KFOR-Aktion im Kosovo Serben "ernsthaft" aufgebracht
07.10.2010, 14:43 UhrDie von der NATO geführte internationale Schutztruppe KFOR und die EU-Rechtsstaatsmission (EULEX) wollen im weitgehend rechtlosen Norden Kosovos endlich für Ordnung sorgen. Die Serben dort sind aufgebracht und sehen politische Ziele hinter dem Muskelspiel.

Goran Bogdanovic, Kosovo-Minister in der serbischen Regierung (MItte), spricht von "Okkupation".
(Foto: AP)
Rund 20 Soldaten der NATO-geführten Schutztruppe KFOR haben am Mittwochabend am Ortseingang von Leposavic im Norden des Kosovos überraschend einen Kontrollpunkt eingerichtet. Im Süden der Gemeinde, die etwa zehn Kilometer von der Grenze zu Serbien entfernt ist, kontrollieren 20 KFOR-Soldaten an einem weiteren Checkpoint alle Autos nach Waffen und Schmuggelgut. In der ganzen Region sind schätzungsweise 200 Soldaten im Einsatz. Die Kontrollierten sind aufgebracht, weil es das seit Jahren nicht mehr gegeben hat.
Der Norden des seit zweieinhalb Jahren selbstständigen Kosovos mit seiner serbischen Mehrheit ist traditionell ein weitgehend rechtsfreier Raum. Es gibt weder funktionierende Behörden noch eine unabhängige Polizei. Gerichte sucht man vergeblich. Die meisten Autos fahren ohne Nummernschilder. Obwohl die Region formell zum albanisch geprägten Kosovo gehört, hat die Regierung in Pristina hier nichts zu sagen. Rund 50.000 Serben leben in der Region weitgehend vom Gesetz losgelöst. Die serbische Zentralregierung samt Geheimdiensten spielt eine wichtige Rolle. Der wichtigste "Ordnungsfaktor" ist aber die Mafia.
"Ernsthafte Provokation"

Im Norden des Kosovo sind mehr als 200 Soldaten der NATO-Friedenstruppe im Einsatz.
(Foto: AP)
Das solle jetzt anders werden, hatte der neue KFOR-Kommandeur Erhard Bühler angekündigt. Der Bundeswehrgeneral will für Ordnung sorgen. In Zusammenarbeit mit Polizisten der EU-Rechtsstaatsmission (EULEX) wurden schon zwei angebliche Mafiabosse verhaftet. Details bleiben geheim. EULEX will jetzt auch erstmals wieder ein Gericht ins Leben rufen, damit die tausenden und abertausenden ungelösten Verfahren langsam abgearbeitet werden können. Doch alle Versprechungen, Justitia werde am Ende auch wieder im Kosovo herrschen, blieben in der Vergangenheit immer unerfüllt.
Kurz vor Mitternacht gibt es Aufregung am nördlichen Kontrollpunkt in Leposavic. Der in Richtung Belgrad reisende Kosovo-Minister in der serbischen Regierung, Goran Bogdanovic, stellt die KFOR-Soldaten wild gestikulierend zur Rede. "Das ist eine Erniedrigung und eine ernsthafte Provokation!", schimpft er aufgebracht. "Wir betrachten das als Okkupation! Das führt zu nichts, schafft nur Spannungen!" Serbien betrachtet seine frühere Provinz Kosovo immer noch als sein Staatsgebiet. Das gilt vor allem für den Norden dieses jüngsten europäischen Staates.
Der örtliche KFOR-Sprecher, Hans Wichter, will den Minister beruhigen. "Bogdanovic' Einschätzung ist falsch", fasst er nach der Weiterfahrt des Ministers den Streit zusammen. "Die Sicherheit liegt in unserer Verantwortung, nicht in Belgrads." Bogdanovic hatte sich Stunden zuvor mit serbischen Spitzenfunktionären einiger Städte im Nordkosovo getroffen, die allesamt von Belgrad bezahlt werden. Man hatte sich auf eine Reaktion der neuesten Aktionen von KFOR und EULEX verständigen wollen. Denn für die Serben ist der Kampf gegen die Mafia und den Schmuggel nur ein Vorwand, um auch den Norden Kosovos unter die Kontrolle der Kosovo-Regierung in Pristina zu bringen.
Quelle: ntv.de, Fatmir Aliu, dpa