Politik

Neuer Vorstand unter Druck Spiegel-Nachfolge stellt Grüne vor Herausforderung

Das Drama um Ex-Bundesfamilienministerin Spiegel ereilt die erst seit Januar amtierenden Bundesvorsitzenden Lang und Nouripour bei ihrer Klausurtagung in Husum. Anstatt vor zwei wichtigen Landtagswahlen schöne Bilder zu liefern, muss die Grünen-Spitze eiligst die komplizierte Nachfolge lösen.

Es hätte alles so schön sein können für den noch immer neuen Bundesvorstand der Grünen. Die Sonne scheint im schönen Nordsee-Ort Husum, die erste gemeinsame Klausur war durchgeplant und am Dienstag steht ein gemeinsamer Besuch bei einem Unternehmen für Erneuerbare Energien an, zusammen mit den Spitzenkandidatinnen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein, Monika Heinold und Aminata Touré. Doch Montagmittag wird die Klausurtagung abgesagt. Die Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour stehen plötzlich mehr im Rampenlicht, als ihnen lieb sein kann: Sie haben Bundesfamilienministerin Anne Spiegel verabschieden müssen. Spätestens nach ihrem denkwürdigen Presse-Auftritt am Sonntagabend war die 41-Jährige nicht mehr zu halten.

Dass Lang und Nouripour die Frau aus Rheinland-Pfalz zum Rücktritt aufgefordert haben, wie es die "Bild"-Zeitung berichtet, werden diese wohl nicht bestätigen. Dass sie Spiegel in zahlreichen Gesprächen, die es gegeben haben soll, auch nicht von diesem Schritt abgehalten haben, spricht aber für sich. Der Rücktritt sei "richtig", bekunden Lang und Nouripour einmütig, als sie am frühen Nachmittag kurz aus dem Hotel heraustreten und sich nach nur zwei Fragen wieder verabschieden. Im Anschluss wird telefoniert, statt getagt: Die Grünen brauchen schleunigst eine Nachfolgerin für Spiegel. Das Thema muss schnell aus der Welt. Am 8. Mai ist Landtagswahl in Schleswig-Holstein und eine Woche darauf in Nordrhein-Westfalen. Nach dem knapp verpassten Einzug in den Landtag des Saarlands brauchen die Grünen einen Erfolg. Spiegels Rücktritt erfolgt zur Unzeit.

Keine Wiederholung des November-Dramas

Doch eine schnelle Lösung allein reicht nicht. Keinesfalls soll sich der November der langen Messer wiederholen, als die Vergabe der Kabinettsposten beinahe zur Zerreißprobe für die Grünen wurde. Im Bemühen darum, grünen Quotenregeln gerecht zu werden, wurde damals der parteiintern geschätzte Anton Hofreiter unerwartet ins Abseits gestellt, um Cem Özdemir ins Amt des Landwirtschaftsministers zu hieven. Die Parteilinke tobte, weil nun drei von fünf Bundesministern dem Realo-Flügel angehörten. Hofreiter wurde zwar ersatzweise Vorsitzender des Europaausschusses des Bundestags. Völlig geglättet wurden die Wogen dadurch jedoch eher nicht. Dass Hofreiter seit Wochen als einziger Grünen-Promi einen umgehenden Boykott russischer Rohstoffe fordert, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck widerspricht und sich der Parteilinie widersetzt, lässt jedenfalls tief blicken.

Die Spiegel-Nachfolge muss diesmal geräuschloser verlaufen. Eine echte Bewährungsprobe für den Ende Januar gewählten Vorstand, dem neben Lang und Nouripour seither die politische Geschäftsführerin Emily Büning sowie Pegah Edalatian und Heiko Knopf angehören. Der Vorstand muss sich mit den Landesparteivorsitzenden abstimmen und mit dem Parteirat, dem unter anderen die Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge sowie die Bundesminister Robert Habeck und Annalena Baerbock angehören. Die beiden ehemaligen Vorsitzenden haben ebenfalls ein Wörtchen mitzureden, wer künftig mit ihnen am Kabinettstisch sitzen darf.

Wunschprofil: weiblich, links, regierungserfahren

Das Problem: Spiegel muss nach Grünen-interner Proporzregel wieder durch eine linke Frau ersetzt werden, wenn die übrigen Ministerposten gleich besetzt bleiben. Zudem hat Olaf Scholz ein paritätisch besetztes Kabinett versprochen, was ausgerechnet die Grünen schwer torpedieren können. Das versperrt Toni Hofreiter den Weg ins Kabinett, selbst wenn er Özdemirs Agrarministerium übernähme und Özdemir das Spiegel-Erbe anträte, wie an diesem Nachmittag spekuliert wird. Und wie könnten die Grünen erklären, dass ein Mann auf Spiegel folgt? Es wäre ein Tiefschlag für das Grünen-Anliegen einer Gesellschaft, in der Müttern kleiner Kinder eine Karriere nicht verwehrt bleibt.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die auch beim Thema Familienpolitik beschlagen ist, wäre wiederum parteiintern schwer zu vermitteln, weil sie dem Lager der Realos angehört. Ideal wäre zudem Regierungserfahrung, denn der zweite Schuss bei der Grünen-Ministervergabe muss unbedingt sitzen.

Eine klare Favoritin ist nicht zu erkennen, und das macht es für die Grünen-Spitze so schwierig. Bevor sich die Vorsitzenden am Dienstag zum Pressetermin mit Heinold und Touré treffen, sollte eine Lösung vorliegen, um den Wahlkampfauftritt nicht mit Fragen nach der Spiegel-Nachfolge zu überschatten. Es könnte also schnell gehen, vorausgesetzt, es gelingt, den gordischen Personalknoten zu lösen. Große Bundespolitik wird auch schon mal im kleinen Husum gemacht.

Quelle: ntv.de

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