Politik

Gute Agenda, schlechte Agenda Schröder und Lafontaine im Fernduell

Altkanzler Schröder und sein ehemaliger Finanzminister treten zum zehnten Jahrestag der Agenda 2010 nahezu gleichzeitig in Göttingen auf. Ihr Befund ist höchst unterschiedlich: Während Schröder sagt, seine Agenda habe Deutschland zur "starken Frau" Europas gemacht, sieht Lafontaine die Reform als Mutter allen Unglücks.

Schröder in einem Hörsaal der Uni Göttingen.

Schröder in einem Hörsaal der Uni Göttingen.

(Foto: dpa)

Den sonst so demonstrierfreudigen Studenten in Göttingen scheinen Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine ziemlich gleichgültig zu sein. Eher beiläufig nahmen sie zur Kenntnis, dass die alten politischen Widersacher fast zeitgleich auf dem Campus Bilanz der umstrittenen Agenda 2010 zogen. Der Altkanzler trat im größten Hörsaal der Hochschule als Gast des etablierten "Vereins für Socialpolitik" ans Rednerpult. Lafontaine musste sich bei einer Alternativ-Veranstaltung mit einem kleinen Seminarraum begnügen.

So verschieden der äußere Rahmen, so unterschiedlich war auch die Bilanz, die die früheren politischen Weggefährten zogen. Schröder empfahl seine Agenda als Modell für andere europäische Staaten. Sie sei "auch ein Vorbild dafür, dass sich Reformen lohnen können". Denn die von ihm vor zehn Jahren eingeleitete Agenda sei ein wesentlicher Grund für die aktuelle wirtschaftliche Stärke Deutschlands.

Lafontaine muss sich mit einem Seminarraum begnügen.

Lafontaine muss sich mit einem Seminarraum begnügen.

(Foto: dapd)

"Es wird Sie nicht wundern, dass ich das anders sehe", sagte Lafontaine, der die letzten Minuten von Schröders Rede aus einer der letzten Reihen mitverfolgt hatte. Lafontaine geißelte Schröder - ohne den früheren Kanzler beim Namen zu nennen - als Verantwortlichen dafür, dass es heute vielen Menschen in Deutschland schlechter gehe als vor zehn Jahren.

Es sei ein Trick, immer davon zu sprechen, dass es Deutschland bessergehe. Damit könne man sich "wunderbar an den Problemen vorbeimogeln", welche die Agenda Leiharbeitern, Hartz-IV-Empfängern oder Rentnern beschert habe, sagte der frühere Sozialdemokrat unter dem Beifall der Mitglieder von "Real World Economics". Diese hatten ihn "als Kontrapunkt zu Gerhard Schröder" nach Göttingen gebeten.

Starke Frau, Mutter allen Übels

Während Lafontaine klagte, die Agenda sei verantwortlich dafür, "dass das Unglück in Deutschland größer geworden ist", sieht Schröder sie als eine Art Gesundbrunnen. Deutschland sei - anders als vor den Reformen - nicht mehr der kranke Mann Europas, sondern "so etwas wie die starke Frau" des Kontinents.

"Die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt sind nicht wie Manna vom Himmel gefallen", erklärte der Altkanzler. Sie seien die Folge schmerzhafter Reformen. Der verkrustete und erstarrte Arbeitsmarkt sei flexibler geworden. Deutschland habe sich dabei in den vergangenen zehn Jahren stärker modernisiert als jedes andere europäische Land.

Bei Lafontaine dagegen hörte es sich an, als sei die Agenda 2010 die Mutter allen Unglücks. Der saarländische Linken-Fraktionschef klagte die frühere rot-grüne Bundesregierung an, sie habe damit für gesunkene Löhne und Renten, unzumutbare Leiharbeit und «zerschlagene Sozialsysteme» gesorgt. Schröders Reformen seien von den Unternehmerverbänden entwickelt worden. Und sie hätten dazu geführt, dass 20 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland im Niedriglohnsektor beschäftigt seien und Altersarmut zu erwarten hätten.

Der Asta der Universität zeigte sich von den beiden Politikerreden nicht begeistert: Die Einladung der "Politgrößen" habe zu unnötiger Polizeipräsenz auf dem Campus geführt.

Quelle: ntv.de, Matthias Brunnert, dpa

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