
Wenn Bayerns Ministerpräsident Söder den österreichischen Kanzler Kurz trifft, gibt es vor allem ein Thema: die Migrationspolitik. Beide eint die Kritik an Kanzlerin Merkel. Doch während der eine Wahlkampf macht, hat der andere auch Lösungsvorschläge.
Dass ein bayerischer Ministerpräsident Österreich besucht, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Man wohnt ja nebeneinander, man treibt Handel, man hat eine lange gemeinsame Geschichte. Es ist ein kleiner Grenzverkehr, wenn Markus Söder nach Oberösterreich fährt. Doch in Linz trifft er nicht nur den Landeshauptmann des benachbarten österreichischen Bundeslandes, sondern auch Bundeskanzler Sebastian Kurz samt seiner Ministerriege.
Zwar geht es auch um Wirtschaft und Verkehr. Doch ohne Zweifel wird all dies durch ein Thema überschattet: die Migrationspolitik. Angesichts des Streits um die Asylpolitik in Deutschland ist die seit Monaten geplante gemeinsame Regierungskonferenz symbolisch aufgeladen. Auf der einen Seite Söder, einer der schärfsten Kritiker der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf der anderen Seite Sebastian Kurz, der sich wohl gern als europäischer Gegenpol zu Merkel versteht. Es gebe ein gemeinschaftlich getragenes Interesse, dass wir eine Wende in der Zuwanderungspolitik in Europa wollen, sagt Söder bei der gemeinsamen Pressekonferenz und spricht von einer "gemeinsamen Haltung im Geiste".
Das Treffen dient vor allem der Versicherung der gegenseitigen Unterstützung in der Frage. Gerade im Hinblick auf die österreichische EU-Ratspräsidentschaft, die im Juli beginnt. Söder erhofft sich davon frischen Wind in der Debatte. Oder besser: einen "neuen Geist", wie er es formuliert. Er spricht von einer "Schlüsselrolle" Österreichs. Und er kann es sich auch nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass die derzeitige Debatte, dass die Bewegung, die es derzeit in der Asylfrage gibt, von seinem Bundesland ausging: "Ohne die klare Position Bayerns würde sich Berlin nicht so schnell bewegen wie jetzt", stellt er fest. "Das geht auf die Entschlossenheit Bayerns zurück."
Zwei EU-Gipfel innerhalb kürzester Zeit - es wirkt, als wolle Söder sich das selbst anrechnen. Da war gerade erst bekannt geworden, dass sich Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und andere Staaten am kommenden Sonntag auf einem Sondergipfel der Themen Asyl und Migration annehmen werden. Er dient vor allem der Vorbereitung des EU-Gipfels Ende des Monats, auf dem Merkel eine europäische Lösung des Themas anstrebt.
Deutliche Kritik an Merkel
Dass das Söder nicht schnell genug gehen kann, macht er beim gemeinsamen Auftritt mit Kurz nochmal deutlich. "Jetzt muss endlich was passieren, und zwar nicht irgendwas, sondern das richtige", sagt der bayerische Ministerpräsident. Der CSU-Politiker versucht merklich, den Druck auf Merkel aufrechtzuerhalten, auch wenn er in Linz wenig Neues hervorbringt. Die Christsozialen haben der Kanzlerin Zeit bis nach dem EU-Gipfel gegeben, die Frage von Zurückweisungen an der deutschen Grenze zu lösen. Andernfalls will Innenminister und CSU-Chef Seehofer im Alleingang handeln, was die Berliner Koalition sprengen könnte.

Es ging nicht nur um Migration: Beide Kabinette sprachen auch über Handel, Wirtschaftsbeziehungen und Verkehrspolitik.
(Foto: dpa)
Wo Söder vor allem poltert und bekannte Phrasen erneuert, bleibt Kanzler Kurz vorsichtiger. Kein Wunder, er will während der EU-Ratspräsidentschaft eine europäische Lösung finden und sieht sich selbst als Brückenbauer zwischen den verschiedenen Positionen. Und er steht auch nicht mitten im Wahlkampf wie Söder. Ob es schon beim Sondergipfel am Sonntag Ergebnisse gebe? Wie schnell dann deren Umsetzung stattfinde? "Das ist die Frage", sagt Kurz lediglich.
Bestätigt in seinem Kurs fühlt er sich aber doch: "Die Haltung der meisten Staaten geht schon in die richtige Richtung", stellt er fest. Er meint damit, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, das Jahr, als Hunderttausende Migranten nach Mitteleuropa kamen. Das Jahr, in dem nach seinen Worten Deutschland überfordert war. Kurz vor dem Treffen hatte er diese Kritik an Merkel noch deutlicher formuliert: Diejenigen, die 2015 die Grenzen geöffnet hätten, "haben es verschuldet, dass es heute Grenzkontrollen gibt zwischen Österreich und Bayern, Ungarn und Österreich, Italien und Österreich, und die Situation vielleicht noch schlimmer wird".
Im Gegensatz zu Söder wird Kurz aber konkreter, was mögliche Lösungswege angeht. Man müsse stärkere Hilfe vor Ort leisten, sagt er. Man müsse im Rahmen von Resettlement-Programmen legale Wege nach Europa öffnen. Und - das wiederholte er mehrmals - man müsse den Außengrenzenschutz verbessern. "Das Ziel ist, die Außengrenzen so zu schützen, dass ein Europa ohne Grenzen im Inneren endlich wirklich wird", sagt er. Zudem solle die EU-Grenzschutzagentur Frontex ein neues Mandat erhalten. Geht es nach Kurz, soll sie in Drittstaaten tätig werden können, um Boote zurückzudrängen und Schlepper zu bekämpfen. "Wir werden die sein, die entscheiden, wer nach Europa zuwandern darf, und nicht die Schlepper", stellte er klar.
"Bewusstseinsänderung vieler"
Kurz begrüßt zudem ausdrücklich den Vorschlag von EU-Ratspräsident Donald Tusk, etwa in Nordafrika Flüchtlingszentren zu errichten, wo unterschieden werden soll zwischen Armutsflüchtlingen und solchen Geflüchteten, die internationalen Schutz benötigten. Auch Söder macht sich für solche Schutzzonen stark. Das Abschließen entsprechender Verträge mit afrikanischen Staaten nennt er "eine Schlüsselaufgabe europäischer Politik".
Sollte eine europäische Lösung nicht zustande kommen, behält sich Kurz freilich vor, eine Einigung im kleineren Kreis zu finden. Ihm schwebt eine "Achse der Willigen" vor, die von Rom über Wien nach Berlin reichen soll und eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zum Ziel hat. Mit dem südlichen Nachbarn, wo seit Kurzem eine populistische Regierung im Amt ist, die einen restriktiven Migrationskurs fährt, liegt man schon auf ähnlicher Linie. Er freue sich, dass eine "Bewusstseinsänderung vieler auf europäischer Ebene eintritt", sagt Kurz.
Mit Berlin ist das etwas anderes. Umso wichtiger ist der Sondergipfel am Sonntag, an dem Kurz Merkel trifft. Söder wird natürlich nicht dabei sein. Trotzdem dürfte Kurz das Treffen mit dem Bayern gelegen gekommen sein, liegt München doch schon mal auf dem Weg nach Berlin. Beide werden nicht müde zu betonen, dass man ja schon lange die gegenseitigen Positionen unterstütze. Und Söder kann sich zur Abwechslung mal auf internationalem Parkett präsentieren. Nicht ganz uneigennützig: Kurz sagt zu, ihn beim bayerischen Landtagswahlkampf zu unterstützen. Ein kleiner Grenzverkehr eben.
Quelle: ntv.de