Politik

Scharfe Töne aus der Union Söder empfiehlt Deutschland den Bypass

Zu langsam und zu behäbig - das trifft nach Ansicht einiger Unions-Ministerpräsidenten sowohl für das Land als auch die Partei zu.

Zu langsam und zu behäbig - das trifft nach Ansicht einiger Unions-Ministerpräsidenten sowohl für das Land als auch die Partei zu.

(Foto: imago images/Sabine Gudath)

Vier Ministerpräsidenten der Union melden sich vor den Weihnachtstagen zu Wort. Und was sie zu sagen haben, dürfte der CDU-Chefin AKK kaum gefallen. Demnach sind Partei und Land in der Krise. Durchwursteln reiche nicht mehr. Sie mahnen Grundsatzentscheidungen an.

Unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen gehen mehrere Ministerpräsidenten unionsgeführter Länder mit der Bundespartei teils deutlich ins Gericht. Und so manche Aussage dürfte Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ordentlich in den Ohren klingen. Denn die Kritik am Kurs der Christdemokraten ist teils grundsätzlicher Natur. Sie reicht von fehlenden Positionen der Union über mangelnde Handlungsfähigkeit des Staates bis hin zu europapolitischer Schläfrigkeit. Und dann ist da noch die ungeklärte Frage, wer die Union in den Bundestagswahlkampf führen wird.

Die schärfste Attacke fuhr dabei der erst vor wenigen Tagen im Amt bestätigte sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der der Partei mangelnde Standhaftigkeit attestierte. Er mache sich manchmal Sorgen um die "Positionen der Bundespartei", sagte der 44-Jährige der "Welt". Die CDU stehe oft "vor den Grünen und erschrickt jedes Mal, wenn dort Forderungen aufgestellt werden". Aber "wir brauchen unsere eigenen Konzepte und Antworten und sollten den Grünen nicht hinterherlaufen", mahnte er.

Natürlich sei die Partei für Klimaschutz. Aber dies müsse auf Grundlage "klarer Prinzipien" sein, so Kretschmer. Einmal in Fahrt, holte er zum Rundumschlag beim Thema Klimapaket aus - nicht zum ersten Mal. Werde die EEG-Umlage nicht gesenkt, sei das ordnungspolitisch falsch. Das gelte auch für die Stromsteuer. Die CO2-Verteuerung alleine sei auch ein Fehler, sagte Kretschmer. "Die Kernkraft läuft aus, Kohlekraftwerke sollen eingestellt werden. Es gibt keinen Zubau an Windenergie, keine neuen Leitungen. Wie soll das denn funktionieren?" Die CDU müsse Positionen vertreten, die marktwirtschaftlich sinnvoll seien und den Weg öffneten, um die Wirtschaftskraft zu stärken. "Wir sind ein Industrieland", sagte er.

Wofür steht die CDU?

Moderater im Ton, aber ebenso hart in der Sache äußerte sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther zur Lage der Partei. "Der Union muss es wieder stärker gelingen, thematische Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln, damit die Menschen auch mit der CDU Themen verbinden", sagte er. Als Beispiel nannte er die Beschleunigung von Planungen für den Bau großer Projekte. "Wir müssen in Deutschland wieder schneller zu Entscheidungen kommen." Dabei sei Geld derzeit nicht das Grundproblem. "Aber all diese Investitionen dauern im Moment extrem lange." Das gelte für den Bau neuer Straßen ebenso wie für den Ausbau der Stromnetze, der für die Energiewende dringend nötig sei.

"Die CDU kann und muss die politische Kraft sein, die für dieses Thema Lösungen anbietet, denn dies brennt vielen Menschen unter den Nägeln", forderte Günther. Gleiches gelte für Themen wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz, die von entscheidender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands seien. "Wie schaffen wir den Klimaschutz, ohne unseren Wohlstand aufs Spiel zu setzen?", sagte Günther. "Wenn wir uns auf diese Bereiche konzentrieren, haben wir im kommenden Jahr alle Chancen, wieder deutlich über 30 Prozent in Umfragen zu kommen."

Land blockiert sich selbst

In dieselbe Kerbe schlug aus Bayern Ministerpräsident Markus Söder. "Wir sind ein Land geworden, das sich durch seine endlosen Genehmigungsverfahren selbst blockiert und lähmt", sagte der CSU-Chef der "Welt am Sonntag". Aus dem Wirrwarr von Einsprüchen, Gutachten und erneuten Einsprüchen komme Deutschland nur noch mit einem Modernisierungsgesetz heraus. "Bürokratie-Abbau allein reicht nicht mehr aus. Es braucht in Deutschland nicht immer mehr Geld, sondern vor allem eine schnellere Umsetzung der Investitionen", sagte Söder.

Abhilfe soll nun ein sogenanntes Bypass-Gesetz schaffen. "Das heißt: Wir legen zentrale Projekte wie Bahnschienen, Ladesäulen für Elektromobilität oder Sendemasten fest, bei denen wir die Verfahren um zwei Drittel verkürzen müssen", sagte er und kündigte für das kommende Jahr einen entsprechenden Vorschlag an.

Laschet will wieder groß denken

Als Vierter äußerte sich schließlich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und machte deutlich, dass er mehr Impulse aus Berlin für die Europäische Union erwarte. "Es gab schon Phasen, in denen Deutschland stärker engagiert europäische Initiativen gestartet hat", sagte der CDU-Vize. Dazu biete die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2020 eine "neue Chance".

"Deutschland muss gerade heute wieder größer denken", sagte Laschet. Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl etwa habe "groß gedacht": Die Abschaffung der D-Mark und die Impulse für eine gemeinsame europäische Währung - das "war groß gedacht und konkret umgesetzt". Schengen-Abkommen und Binnenmarkt seien "Visionen, die heute Realität sind", sagte er weiter.

Laschet fehlen eigene Ideen aus Deutschland als Gegengewicht zu den Vorstößen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. "Ich würde mir auch wünschen, dass wir nicht immer nur diskutieren, wie wir (...) Macron antworten, sondern auch selbst einmal Ideen aufstellen, auf die Macron antworten muss", sagte 58-Jährige.

Auch das die CDU seit Monaten lähmende Thema Personal wird die Partei wohl nicht los. Zwar sei Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer "gewählt und sie wird auch breit getragen", sagte Günther. Doch gleichzeitig werde es im kommenden Jahr weitere Diskussionen über die Frage der Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2021 geben. "Wir werden uns davor nicht drücken können, denn die Frage muss ja entschieden werden."

Und die Parteichefin? AKK hat sich für Feiertage eine kleine Auszeit verordnet. "Über die Tage werde ich zu Hause abtauchen", sagte sie. "Natürlich habe ich mein Handy immer dabei, aber ich wünsche uns allen eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit. Das täte uns allen, unserer Gesellschaft sehr gut." Das sei auch ihr persönlicher Weihnachtswunsch, erklärt sie. Wahrscheinlicher aber scheint nun, dass sie Arbeitsaufträge aus den eigenen Reihen sortiert.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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