Politik

Bertelsmann-Studie So populistisch sind die Deutschen

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Populisten erhalten immer mehr Zulauf - so lautet zumindest eine weit verbreitete Befürchtung. Eine neue Untersuchung zeigt, wie anfällig die Menschen in Deutschland für entsprechende Positionen sind und erklärt den Erfolg der AfD.

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(Foto: Bertelsmann-Stiftung)

Populistische Einstellungen sind in Deutschland nicht besonders stark ausgeprägt. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, für die 1600 Wahlberechtigte in drei Umfragen interviewt wurden. Die Mehrheit der Menschen lehnt populistische Positionen ab (36,9 Prozent, siehe Grafik) oder stimmt ihnen nur teilweise zu (33,9 Prozent). Weniger als 30 Prozent sind zwar populistisch eingestellt, vertreten jedoch eher moderate Ansichten.

Populismus

Populismus hat drei Dimensionen: Kennzeichnend für Populisten ist ihre Kritik am personellen und institutionellen Establishment der Gesellschaft. Im Fokus stehen dabei die etablierten Parteien, Parlamente und Politiker, als typische Repräsentanten des politischen Establishments. Ebenso kennzeichnend sind anti-pluralistische Einstellungen. Ausgehend von einem behaupteten allgemeinen Volkswillen, werden dabei die Institutionen und Verfahren pluralistischer Willensbildung und Entscheidungsfindung abgelehnt. Stattdessen fordert Populismus, dass Politik ein unmittelbarer Ausdruck des Volkswillens sein sollte. (Quelle: Bertelsmann-Studie)

Sie kritisieren die Qualität der Demokratie und der Europäischen Union, was jedoch nicht zwangsläufig heißt, dass sie das System und seine Institutionen grundsätzlich ablehnen. "Populisten in Deutschland sind häufig enttäuschte Demokraten, aber keine radikalen Feinde der Demokratie", sagt Robert Vehrkamp, einer der Verfasser der Studie. Im Vergleich zu den USA und Frankreich sei die Kritik am politischen Establishment deutlich schwächer ausgeprägt und nicht wahlentscheidend.

Wer ist populistisch?

Bei der Auswertung ihrer Studie stellen die Forscher fest: Die Bildung und das Einkommen haben einen großen Einfluss. Je geringer der Bildungsstand (siehe Grafik) und je niedriger das Einkommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass jemand populistische Einstellungen hat. Personen mit Hauptschulabschluss und einem durchschnittlichen Einkommen von weniger als 1500 Euro im Monat sind besonders anfällig für populistische Positionen. Menschen mit hohem Bildungsstand und einem höheren Einkommen lehnen entsprechende Positionen dagegen mehrheitlich ab.

Populismus nach Bildung

Populismus nach Bildung

(Foto: Bertelsmann-Stiftung)

Auch unter Wählern und Nichtwählern lassen sich Unterschiede feststellen: Wähler lehnen Populismus eher ab als Nichtwähler. Vehrkamp sieht hier ein Milieu, um das die AfD sich sehr bemüht. Bei vielen Landtagswahlen konnte sie große Zugewinne im Lager der Nichtwähler verzeichnen. Populistische Positionen lassen sich zwar entlang des gesamten Links-Rechts-Spektrums beobachten. Personen mit rechten Einstellungen sind der Studie zufolge jedoch populistischer (43 Prozent) eingestellt als die mit linken (26 Prozent).

Wie populistisch sind die deutschen Parteien?

Unter den etablierten Parteien gibt es deutliche Unterschiede. Wähler der AfD neigen am ehesten zu populistischen Einstellungen, deutlich vor denen der Linkspartei. Dahinter folgen SPD und FDP. Am wenigsten populistisch sind die Wähler von CDU/CSU und den Grünen. Im näheren Vergleich kann die Studie weitere Unterschiede herausstellen.

Wähler der Parteien nach Populismus

Wähler der Parteien nach Populismus

(Foto: Bertelsmann-Stiftung)

Demnach genießt die CDU von allen Parteien die größte Sympathie bei unpopulistischen Wahlberechtigten. Je populistischer die Einstellung, desto eher sinkt die Sympathie der CDU. Bei nicht-populistischen Wählern erreicht die CDU eine Zustimmung von bis zu 60 Prozent, unter Populisten hingegen weniger als 20 Prozent. "Die Ergebnisse zeigen, dass es für die Union keinen Sinn macht, der AfD hinterherzulaufen", sagt Vehrkamp.

Die Grünen sind am stärksten bei unpopulistischen Wählern links der Mitte, wo sie etwa 15 Prozent der Wähler erreichen. Die SPD ist in beiden Gruppen etwa gleich stark vertreten. Die AfD hat die höchsten Zustimmungswerte bei Menschen mit ausgeprägter populistischer Verortung. Mehr als zwei Drittel ihrer Wähler sind populistisch eingestellt und ordnen sich klar rechts von der politischen Mitte ein. Vehrkamp sagt: "Die AfD ist eine lupenreine rechtspopulistische Partei. Das ist empirisch klar." Die Untersuchung zeige jedoch: Auch unter AfD-Anhängern gibt es keine allgemeine Ablehnung der Demokratie.

Zieht Populismus im Wahlkampf?

Für die Parteien lohnt es sich eher nicht, im Wahlkampf populistische Extrempositionen zu bedienen, stellen die Forscher fest. "Von einer Stunde der Populisten ist das politische Klima vor der Bundestagswahl weit entfernt", sagt Vehrkamp. Demnach sinkt die Zustimmung bei Wählern, je zugespitzter und systemkritischer politische Positionen sind. Kandidaten mit pro-europäischen Positionen können bei Wahlberechtigten insgesamt punkten, radikale Forderungen wie die nach einer Entmachtung der Eliten wirkt sich stark negativ auf die Wahlchancen aus. Ein Wahlkampf wie der von US-Präsident Donald Trump, der offensiv für die Entmachtung der Eliten eingetreten war, wäre in Deutschland zum Scheitern verurteilt, da ist sich Vehrkamp sicher. In Deutschland seien solche Forderungen selbst bei populistisch eingestellten Wählern selten.

Die Flüchtlingspolitik ist laut Studie das Thema, mit denen sich Populisten in der Bundesrepublik am stärksten mobilisieren lassen. "Das Mobilisierungsprofil der stark populistisch eingestellten AfD-Wähler ist so einseitig fokussiert wie bei keiner anderen Partei", sagt Vehrkamp. So lässt sich die Zustimmung bei AfD-Wählern etwa mit der Forderung nach der Abschiebung von vielen Flüchtlingen deutlich steigern, bei Wählern der anderen Parteien nicht. Sie befürworten eine moderate und kontrollierte Zuwanderung von Flüchtlingen.

Durch die Wahl Donald Trumps, den Brexit und den Erfolg der AfD sieht Vehrkamp zurzeit eine deutliche Mobilisierung unpopulistischer Wähler. Viele Menschen machten sich Sorgen und gingen wählen, weil sie sich einen stabilen Kurs wünschen. Das nutze der Kanzlerin und erkläre die guten Umfragewerte der Union.

Quelle: ntv.de

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