Bund-Länder-Schalte zu Corona Streit um Ausgangsbeschränkungen und Schule
19.01.2021, 13:56 Uhr
Im Kanzleramt soll ein länderübergreifendes Vorgehen im Kampf gegen das Coronavirus abgestimmt werden.
(Foto: imago images/Stefan Zeitz)
Mehrere Punkte in einem aktuellen Entwurf des Kanzleramts für die Konferenz der Länderchefs mit Merkel stehen nun in eckigen Klammern - über sie gibt es keine Einigung, hier besteht noch Diskussionsbedarf. Aus Thüringen kommt heftige Kritik allein schon am Vorgehen des Kanzleramts.
Es ist wie so oft in den vergangenen Monaten: Kurz bevor sich die Kanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zu einem weiteren Corona-Gipfel zusammenschaltet, gelangen die Pläne des Bundes ans Licht der Öffentlichkeit - frei nach dem Motto: "Seht her, so machen wir das!" Ziehen einzelne Ministerpräsidenten später nicht mit, sieht es so aus, als würden sie ausscheren. Dabei sind es doch eigentlich sie, die über verschärfte Maßnahmen zu befinden haben, nicht der Bund. Schon im November sorgte dieses Vorgehen für Ärger. Mecklenburg-Vorpommerns Landeschefin Manuela Schwesig beschwerte sich öffentlich über das Kanzleramt. Nun droht wieder Streit.
Welche konkreten Beschlüsse sich derzeit andeuten, können Sie hier nachlesen.
Was die Beschlussvorlage des Bundes für die kommenden Wochen vorsieht, ist von Konsens weit entfernt. Nicht nur eine Verlängerung des Lockdowns bis Mitte Februar und eine Homeoffice-Anordnung soll beschlossen werden, sondern auch eine schärfere Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) und im Einzelhandel. Wer Bus und Bahn nutzt oder einkaufen geht, muss demnach künftig eine FFP2- oder OP-Maske tragen. Schon die Beschlussvorlage enthält an dieser Stelle einen ersten Kompromiss: Denn eine reine FFP2-Maskenpflicht wäre nicht durchzusetzen gewesen, weil einige Länderchefs auch einfache medizinische Masken für ausreichend erachten.
Dies stand bereits in einem früheren Entwurf von gestern Abend, den das Kanzleramt für die heutige Videokonferenz geschrieben hatte. In einem aktualisierten Papier, das ntv vorliegt, wurden dann einige Änderungen vorgenommen. Mehrere Punkte sind nun in eckige Klammern gesetzt, was bedeutet, dass es hier noch keine Einigkeit gibt. Die Gespräche zwischen Angela Merkel und den Länderchefs sollten um 14 Uhr beginnen.
SPD-Länder gegen Ausgangsbeschränkungen
In eckigen Klammern steht beispielsweise der gesamte Absatz zu möglichen Ausgangsbeschränkungen und Einschränkungen des Bewegungsradius auf 15 Kilometer. Hier hatte das Kanzleramt vorgeschlagen, dies auch in Ländern beziehungsweise Landkreisen vorzusehen, die bis zum 15. Februar "absehbar" die Inzidenz nicht unter 50 drücken können.
Solche Maßnahmen sind zwischen den Bundesländern allerdings umstritten; vor allem die SPD-regierten Länder sind allerdings generell gegen Ausgangssperren. Und die 15-Kilometer-Regel etwa geht zwar auch auf Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zurück. Der konnte sie dann in seiner Landesregierung aber nicht durchsetzen. In Thüringen ist dies deshalb nur eine Empfehlung. Anfang Januar hatte sich die Bund-Länder-Konferenz darauf verständigt, dass diese Regel in Kreisen gelten soll, die eine Inzidenz von mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner haben. Der erste Entwurf des Kanzleramts für die Videoschalte heute sah ausdrücklich vor, dass solche Maßnahmen auch unterhalb dieser Marke ergriffen werden, um eine schnelle Senkung der Infektionszahlen zu erreichen.
