Politik

"Frühjahrsoffensive" in Afghanistan Taliban demonstrieren ihre Macht

Regierungsgebäude, Botschaften und Nato-Stützpunkte sind die Hauptziele der Aufständischen.

In Kabul geraten Regierungsgebäude und Botschaften unter Beschuss, darunter auch die deutsche Botschaft. Zeitgleich werden im Landesosten mehrere Militärstützpunkte attackiert. Mit den blutigen Anschlägen melden sich die Taliban zurück, die den Beginn ihrer "Frühjahrsoffensive" ausrufen. Die Gefechte dauern bis in den Abend an.

Die Taliban-Kämpfer liefern sich heftige Gefechte mit Soldaten und Polizei.

Die Taliban-Kämpfer liefern sich heftige Gefechte mit Soldaten und Polizei.

(Foto: dpa)

Als Demonstration ihrer anhaltenden Stärke haben die Taliban in Afghanistan in einer koordinierten Aktion Regierungsgebäude, Botschaften und Militärstützpunkte in mehreren Städten zeitgleich angegriffen. In Kabul kam es zu Gefechten im Botschaftsviertel, im Zentrum, am Parlament im Westen und an einer türkischen Militärbasis im Osten der Stadt.

Zehn Stunden nach Beginn der Angriffe wurde in der Hauptstadt noch immer gekämpft. Die Gefechte gingen in der Nacht in zwei Gebieten weiter, erklärte ein Sprecher der Kabuler Polizei. "Zwei Angreifer kämpfen in der Nähe des Parlaments gegen die Sicherheitskräfte und drei Angreifer sind in einem Gebäude im Bereich Wasir Achbar Khan", einem hoch gesicherten Diplomatenviertel. Dort befindet sich auch die deutsche Botschaft.

Fünf Angreifer und zwei Polizisten wurden dem Polizeisprecher zufolge getötet. Dazu kämen zehn verwundete Polizisten. Das Innenministerium sprach von mindestens 19 getöteten Aufständischen. Außer an sieben Stellen in Kabul griffen die Aufständischen Ziele in Dschalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar, in Pul-e-Alam, der Hauptstadt der Provinz Logar, und in Gardes, der Hauptstadt der Provinz Paktia, an. In Dschalalabad schlugen Isaf-Soldaten einen Angriff auf eine Militärbasis zurück.

Keine Verletzten auf dem Botschaftsgelände

Das Hotel "Kabul Star" soll von Aufständischen eingenommen worden sein.

Das Hotel "Kabul Star" soll von Aufständischen eingenommen worden sein.

(Foto: AP)

Von den Angriffen im Diplomatenviertel war am Morgen auch die deutsche Botschaft betroffen, wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in Berlin bestätigte. Er verurteilte die Attacken "in aller Schärfe" und sagte, es gebe "kleinere Sachschäden" auf dem Botschaftsgelände, jedoch keine Verletzten. Die Botschaftsmitarbeiter befänden sich "an einem sicheren Ort".

Auch in der Nähe der US-Botschaft waren schwere Explosionen und Schüsse zu hören. Die US-Vertretung teilte ebenso wie die britische Botschaft später mit, alle Mitarbeiter seien unverletzt in Sicherheit gebracht worden. Mehrere Kämpfer versuchten nach Behördenangaben zudem, das Parlament in Kabul zu stürmen, wurden aber von Sicherheitskräften überwältigt.

Ein Mitarbeiter von Präsident Hamid Karsai sagte, dieser sei ebenfalls in Sicherheit gebracht worden. Aus Geheimdienstkreisen hieß es, zwei mit Sprengstoff bewaffnete Männer und ein weiterer Angreifer hätten das Haus vom Mohammed Karim Chalili, einem Stellvertreter Karsais, im Visier gehabt, seien aber gefasst worden.

Deutsche Abzugspläne stehen

Westerwelle bekräftigte die Abzugspläne für die Bundeswehr. Der internationale Kampfeinsatz dort soll 2014 enden. Man müsse sich zwar "auf weitere Rückschläge einstellen". Dennoch sei es richtig, den Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung fortzusetzen und die Abzugsperspektive umzusetzen: "Für uns steht fest: Wir werden der Gewalt der Terroristen nicht nachgeben." Die Angriffe dürften auch einen friedlichen Aufbau nicht behindern. "Die Terroristen dürfen nicht obsiegen."

Die Taliban bekannten sich zu den Angriffen in Kabul und den Provinzhauptstädten. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, Dutzende Kämpfer seien an den Operationen beteiligt. Die Taliban wollten ihre Stärke beweisen, nachdem sie von Nato-Truppen als geschwächt bezeichnet worden seien, sagte Mudschahid. Die Angriffe markierten den Beginn der Frühjahrsoffensive der Taliban gegen die ausländischen Truppen und die afghanischen Sicherheitskräfte.

In Kabul verschanzten sich Selbstmordkommandos in Baustellen am Parlament und im Botschaftsviertel. Ähnlich waren die Aufständischen bereits im vergangenen September vorgegangen, als sie von einer Hochhaus-Baustelle aus etwa 20 Stunden lang das Hauptquartier der Isaf und die US-Botschaft in Kabul beschossen.

Abgeordnete erwidern Feuer

Bei den Gefechten am Parlament griffen auch Abgeordnete ein. Ein Abgeordneter, der anonym bleiben wollte, sagte, manche Parlamentarier hätten das Feuer auf die Angreifer erwidert. Kabuls Polizeisprecher Haschmat Staniksai sagte, in der Innenstadt hätten die Aufständischen von einer Baustelle neben einem Hotel aus auf die nahe gelegenen Botschaften geschossen. Zunächst hatte die Polizei mitgeteilt, die Angreifer hätten das Hotel selber gestürmt.

Aus Sicherheitskreisen hieß es, auch die japanische Botschaft seit bei dem Beschuss beschädigt worden. Eine Granate sei auf dem Gelände der russischen Botschaft detoniert. Auch die britische Botschaft - die an die deutsche Botschaft angrenzt - sei mit einer Panzerfaust beschossen worden. Der nahe gelegene Präsidentenpalast sei nicht beschädigt worden.

Die Taliban verüben immer wieder spektakuläre Kommandoaktionen, bei denen mehrere prominente Ziele gleichzeitig angegriffen werden. In den Wintermonaten flauen die Kämpfe in Afghanistan ab, im Frühjahr nehmen sie dann wieder an Schärfe zu.

Quelle: ntv.de, dsi//dpa/AFP

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