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CSU-Chef bei Junger UnionSöder feuert die letzte Patrone der Koalition

16.11.2025, 13:55 Uhr RTL01231-1Volker Petersen
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Umstimmen konnte auch Markus Söder die Rentenrebellen von der Jungen Union nicht - aber vielleicht etwas besänftigen. (Foto: picture alliance/dpa)

Merz konnte die Junge Union nicht umstimmen. Spahn konnte sie nicht umstimmen. An diesem Vormittag probiert es CSU-Chef Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident wirft im Renten-Streit sein ganzes rhetorisches Können in die Waagschale - mit zumindest etwas Erfolg.

AC/DC schallt durch die Halle im Europapark Rust, als Markus Söder erscheint. "Back in Black" der Titel, das wirkt so anders als das Techno-Gedonner, das die Junge Union sonst meist einspielt, und gleicht einem akustischen roten Teppich für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef.

Söder ist der letzte prominente Redner auf dem Deutschlandtag der Jungen Union, der schon jetzt historisch ist - als das Wochenende, als CDU-Chef und Kanzler Friedrich Merz die Herzen des Parteinachwuchses verlor. Die waren ihm noch vor einem Jahr zugeflogen.

"Back in Black", das war genau die Hoffnung, die die Junge Union mit Merz verband. Nach der Merkel-Ära sollte die CDU in Schwarz zurückkommen, sprich: zu den alten Werten zurückkehren. Endlich wieder CDU pur. Alles vielfach beschrieben.

Und jetzt? Ist die Junge Union mit einem Kanzler Merz aufgewacht, der aus ihrer Sicht Kompromisse mit der SPD macht und keinen konservativen Hard-Rock mehr spielt, sondern mit Lars Klingbeil und Bärbel Bas weichgespülte SPD-Gassenhauer von schneller steigenden Renten mitschunkelt. Während sich die jungen Männer und Frauen der Jungen Union wohl eher auf einem "Highway to Hell" fühlen. Statt Headbanging schütteln sie enttäuscht die Köpfe. Enttäuscht und wütend.

Wozu noch einmal alles durchkauen?

Merz konnte sie mit seinem Auftritt am Samstag jedenfalls nicht von der Zinne holen. Auch Jens Spahn am Samstagabend bot nur weitere Gespräche an. Doch worüber eigentlich? Wenn sowieso klar ist, dass sich am Rentenpaket nichts mehr ändern soll - wozu dann noch einmal alles durchkauen?

Jetzt also Söder. Er hat die schwarz-rote Koalition einst als "letzte Patrone der Demokratie" bezeichnet. Jetzt ist er die letzte Patrone der Koalition - ausgerechnet er, der nur auf den nächsten Querschuss gegen Merz lauert, muss dafür sorgen, dass die Jugend den Schuss hört. Dass sie merkt, dass sie hier gerade dabei ist, die ganze Koalition vor die Wand zu fahren und nichts, was danach kommen könnte, besser wäre als ein sündhaft teures Rentenpaket.

Die gute Nachricht für die Koalition und insbesondere für Merz: Genau das hat Söder versucht und es ist ihm zumindest teilweise gelungen. Auch wenn er mit seiner Mütterrente selbst das Zeug zum Renten-Darth-Vader für die Junge Union hat. JU-Chef Johannes Winkel sagte vor dem Auftritt, die Stimmung sei gut. "Entscheidend ist aber, wie die Stimmung nach der Diskussion ist, das hat man ja gestern gesehen". Womit er auf das eher verhaltene Echo auf den Austausch mit Merz anspielte.

Doch reden kann Söder und eigentlich mögen sie ihn bei der Jungen Union ja - ihn, der über die Grünen lästern kann wie kaum ein Zweiter. Ihn, der gerade in Bayern einen ausgeglichenen Haushalt geschnürt hat, Mütterrente hin oder her.

Seitenhiebe auf Merz - kein Problem für Söder

Söder weiß das und verwendet die ersten Teile seiner Rede darauf, die Seele des Nachwuchses zu tätscheln. "Respekt für euren Auftritt", sagt er in Richtung von Winkel und Pascal Reddig, dem Vorsitzenden der Jungen Gruppe im Bundestag - also jene 18 Abgeordneten unter 35 Jahren, die nicht bereit sind, für ein Rentenpaket zu stimmen, das bis 2040 fast 120 Milliarden Euro mehr kostet, als es geltendes Recht vorsieht. Ein SPD-Basta, das gehe nicht, sagte Söder. Man müsse mit der anderen Seite über die "guten Argumente" der Jungen Union reden. Damit deutete er gar neue Verhandlungen mit der SPD an - was Merz noch ausgeschlossen hatte.

Söder, dem alten Merz-Rivalen, dürfte es nicht schwergefallen sein, einige Seitenhiebe auf den CDU-Chef einzustreuen. "Ihr habt euch die letzten Wochen sehr konstruktiv eingelassen", lobte Söder - Merz hatte den Jungen genau das Gegenteil vorgeworfen. Oder: "Wenn wir alles nur als Majestätsbeleidigung empfinden, werden wir keinen Erfolg haben." Oder: "Lasst uns bitte überlegen, lieber Geld zu geben, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, als immer wieder nur alte Industrien zu subventionieren." Was genau das ist, was Merz will.

Aber Söder sagte eben auch: "Ich bitte um Verständnis, ich falle Friedrich Merz und auch Jens Spahn definitiv nicht in den Rücken. Friedrich Merz muss auch eine Koalition zusammenhalten."

Merz hatte am Vortag noch versucht, die Junge Union mit Argumenten umzustimmen. Er bezweifelte, dass die Rentenreform wirklich so teuer wird. Vorher könnte die Rentenkommission ja das System auf ein neues Fundament stellen, sagte er am Samstag. Was der Nachwuchs ihm nicht abkaufte, wie Winkel am Sonntag noch einmal deutlich macht. Wenn die Rentenkommission so "super Vorschläge" nach der Rentenreform machen werde, fragte Winkel, "warum beschließen wir die dann überhaupt?"

Söder probierte es anders. Er warf sich in die Debatte, um Fantasien über eine Minderheitsregierung oder gar einer Zusammenarbeit mit der AfD eine Absage zu erteilen. "Ich weiß, es gibt den ein oder anderen, der hofft oder denkt, ob eine Minderheitsregierung besser wäre", sagte Söder im vertrauensvollen Ton. "Ich kann euch nur sagen: Eine Minderheitsregierung, die wirkt auf den ersten Blick erlösend, es gibt auch mehr Posten im ersten Moment, was ja auch immer Chancen und Hoffnungen ist, aber sie führt am Ende dazu, dass du am Ende fast nichts mehr durchbekommst." Das sei "nichts anderes als in Weimar" und die "Vorstufe der Radikalen. Und das darf uns nicht passieren!"

So machte Söder weiter. "Es gibt ja den ein oder anderen, der sich wünscht, man würde mit denen zusammenarbeiten", sagte er. Als Kronzeugen bemühte er ausgerechnet den ehemaligen Bundeskanzler Österreichs, Sebastian Kurz. "Sebastian sagt immer wieder: 'Vielleicht geht programmatisch das eine oder andere leichter und schneller. Aber du hast Woche für Woche unappetitliche Erscheinungen, Entwicklungen von Leuten, die weit, weit weg von uns sind." Kurz darauf rief er: "Das sind Rechtsextreme!" Rechtsextreme mit Vorliebe für Russland, keine Patrioten, sondern "Verräter".

Am Ende gab er den Delegierten noch einen Rat mit. "Ich kann nur sagen, das Signal des Deutschlandtages, und lasst es ein bisschen sacken, das hat, glaube ich, jeder verstanden, der hier war." Womit er Merz einschloss. "Wir müssen gemeinsam sehen, wie wir damit umgehen und eine Lösung finden", sagte er zum Schluss. Und wirkte plötzlich wie der Vertrauenslehrer der aufmüpfigen Klasse, der sie vielleicht doch noch überzeugen kann, ihre Rebellion aufzugeben.

Aber auch nur ganz, ganz vielleicht. Die Gräben zwischen Regierung und Rentengegnern sind an diesem Wochenende jedenfalls nicht flacher geworden. Im Gegenteil.

Quelle: ntv.de

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