Thema Schule ebenfalls strittig
Auch der gesamte Abschnitt zu Schulen und Kitas steht in eckigen Klammern. Hier hatte das Kanzleramt geschrieben, dass der Betrieb von Kitas und Schulen höchste Bedeutung für die Bildung der Kinder und die Vereinbarung von Familie und Beruf habe - und danach betont, es gebe ernst zu nehmende Hinweise, dass das mutierte Coronavirus sich "stärker unter Kindern und Jugendlichen verbreitet, als das bei dem bisher bekannten Virus der Fall ist". Daher sollen die Schulen bis zum 15. Februar "grundsätzlich" geschlossen bleiben. Eine Notfallbetreuung werde sichergestellt, Distanzlernen werde angeboten. Eckige Klammern finden sich auch bei dem Ziel, das Fahrgastaufkommen durch eine "Reduzierung des Präsenzbetriebs in Bildungseinrichtungen" zu erreichen.
Bei der generellen Verlängerung der geltenden Maßnahmen ist aus dem 15. Februar der 14. Februar geworden. Gestrichen wurde unter anderem der Satz, es entstehe "kein Raum für Lockerungen", solange "wir auf einem mittleren bis hohen Infektionsniveau verharren". Konsens ist dagegen offenbar die Pflicht zum Tragen von medizinischen Atemschutzmasken in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Geschäften.
Ramelow fordert bundesweites Ampelsystem
Bleibt die Frage, wer das bezahlen soll. In einem Papier von Bodo Ramelow, das ntv.de vorliegt, macht Thüringens Ministerpräsident seine Zustimmung zu einer generellen Maskenpflicht auch davon abhängig, dass die "öffentliche Hand FFP2-Masken erwirbt und als öffentliche Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger bereitstellt". Medizinische Masken müssten zudem in Bildungseinrichtungen, Unternehmen des ÖPNV oder Einkaufszentren "schnell und umfassend" ausgegeben werden. Selbst eine Testpflicht für Mitarbeiter in Betrieben hält er - sofern sie rechtlich umsetzbar ist - für "zwingend". Bisher gibt es flächendeckende Antigen-Schnelltests nur in Schulen, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen.
Ganz allgemein stellt Ramelow die Praxis der Schaltkonferenzen zwischen Bund und Ländern infrage. Anstatt sich kurzfristig zu Beratungen zu verabreden, deren Ergebnis dann darauf geprüft werde, wer sich letztlich durchgesetzt habe, sei eine langfristige Strategie notwendig, so der Linken-Politiker. Ähnlich hatte sich zuvor auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther geäußert. Konkret plädiert Ramelow für ein bundesweites Ampelsystem, das für die Regionen je nach Inzidenz bestimmte "Interventions- und Lockerungsschwellen" vorsieht. Er gehe ohnehin davon aus, "dass wir für das Pandemiemanagement in der aktuellen Phase einen Zeitraum von rund 12 Wochen vorsehen müssen", heißt es in dem Papier. Das wäre bis Mitte April.
Bund will Homeoffice erleichtern
Im zweiten Entwurf des Kanzleramts wird auch eine Verschärfung der Homeoffice-Regelungen diskutiert. Hier hatte das Kanzleramt in seinem ersten Entwurf geschrieben, das Bundesarbeitsministerium werde eine Verordnung erlassen, "wonach Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen, sofern die Tätigkeiten es nach ihrer eingehenden Prüfung zulassen". Bei dieser Formulierung bleibt es - anders als fast alle anderen Themenbereiche der Pandemie liegt diese Verordnung in der Kompetenz des Bundes, nicht der Länder.
In dem Appell, die Betriebe in Deutschland seien "aufgefordert, dort wo Arbeiten in Präsenz weiter erforderlich ist, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern medizinische Masken zur Verfügung zu stellen", findet sich nun in eckigen Klammern der Vorschlag, aus der Aufforderung eine Verpflichtung zu machen. Die Regel, für Arbeitsbereiche auf engem Raum und ohne ausreichende Lüftung oder ohne ausreichende Abstände seien "Masken der Norm FFP2-/KN95 einzusetzen", wurde ebenfalls verschärft. Im neuen Entwurf muss die Belegung von Räumen reduziert werden. In eckigen Klammern ergänzt wurde die Alternative, Masken der Norm FFP2-/KN95 einzusetzen.
Quelle: ntv.de