Personalpoker in Brüssel Tschechien lässt EU warten
26.10.2009, 21:34 UhrWegen Tschechien liegt die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages noch auf Eis. In Brüssel wird aber bereits diskutiert, wer die künftigen Posten des ständigen EU-Ratspräsidenten und des "Außenministers" übernehmen könnte. Großbritannien macht sich für Ex-Premier Blair stark, aber das stößt nicht überall auf Zustimmung.

Wann in Brüssel über die Vergabe von wichtigen Posten entschieden werden kann, hängt vom tschechischen Präsidenten Klaus ab.
(Foto: dpa)
Die EU-Regierungen können möglicherweise erst bei einem Sondergipfel im November über die Vergabe neuer wichtiger Posten entscheiden. Dies zeichnete sich in Luxemburg bei Beratungen der EU-Außenminister ab, die unter anderem der Vorbereitung des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag dienten. Schwedens Europaministerin Cecilia Malmström, derzeit Vorsitzende des Rates, sagte, selbst im günstigsten Fall sei ungewiss, ob Ende der Woche bereits über die neuen Posten entschieden werden könne. Dabei geht es um einen ständigen EU-Ratspräsidenten und einen "Außenminister" mit neuen Befugnissen.
Die EU-Staaten wollen erst über die beiden Spitzenpositionen entscheiden, wenn klar ist, dass Tschechiens Präsident Vaclav Klaus den Lissabon-Vertrag tatsächlich unterschreiben wird. Sollte die Ratifizierung des Vertrags durch Klaus erst nach dem Gipfel vom Donnerstag absehbar sein, so ist nach Angaben von Malmström und Diplomaten ein Sondergipfel im November wahrscheinlich. Der "Lissabon-Vertrag" soll spätestens zum Jahreswechsel in Kraft treten; zuvor müssen aber die Spitzen-Personalentscheidungen fallen. Entscheidend sei, welchen Termin das tschechische Verfassungsgericht an diesem Dienstag für eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des EU-Reformvertrages nenne, sagte Malmström. Der Lissabon-Vertrag soll in der stark gewachsenen EU die Entscheidungsfindung einfacher machen und unter anderem für mehr Mitwirkung des Europaparlaments und nationaler Parlamente sorgen.
Klaus fordert Sonderregel für Tschechien
Klaus' Unterschrift ist die letzte Hürde vor dem Inkrafttreten des EU-Vertrags. Bei dem Außenministertreffen ging es deshalb unter anderem um die Bedingungen, die Klaus zur Ratifizierung des EU-Vertrags stellt. Er fordert eine Ausnahme Tschechiens von der europäischen Charta der Menschenrechte. Die nach dem zweiten Weltkrieg vertriebenen Sudetendeutschen sollen diese nicht als Grundlage nutzen können, um Grundstücke oder Häuser in Tschechien zurückzufordern. Malmström nannte Ausnahmen von der Grundrechtecharta nach dem Modell Polens und Großbritanniens denkbar.
Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft habe bisher noch nicht begonnen, sich mit den Mitgliedstaaten über die Posten des Ratspräsidenten und des Außenministers zu beraten, sagte Malström. Möglicherweise könne dies am Dienstag beginnen. Es bleibe jedoch abzuwarten, ob es dann bis zum Donnerstag die erforderliche große Mehrheit für eine Besetzung der beiden Posten gebe. "Da ist Zeit für Konsultationen und eine erste Debatte", sagte Malmström zum Gipfeltreffen vom Donnerstag und Freitag in Brüssel.
Miliband macht sich für Blair stark
Unterdessen entbrannte in Brüssel der Personalpoker um die neuen europäischen Spitzenjobs. Der britische Außenminister David Miliband empfahl den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair unmissverständlich für den Posten des ständigen EU-Ratspräsidenten, den der Lissabon-Vertrag schafft. Die EU brauche eine "starke Führung", um China und den USA Paroli zu bieten, sagte Miliband. Die Labour-Regierung bekräftigte in London, dass Blair ihr Kandidat ist. Bisher rotiert der Ratsvorsitz alle sechs Monate zwischen den EU-Staaten.
Blair ließ erklären, dass er nur dann EU-Ratspräsident werden wolle, falls er umfassende Vollmachten bekomme und eine "strategische Rolle" in der EU spielen dürfe. Miliband, ein enger Vertrauter von Blair, sagte, falls ein "strategischer Führer" gesucht werde, stehe Blair zur Verfügung. Falls man jemanden suche, "der beim Gipfel die Tagesordnungspunkte abhakt", sei Blair nicht der richtige Mann. "Ich unterstütze Tony Blair", sagte auch Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner. Es sei aber nicht seine alleinige Entscheidung. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte zuletzt Abstand von Blair genommen.
Gegenwind für Blair
Blair trifft bei einer Reihe von Staaten, vor allem in den Benelux-Ländern, auf starken Widerstand. Sie stören sich daran, dass Großbritannien weder den Euro hat, noch der Schengen-Zone ohne Grenzkontrollen angehört. Zudem sind der Luxemburger Jean-Claude Juncker und der Niederländer Jan Peter Balkenende selbst für das Amt des Ratspräsidenten im Gespräch. Auch Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann erklärte bereits, gegen Blair zu sein.
"Wir brauchen Superstars als unsere Vertreter, die aber nicht nur die Belange der Großen berücksichtigen, sondern auch die der kleinen Staaten", kritisierte auch der litauische Außenminister Vygaudas Usackas. "Mir ist wichtig, dass es starke und überzeugte Europäer sind", sagte der finnische Außenminister Alexander Stubb. "Wir sollten einen starken EU-Präsidenten haben und ich denke, wir sollten einen starken EU-Außenminister haben. Das ist unsere Gelegenheit, unsere Autorität in der Außenpolitik auszubauen." Die Außenminister einigten sich in Luxemburg auf die Grundzüge des künftigen diplomatischen Dienstes der EU, den der Lissabon-Vertrag vorsieht.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts