Konsequenzen der BSE-Krise Streit um Notschlachtung
15.01.2001, 08:15 UhrDie Bundesregierung prüft, ob die gesamte Rinderherde nach einem BSE-Fall getötet werden muss. Laut Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wird untersucht, ob das von Bayern propagierte Schweizer Modell der so genannten "Kohortentötung" - die Keulung nur eines Geburtenjahrganges - machbar ist.
Nach Angaben des Chefs der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber (CSU), praktiziert die Schweiz diese Methode bereits seit drei Jahren. Dabei habe sich gezeigt, dass in mehr als 90 Prozent der Fälle immer nur ein Tier eines Bestandes an BSE erkrankt sei - obwohl alle dasselbe Futter gefressen hätten.
Unterdessen gehen die Grünen auf Distanz zu Plänen des Bundes, 400.000 Rinder zu keulen. Das Geld sollte nicht dazu eingesetzt werden, um bestehende Marktstrukturen zu zementieren, sagte Parteichef-Chef Fritz Kuhn.
Experten beraten über Forschungsstand
Experten des Gesundheits- und Forschungsministeriums beraten zur Stunde in Bonn über den Stand der Forschung bei der Rinderseuche. Über die Übertragungswege für BSE gibt es bislang noch keine gesicherten wissenschaftliche Erkenntnisse. Als BSE-Infektionsquellen werden mit verbotenem Tiermehl verunreinigte Futtermittel oder so genannte Milchaustausche - ein mit tierischen Fetten angereicherter Milchersatz für Kälber - vermutet.
Stamm stellt Vertrauensfrage
Nach anhaltender Kritik wegen ihres Umgangs mit der BSE-Krise hat die bayerische Gesundheitsministerin Barbara Stamm (CSU) nach Angaben aus Parteikreisen die Vertrauensfrage gestellt. Stamm habe CSU-Fraktionschef Alois Glück gefragt, ib sie "ein Hindernis" sei, hieß es am Montag, Glück habe Stamm versuchert, dass die Fraktion hinter ihr stehe. Stamm will am Nachmittag in Kreuth gemeinsam mit Agrarminister Josef Miller (CSU) Konzepte für die BSE-Bekämpfung vorstellen. Auch Miller steht unter Druck.
Siebter BSE-Fall in Bayern
In Bayern gibt es unterdessen sieben BSE-Fälle. Der Verdachtsfall bei einer 1998 geborenen Kuh aus Freising wurde durch eine Kontrolluntersuchung des Tübinger BSE-Referenzzentrums bestätigt, teilte das Sozialministerium mit. Ein erster BSE-Schnelltest hatte bei dem 28 Monate alten Tier am 2. Januar ein positives Ergebnis gebracht. Deutschlandweit ist damit der 14. BSE-Fall bestätigt.
Neuer BSE-Verdachtsfall in Niedersachsen
Bei einem weiteren Rind aus Niedersachsen hat sich derweil ein BSE-Verdachtsfall ergeben. Wie das Gesundheitsministerium des Landes mitteilte, stammt das Tier aus von einem Hof in Loxstedt und wurde am Freitag im Schlachthof in Bremerhaven geschlachtet. Die Probe sei nun an das zuständige Institut in Tübingen geschickt worden. Die niedersächsischen Behörden seien informiert worden.
Am Samstag war in Schleswig-Holstein ein dritter BSE-Fall bestätigt worden. Das gab das Landwirtschaftsministerium in Kiel bekannt. Damit sind zum ersten Mal in Deutschland zwei BSE-Fälle in einem Bestand nachgewiesen worden.
Zusatz-Maßnahmen kosten EU 1,89 Mrd DM
Die zusätzlich beschlossenen Maßnahmen gegen die Rinderseuche werden der Europäische Union (EU) voraussichtlich umgerechnet rund 1,89 Milliarden Mark (970 Millionen Euro) kosten. Dies erklärte EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer im DeutschlandRadio Berlin. Dabei mache die finanzielle Beteiligung der EU an den Schnelltests mit jeweils 15 Euro (29,25 Mark) nur einen vergleichbar geringen Teil aus. Der Großteil der Summe werde für den Ankauf von negativ getesteten Rindern veranschlagt, die wegen des zusammengebrochenen Fleischmarkts vernichtet werden müssen, so Schreyer. Diese Verteilung wertete sie als Indiz dafür, "dass man in der Agrarpolitik auch das Marktordnungssystem überdenken muss. "
Schreyer forderte zudem eine stärkere Kontrolle des Agrarministerrates. So müssten dessen Beschlüsse beispielsweise nicht den EU-Finanzministerrat passieren.
Quelle: ntv.de