Gipfel gibt Millionen Soforthilfe gegen Hunger
04.06.2008, 11:50 UhrDer Welternährungsgipfel in Rom hat hungernden Menschen Soforthilfen in Millionenhöhe zum Ausgleich der steigenden Nahrungsmittelpreise in Aussicht gestellt. Die Vereinten Nationen kündigten an, mit einem Krisenprogramm 75 Millionen Hungernde versorgen zu wollen. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) will dieses Jahr zusätzliche 1,2 Milliarden Dollar (775 Millionen Euro) an Hilfen bereitstellen. Außerdem gibt die Islamische Entwicklungsbank 1,5 Milliarden Dollar (knapp 970 Millionen Euro) für die Entwicklung der Landwirtschaft in den ärmsten Ländern.
Die Mittel sollen für über 60 Länder eingesetzt werden, die am stärksten von der gegenwärtigen Krise betroffen sind, teilte WFP-Direktorin Josette Sheeran auf dem Gipfel in Rom mit. So soll die Zahl der Hilfsempfänger in Haiti verdreifacht und in Afghanistan verdoppelt werden. Weitere Schwerpunkte sind Somalia, Äthiopien und Kenia. "Wir haben unsere 10.000 Mitarbeiter ebenso mobilisiert wie jeden Dollar und Euro, der uns gegeben wird, um so viele hungrige Menschen zu erreichen, wie es in dieser kritischen Zeit möglich ist", erklärte Sheeran. Sie komme gerade aus Birma, wo viele hungernde Menschen nach dem Wirbelsturm kein Geld hätten, um Reis zu kaufen.
Keine langfristige Strategie
Auf eine langfristige Strategie konnten sich die Teilnehmer der Konferenz allerdings nicht verständigen. Streit gab es insbesondere bei der Nutzung von Mais, Zuckerrohr und anderen Agrargütern für die Produktion von Biosprit.
Der brasilianische Präsident Luiz Incio Lula da Silva, dessen Land Vorreiter bei der Verbreitung von Biosprit ist, fühlt sich völlig zu Unrecht von Umweltschützern an den Pranger gestellt, weil sein Land Ethanol aus Zuckerrohr gewinnt. "Es beleidigt mich, dass jemand mit den Fingern auf diese saubere Energieform aus Biotreibstoffen zeigt - mit Fingern, die mit Öl und Kohle beschmiert sind", schimpfte er auf dem Gipfel.
Tanken oder essen?
Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrohr, Mais und anderen Feldfrüchten galt lange Zeit als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen CO2 und Klimaerwärmung. Die USA pumpten milliardenschwere Subventionen in die Maisproduktion, und die EU verabschiedete einen Plan mit dem Ziel, dass bis 2020 Biosprit zehn Prozent des gesamten Treibstoffverbrauchs ausmachen soll. Doch inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt. Kritiker weisen darauf hin, dass der Biosprit-Boom zur Abholzung von Wäldern und zur Verteuerung der Lebensmittel geführt hat. Zwischen 15 und 30 Prozent trage Biosprit zu der Verteuerung der Lebensmittel bei, erklärt die britische Hilfsorganisation Oxfam und beruft sich auf internationale Studien, beispielsweise des Internationalen Währungsfonds (IWF).
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach sich für die Erstellung von Richtlinien zur Produktion von Biosprit aus, weil diese eine spürbare Auswirkung auf die Nahrungsmittelproduktion habe. Für die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion im Kampf gegen den Hunger sind seinen Angaben zufolge jährlich 15 bis 20 Milliarden Dollar (10 bis 13 Milliarden Euro) erforderlich. Ban sagte auf einer Pressekonferenz zum Welternährungsgipfel, angesichts der Preiskrise an den Agrarmärkten müsse außerdem die Produktion von Nahrungsmitteln effizienter gestaltet werden.
UN warnen vor Scheitern der Konferenz
Ban warnte vor einem Scheitern der Konferenz in Rom: "Das ist ein Kampf, den wir nicht verlieren dürfen, und der Feind ist der Hunger", erklärte er. Die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs müssten aus Rom mit präzisen Engagements abreisen, rasche und konkrete Maßnahmen gegen den Hunger und die Lebensmittelkrise seien notwendig. Hunger führe zu Unruhen und zu Instabilität. Es müsse jetzt vor allem den Kleinbauern und den am stärksten von Hunger und gestiegenen Nahrungspreisen betroffenen Ländern geholfen werden. Ein schnell aufgestellter Aktionsplan solle vor allem "Sofortmaßnahmen für vernünftigere Preise" beinhalten.
Die Konferenz, an der rund 40 Staats- und Regierungschefs teilnehmen, soll am Donnerstag mit einem Abschlussdokument zu Ende gehen. US-Landwirtschaftsminister Ed Schafer sagte, zum Biosprit werde es nur unverbindliche Aussagen geben. Die USA wollen die Produktion von Biokraftstoffen forcieren, um ihre Abhängigkeit vom Rohöl zu verringern. Die Bundesregierung wird in Rom von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul vertreten.
Quelle: ntv.de