Kritik an Gewalt gegen Proteste Syrischer Botschafter einbestellt
04.04.2011, 23:59 UhrDie Bundesregierung protestiert gegen die gewaltsame Niederschlagung von Protesten in Syrien. Sie bestellt den Botschafter des Landes ein. Syriens Präsident Assad setzt derweil auf Zuckerbrot und Peitsche. Rentnern, Angestellten und Bauern machte er Zugeständnisse. Gleichzeitig werden Oppositionelle terrorisiert.
Angesichts des gewaltsamen Einsatzes der syrischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten hat das Auswärtige Amt den syrischen Botschafter einbestellt. Der Beauftragte für den Nahen Osten, Botschafter Andreas Michaelis, habe Syriens Botschafter Radwan Loutfi gegenüber die Erwartung der Bundesregierung geäußert, dass das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten gestoppt werden müsse, teilte das Außenamt mit.
Ferner forderte Michaelis den Angaben zufolge, dass alle politischen Gefangenen in Syrien freigelassen werden müssten. Die angekündigten Reformen müssten "mutig und im Dialog mit den Menschen in Syrien" umgesetzt werden, sagte Michaelis weiter. Stabilität brauche Reformen, nicht Repression.
Reformen für Rentner, Angestellte, Bauern
Dessen ungeachtet hält die syrische Führung an ihrer Doppelstrategie fest: Sie lässt Demonstranten misshandeln und erschießen, gleichzeitig verspricht das Regime Reformen. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, Staatschef Baschar al-Assad habe ein Dekret unterzeichnet, das die Übernahme eines Anteils der Krankenversicherungsbeiträge für Rentner durch den Staat vorsieht. Zudem ordnete er die Gründung einer staatlichen Krankenversicherung für Angestellte an. Bauern sollen Strafgebühren für nicht-bezahlte Wassergebühren aus den Jahren 1997 bis 2000 erlassen werden.
Auf die Forderungen der Demonstranten nach Meinungsfreiheit und mehr Demokratie ging Assad aber nicht ein. Der Konflikt zwischen dem Regime und der Protestbewegung, die seit drei Wochen friedliche Demonstrationen organisiert, hatte sich zugespitzt, nachdem Angehörige der Sicherheitskräfte und Schlägertrupps in mehreren Städten Dutzende von Menschen getötet hatten.
Zum neuen Gouverneur der Provinz Daraa, die eines der Zentren der Proteste gewesen war, ernannte Assad den pensionierten Armeeoffizier Mohammed Chalid al-Hanus. Er gilt, wie auch der neu ernannte Regierungschef Adel Safar, als Mann ohne korrupte Vergangenheit. Al-Hanus ersetzt den bei der Bevölkerung verhassten Faisal Kalthum. Dieser war am 23. März nach tagelangen blutigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten entlassen worden.
Notstand aufheben, Gefangene freilassen
Aktivisten der Opposition wiesen die Ablösung des Gouverneurs als unzureichend zurück. "Die Einwohner Daraas wollen mehr als den Austausch des Gouverneurs. Sie wollen, dass sie nicht länger von den Sicherheitskräften unterdrückt werden, dass das Notstandsgesetz aufgehoben, die Eigentumsrechte geachtet, die Gefangenen freigelassen und die Meinungsfreiheit garantiert wird", sagte ein Aktivist.
Assad, der von Teilen der Opposition einst als Hoffnungsträger angesehen worden war, hatte kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 Reformen angekündigt, die aber bisher nicht umgesetzt wurden. Die regierungsnahe syrische Tageszeitung "Al-Watan" schrieb: "Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag für Reformen." Der regimekritische Rechtsanwalt Haitham al-Maleh, der erst vor wenigen Tagen aus dem Gefängnis entlassen worden war, sagte: "In Syrien gibt es keine Revolution, sondern Proteste, und der Sturz des Regimes ist keine der wesentlichen Forderungen. Wenn diese Forderungen nach Aufhebung des Ausnahmezustandes, nach einem neuen Parteiengesetz und nach politischen Freiheiten nicht erfüllt werden, dann wird daraus eine Revolution werden."
USA geben Reisewarnung heraus
Angesichts der anhaltenden Unruhen verschärften die USA ihre Reisewarnung für das Land. Nicht unbedingt notwendige Reisen sollten verschoben werden, verlautete aus dem Außenministerium in Washington. Den US-Bürgern in Syrien legte das Ministerium nahe, "über eine Ausreise nachzudenken". Zugleich wurde allen Familienangehörigen der US-Botschaftsangestellten erlaubt, Syrien zu verlassen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP