann das nachvollziehen, denn schließlich haben wir in den Koalitionsfraktionen diesen Gesetzentwurf um 180 Grad gedreht", sagt der FDP-Politiker. Dürr sagt "wir", meint aber vor allem die eigene Partei, wie aus seinen Einlassungen der vergangenen Woche hervorgeht. Am Vormittag hätten sich die Spitzenvertreter aller drei Koalitionsparteien gemeinsam angeschaut, wie Karlsruhe den einstweiligen Stopp begründet. "Karlsruhe hat diesen Hinweis gegeben und wir haben es aufgenommen und gesagt, wir machen es nach der Sommerpause", sagt Dürr. Während dieses Koalitionsgremium noch tagte, hatten FDP-Politiker wie Michael Kruse eine Sondersitzung bereits öffentlich abgelehnt.
Die Begründung der Richter hat aber nicht nur Dröge, sondern auch SPD-Politiker Mützenich anders gelesen als Dürr. "Das Bundesverfassungsgericht hat uns zweimal darauf hingewiesen, dass eine Sondersitzung möglich wäre", sagt Mützenich dem Sender Phoenix. Es sei aber der richtige Weg, erst in der ersten Sitzungswoche Anfang September über das Heizungsgesetz abstimmen zu lassen. Tenor: Wenn es ohnehin dasselbe Gesetz ist, das da kommt, macht ein formaler Beschluss sechs Wochen früher oder später keinen Unterschied.
Bundeskanzler Olaf Scholz lässt derweil ausrichten, er halte die Entscheidung für vernünftig. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärt: "Ich finde das ein gutes Vorgehen." Kanzler und Vize-Kanzler dürfen sich formal nicht mehr in den Gesetzgebungsprozess einschalten, doch ihre Fraktionsvorsitzenden werden sich sicher mit ihnen abgestimmt haben.
Kann FDP Versprechen halten?
Die Verabredung stützt sich nun darauf, dass das Gesetz in der für Freitag geplanten, inhaltlichen Form im September verabschiedet wird. So hätten die Bürgerinnen und Bürger auch jetzt schon so etwas wie Planungssicherheit, argumentieren Dröge, Dürr und Mützenich dann doch unisono. Die Fraktionschefs haben einander versprochen, dass keine ihrer Parteien mehr Änderungswünsche anbringen wird.
Insbesondere für Christian Dürr wird diese Zusage zum Autoritätstest: "Ob es dann noch neue Änderungsbedarfe gibt, das muss man sehen", sagt FDP-Politiker Frank Schäffler am Vormittag im Deutschlandfunk. Er macht seit Monaten Stimmung gegen das Gesetz, begrüßt die Entscheidung aus Karlsruhe und macht die Grünen allein für das höchstrichterliche Stoppzeichen verantwortlich.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki äußert sich im Tagesverlauf ähnlich. Schon während der Aushandlung des finalen Gesetzentwurfs war eine der Hürden, dass innerhalb der FDP-Fraktion die Bereitschaft zur Kompromissfindung mit den Grünen sehr unterschiedlich ausgeprägt war. Nun sind beide Parteien wieder einmal sauer aufeinander, weil sie von der jeweils anderen allein verantwortlich gemacht werden für den Verfahrensstopp. Das Schauspiel fand zu Wochenbeginn unter gleichen Vorzeichen auch beim Thema Elterngeld-Streichung für die obere Mittelschicht statt: Vertreter beider Parteien zeigten öffentlich mit dem Finger aufeinander.
Union will weiter über Heizungsgesetz sprechen
Dass sich diese Stimmung in den Sommermonaten bessert, während hinter den Kulissen erst das ganze Ausmaß des am Mittwoch vorgestellten Haushaltsentwurfs klar wird, im zuständigen Ausschuss Verschiebungen verhandelt werden und im September ein Beschluss gefunden werden muss, scheint unwahrscheinlich. Zumal Unionsfraktionschef Friedrich Merz auf gemeinsame Änderungen dringt. Er wird das Thema oben halten wollen auf der Agenda, schließlich stehen im Oktober Landtagswahlen in Bayern und Hessen an, und das Heizungsgesetz erfreut sich insbesondere bei Immobilieneigentümern sehr geringer Gegenliebe.
Es tritt damit ein, was Grüne und SPD unbedingt hatten vermeiden wollen: Das Heizungsgesetz bleibt bis mindestens vier Wochen vor diesen Wahlen oben auf der öffentlichen Agenda. Das dürfte sich insbesondere auf den Wahlkampf um Hessen auswirken, wo Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Landeswirtschaftsminister Tarek Al-Wazir für SPD und Grüne gegen Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU ins Rennen gehen.
Die vom Bundesverfassungsgericht und auch von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gerügte Eile im Gesetzgebungsverfahren war damit umsonst: Die Bürgerinnen und Bürger wissen weiter nicht mit Sicherheit, was auf sie zukommt, während die politischen Gegner und Teile der FDP weiter gegen das Vorhaben als Ganzes agitieren können. Aber zumindest der Streit über Sinn, Zweck und Kosten einer möglichen Sondersitzung ist an diesem Donnerstag binnen Stunden abgeräumt. Fortsetzung folgt.
Quelle: ntv.de