Politik

Wie Hunger gemacht wird Streit über Subventionen

Die Bundesregierung verstärkt wegen der weltweiten Nahrungskrise ihre finanzielle Nothilfe. Nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann die Explosion der Lebensmittelpreise nur durch ein koordiniertes Vorgehen gedämpft werden. Der Preisanstieg werde bei der Tagung der Welternährungsorganisation FAO im Juni und beim nächsten G8-Gipfel ein Thema sein, sagte Merkel nach einem Treffen mit Ägyptens Staatschef Husni Mubarak. Die europäischen G8-Mitglieder - Großbritannien, Italien, Frankreich, Deutschland - würden dabei in die gleiche Richtung wirken.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sagte dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zusätzliche zehn Millionen Euro zu. In einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde des Bundestags kritisierte sie Exportstopps von Schwellenländern und Agrar-Spekulationen an Börsen.

Subventionen als Ausgleich für Umweltmaßnahmen

Agrarminister Horst Seehofer (CSU) forderte eine "Neuausrichtung der Entwicklungspolitik". Es brauche eine "zusätzliche Nahrungsmittelerzeugung, und zwar vor allem dort, wo Menschen leben, die von Hunger bedroht sind". Seehofer verlangte jedoch auch, in der EU solle die Pflicht zur Flächenstilllegung abgeschafft werden. Die umstrittenen Agrarsubventionen verteidigte er als Ausgleich für Umweltmaßnahmen. EU-Exportsubventionen hätten jedoch "keine Berechtigung" mehr. Sie sollen bis 2013 wegfallen. Für den Import von Biosprit forderte Seehofer Standards, um Urwaldzerstörung zu verhindern.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte ein Moratorium für den Import von Biosprit und Biomasse bestenfalls einen ersten Schritt zur Bekämpfung des weltweiten Hungers. Ein Fehler sei aber auch die Abschottung der Agrar-Märkte der Industrieländer gewesen, die den Abbau in Entwicklungsländern gebremst hätten.

Subventionen als Unterdrückung der Dritten Welt

Auch der Chef der Welternährungsorganisation FAO, Jacques Diouf, kritisierte die Agrarpolitik der westlichen Länder. Einerseits sei die Nahrungsmittelhilfe für Entwicklungsländer halbiert worden, sagte Diouf in Paris. Besonders in Afrika sei nicht genug in Wassermanagement, Straßenbau und Lagerungsmöglichkeiten investiert worden.

Gleichzeitig hätten die Subventionen für Landwirte in den reichen Ländern die Agrarwirtschaft in der Dritten Welt unterdrückt. "Dabei gibt es Platz für beide: Landwirtschaft in den Industrieländern und Landwirtschaft in den Entwicklungsländern."

EU-Lebensmittel in Afrika billiger als einheimische Produkte

Allein die Europäische Union zahlt ihren Bauern jährlich Milliardensummen an Subventionen. Dadurch können auf den Märkten der Entwicklungsländer Nahrungsmittel der EU billiger angeboten werden als aus heimischer Produktion. Die Vereinten Nationen warnen angesichts drastisch gestiegener Lebensmittelpreise vor einer weltweiten Hungersnot. Das FAO ist Teil der UN.

Diouf nannte die Erhöhung der Nahrungsmittelhilfen, die zahlreiche Staaten angekündigt haben, "gutes Krisenmanagement". Es sei aber notwendig, sich jetzt auf die Erntesaison 2008 zu konzentrieren. Die Landwirte in den Entwicklungsländern müssten Zugang zu Saaten und Düngemittel erhalten, forderte Diouf.

Beckstein gegen Seehofer-Vorstoß

Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) stellte sich gegen die Forderung Seehofers nach einer agrarpolitischen Wende. "Wenn man die Produktionsmengen erhöht, kann dies sehr schnell zu einer Reduzierung der Preise führen", sagte er der "Welt". Die Nahrungsmittelknappheit sei nicht allein dadurch zu lösen.

In den vergangenen Wochen war es wegen hoher Nahrungsmittelpreise zu Unruhen in Nordafrika, Lateinamerika und Asien gekommen. Wegen eines Überangebots sanken in Deutschland zugleich die Milchpreise, nachdem sie erst vor wenigen Monaten gestiegen waren. Die Milchbauern protestieren gegen die Preisabschläge des Einzelhandels und der Molkereien. Baden-Württembergs Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte in Stuttgart, die Senkungen um bis zu 20 Cent trieben die Erzeuger in den Bankrott. Das Bundeskartellamt geht einer Beschwerde des Bauernverbands wegen möglicher Preisabsprachen des Handels nach.

Quelle: ntv.de

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