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FDP-Kritik an Vorstoß von Lang Schuldenfrage ist nächster Zankapfel der Ampel

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Lang sagte, der Wohlstand müsse die erreichen, die ihn erarbeiteten.

Lang sagte, der Wohlstand müsse die erreichen, die ihn erarbeiteten.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Staat müsse aufgrund der schwächelnden Wirtschaft investieren, fordert Ricarda Lang. Um die Schuldenbremse nicht anzurühren, setzt die Grünen-Vorsitzende auf Investitionsgesellschaften. Der Vorschlag stößt beim Bundesfinanzminister auf taube Ohren - Lindner mahnt Haushaltsdisziplin an.

Angesichts der engen Finanzspielräume plädiert Grünen-Chefin Ricarda Lang für eine Umgehung der Schuldenbremse. "Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir nicht an die Schuldenbremse rangehen", sagte Lang der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Das darf aber nicht zur Ausrede werden, uns nicht mit anderen Finanzierungsmöglichkeiten für notwendige Zukunftsinvestitionen auseinanderzusetzen. Denn die gibt es."

Ein im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vorgesehenes Instrument, das noch nicht ausreichend genutzt werde, seien öffentliche Investitionsgesellschaften, sagte Lang. Bei einer Investitionsgesellschaft würde der Bund diese mit Eigenkapital ausstatten. Sie könnte dann über Kredite weiteres Kapital aufnehmen und investieren. Der Bund würde dafür geradestehen.

Aus dem Finanzministerium kam sofort die Warnung, neue Schulden würden die Inflation anheizen. "Es gibt gute Gründe, warum politische Schulden rechtlich begrenzt sind", hieß es aus Ministeriumskreise. Lang wolle das Grundgesetz aushebeln und lasse zugleich EU-Beihilferecht außer Acht.

Lindner will Schuldenquote unter 60 Prozent drücken

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat sich derweil zum Ziel gesetzt, weniger Schulden aufzunehmen. Er will die Verschuldungsquote möglichst rasch auf unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken. Dies strebe er noch in seiner Amtszeit an, sagte Lindner in Berlin bei einer Fragerunde mit Bürgern am Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Derzeit liege die Schuldenquote bei knapp 67 Prozent.

In der Corona-Pandemie sind die Schulden zahlreicher Staaten seit 2020 deutlich gestiegen. Vor der Pandemie hatte die Schuldenquote in Deutschland bei 59 Prozent gelegen und damit knapp unter der von der EU vorgegebenen Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Lang plädierte dennoch für die Aufnahme von Schulden durch Investitionsgesellschaften. "Ohne jede Auswirkung auf die Schuldenbremse können wir etwa problemlos die Bahn oder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben so ausstatten, dass sie den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden", erklärte Lang. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) könne dann in den sozialen Wohnungsbau investieren. "Das wäre eine Win-Win-Situation - für die vielen Menschen, die auch in Zukunft noch bezahlbaren Wohnraum suchen, und für die Baubranche, die etwas Unterstützung in der aktuellen Lage besonders gut gebrauchen kann."

FDP nennt Langs Vorschlag "undurchdacht"

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer reagierte darauf ablehnend: "Es wird mit der FDP keinen direkten oder indirekten Bruch der Schuldenbremse geben, egal was Frau Lang fordert", sagte er. Es sei "befremdlich, dass vonseiten des grünen Koalitionspartners im Stakkato immer neue, undurchdachte Vorschläge kommen, um mehr Staatsausgaben zu machen". SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, man solle sich jetzt lieber "mit voller Energie auf die Einführung eines Industriestrompreises, ein wirksames Wachstumsbeschleunigungsgesetz und weitere Vereinfachungen im Bereich von Genehmigungsverfahren konzentrieren".

Auch aus der oppositionellen Union erntete die Grünen-Chefin Widerspruch. Der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, sieht in den Grünen-Plänen ein Schuldenprogramm, mit dem versucht werde, "das Grundgesetz trickreich zu umgehen". Der Staat könne nicht immer höhere Schulden anhäufen, wenn er nicht früher oder später handlungsunfähig werden wolle. Beifall bekam Lang von der Linken. Es wäre pragmatisch und nötig, die Schuldenbremse mit Investitionsgesellschaften zu umgehen, sagte deren Finanzpolitiker Christian Görke.

Wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck plädierte Lang dafür, einen subventionierten Industriestrompreis aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zu finanzieren. Dieser in der Corona-Pandemie errichtete Fonds wurde in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern. "Im letzten Jahr haben wir uns in der Koalition darauf geeinigt, ein ohnehin bestehendes Sondervermögen, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, erneut aufzuladen und zu nutzen - mit dem Ziel, die Wirtschaft und natürlich auch das Land in Zeiten steigender Energiepreise zu schützen", sagte Lang. "Jetzt sieht dieser Schutz vielleicht ein bisschen anders aus, er ist aber nicht weniger wichtig. Der finanzielle Spielraum ist da." Finanzminister Christian Lindner lehnt eine andere Verwendung dieser Mittel allerdings ab.

Staat soll laut Lang "strategisch in Infrastruktur investieren"

Lang verlangte, der Wohlstand müsse die erreichen, die ihn erarbeiteten. "Beides gehört zusammen: Um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, müssen wir Deutschland wieder auf Wachstumskurs bringen." Dafür müsse Überregulierung abgebaut werden. "Zweitens: Ich schlage eine Investitionsagenda vor, bei der der Staat strategisch in die öffentliche Infrastruktur investiert, in ein Land, das einfach funktioniert - und damit auch private Investitionen anreizt."

Zudem müsse Staatsgeld auch nach sozialen Kriterien vergeben werden. "Wenn der Staat unterstützt oder investiert, dann muss dort nach Tarif bezahlt werden und Standortgarantie gewährleistet sein. Das könnte man zum Beispiel beim Industriestrompreis so machen." Und schließlich brauche Deutschland genug Arbeits- und Fachkräfte. "Das bedeutet mehr Weiterbildung, mehr Erwerbsbeteiligung von Frauen - und wir müssen das Fachkräfteeinwanderungsgesetz jetzt mit Leben füllen, etwa, indem wir Berufs- und Bildungsabschlüsse einfacher und schneller anerkennen."

Die aktuelle wirtschaftliche Lage lasse sie nicht kalt, betonte Lang. "Deutschland ist ein starkes Land mit einer starken Wirtschaft. Aber wenn die Wirtschaft in anderen Ländern jetzt schneller wieder wächst, auch weil die Regierungen dort stärker investieren, dann müssen wir da auch ran. Ich gehe davon aus, dass Wohlstand und Gerechtigkeit in der nächsten Zeit die zentralen Themen der Ampel-Koalition sein werden - zu Recht", so Lang.

Quelle: ntv.de, lve/rts/dpa

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