Angeblich Offiziere erschossen Syrien dementiert Meuterei
28.04.2011, 10:28 Uhr
Arabische TV-Sender zeigen Bilder von syrischen Panzern in der Stadt Daraa.
(Foto: dpa)
Nach Angaben von Regimegegnern sollen sich in Syrien Offiziere geweigert haben, auf Demonstranten zu schießen. Die syrische Armee weist die Berichte zurück. Der Rückhalt für Präsident Assad schmilzt offenbar aber, es soll zahlreiche Austritte aus seiner Partei geben.
Die syrischen Streitkräfte haben Berichte über eine angebliche Meuterei in der Armee dementiert. Diese Falschmeldungen sollten das Ansehen der Sicherheitskräfte beschädigen, erklärte ein Armeesprecher nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana. Die EU strebt nach dem Scheitern eines Vorstoßes im UN-Sicherheitsrat derweil weiter Sanktionen gegen Syrien an.
Die syrische Regierung zeigte sich entschlossen, die Proteste im Land niederzuschlagen. "Die Behörden sind entschlossen, die Sicherheit, Stabilität und Ruhe der Bürger wiederherzustellen", sagte der Informationsminister Adnan Mahmud. "In Daraa ist die Armee auf die Bitte der Bevölkerung eingeschritten, um den Frieden wiederherzustellen", sagte Mahmud.
Ein Oppositionsaktivist berichtete dagegen, in der von der Armee besetzten Stadt Daraa werde die humanitäre Lage immer dramatischer. Abdullah Abasid sagte, es gebe kein Wasser, keinen Strom und es mangele an Ärzten und Medikamenten. Seit dem Einmarsch der Armee am Montag seien 42 Menschen getötet worden, sagte Abasid. Die Soldaten hinderten die Menschen mit Gewalt daran, ihre Angehörigen zu begraben. Mehrere Soldaten hätten sich den Bewohnern angeschlossen, um sie gegen die Sicherheitskräfte zu verteidigen, sagte Abasid.
"Alle Optionen auf dem Tisch"
Bei einem Treffen der ständigen Botschafter der 27 EU-Staaten am Freitag soll über Reisebeschränkungen für Verantwortliche des Regimes in Damaskus oder das Einfrieren von Vermögenswerten beraten werden. Das verlautete aus EU-Kreisen. Bei dem Treffen liegen "alle Optionen auf dem Tisch", sagte der Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel. EU-Diplomaten hatten sich enttäuscht über die gescheiterte Verurteilung Syriens im Weltsicherheitsrat gezeigt. Ein von Deutschen, Briten, Franzosen und Portugiesen eingebrachter Entwurf für eine offizielle Erklärung fand nicht die Zustimmung des 15-Länder-Gremiums.
Die EU wolle dennoch zu einer eigenen Entscheidung kommen, hieß es. Es bestehe die Option, Investitionen und Hilfen für das arabische Land einzufrieren, verlautete aus EU-Kreisen. Damit steht für Syrien viel Geld auf dem Spiel: Im Rahmen eines Hilfsprogramms stehen für das Land von 2011 bis 2013 rund 129 Millionen Euro aus EU-Töpfen bereit. Die Gelder sollen politische, wirtschaftliche und soziale Reformen vorantreiben. Gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank finanziert die EU-Kommission darüber hinaus Projekte in Syrien, die sich auf mehr als 1,3 Milliarden Euro belaufen.
Die Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter teilte mit, ihr lägen die Namen von 453 Menschen vor, die seit Beginn der Unruhen getötet worden seien.
Christen stehen zu Protesten
Zu den Berichten über eine Meuterei hatten Regimegegner in Syrien berichtet, etliche Offiziere hätten sich geweigert, in der belagerten Stadt Daraa auf Demonstranten zu schießen. Einige von ihnen seien daraufhin von Angehörigen der regimetreuen Republikanischen Garden wegen Befehlsverweigerung erschossen worden. Auch bei den Christen bröckelt die Unterstützung für Assad anscheinend.

Auch Außenminister Guido Westerwelle verlangt Sanktionen, sollte Syrien die Gewalt nicht stoppen.
(Foto: AP)
In einem Video, das Aktivisten aus Daraa schmuggeln konnten, sind junge Demonstranten zu sehen, die rufen: "Wir haben keine Angst, die Armee steht auf unserer Seite." Ein weiteres Video zeigt einen syrischen Christen, der auf einem Platz vor einer Menge von Menschen spricht und sagt, die Christen unterstützten den Aufstand gegen das Regime von Baschar al-Assad. Die Menge rief daraufhin: "Nationale Einheit, Einheit, Islam und Christentum, wir alle wollen Freiheit."
Viele syrische Christen hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Assad-Regime solidarisiert, obwohl sie die undemokratischen Praktiken der regierenden Baath-Partei und der Sicherheitskräfte ablehnten. Sie sahen in dem Regime, das von Angehörigen der alawitischen Minderheit dominiert wird, einen Schutzwall gegen eine Diskriminierung der religiösen Minderheiten in einem sunnitisch-islamischen Staat.
Weitere Demonstrationen geplant
Die syrische Exil-Opposition meldete außerdem, bislang seien 203 Mitglieder aus der Baath-Partei ausgetreten. Sie protestierten damit gegen die Gewalt der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten. Die Regimegegner, die demokratische Reformen und Respekt für die Menschenrechte fordern, haben für diesen Freitag erneut zu Massendemonstrationen aufgerufen.
In Duma bei Damaskus wurden in den vergangenen Tagen nach Angaben syrischer Aktivisten zehn Ärzte festgenommen, weil sie verletzte Demonstranten im Krankenhaus behandelt hatten. Die Apotheken in Duma seien geschlossen worden. Das Stromnetz und das Mobilfunknetz wurden unterbrochen. Aktivisten aus der Ortschaft Duma berichteten, in den vergangenen Tagen seien in Duma Hunderte von jungen Männern festgenommen worden. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, Terroristen hätten in der Stadt Homs am Mittwochabend zwei Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Das syrische Fernsehen strahlte "Geständnisse" von mutmaßlichen Extremisten aus.
Hunderte Einwohner der Stadt Tall Kalach rund 80 Kilometer westlich von Homs flohen zu Fuß über die nahe Grenze in den Libanon. Flüchtlinge berichteten, die 25.000-Einwohner-Stadt sei von der Armee eingekreist worden. Nach Angaben der Flüchtlinge erlaubten die Soldaten niemandem das Betreten der Stadt, hinderten die Einwohner aber nicht an der Flucht. Der frühere Bürgermeister der libanesischen Grenzstadt Mkajbleh, Mahmud Chasaal, sagte, 700 Menschen, zumeist Frauen und Kinder, hätten einen inoffiziellen Grenzübergang passiert.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP